Die Krieger des alten Japan. Roland HabersetzerЧитать онлайн книгу.
Steine und Pfeile auf sie niederprasselten. 700 von ihnen mußten an jenem Tag ihr Leben lassen. Auch am nächsten Tag erging es den Truppen der Angreifer nicht besser, als sich plötzlich von oben kochendes Wasser in wahren Fluten über sie ergoß, und weder ihre Helme noch ihre Rüstungen konnten sie vor schweren Verbrühungen schützen.
Doch in der Festung wurden allmählich die Lebensmittel knapp, und Kusunoki beschloß, mit seinen verbliebenen Kriegern die Festung zu verlassen. Zuvor plante er jedoch noch eine letzte Überraschung für die Belagerer. Es war eine regnerische Nacht. Die Männer Kusunokis errichteten einen riesigen Scheiterhaufen, auf den sie die Leichen der gefallenen Kämpfer legten. Daraufhin verließen die Belagerten in aller Heimlichkeit in kleinen Gruppen die Festung und schlichen unbehelligt durch die Reihen der Belagerer, deren Aufmerksamkeit durch Müdigkeit und das schlechte Wetter nicht sehr hoch war. Ein einziger Samurai Kusunokis war noch innerhalb der Palisaden geblieben. Dieser setzte schließlich den Scheiterhaufen in Brand. Als die Flammen hoch hinaufschlugen, eilten die Belagerer in die Festung, die durch keine Verteidiger mehr geschützt war. Sie glaubten, die Belagerten hätten kollektiven Selbstmord begangen, aber umsonst suchten sie unter den verkohlten Leichen die sterblichen Überreste Kusunokis. Der Mann des Kaisers und seine Samurai waren bereits in weiter Ferne, und er war entschlossen, eines Tages wieder für Go-Daigo in den Kampf zu ziehen.
Die Belagerung von Chihaya-jô
In der Zwischenzeit hatte man Go-Daigo all seine Rechte aberkannt und ihn auf die Insel Chiburi-jima des Oki-Archipels verbannt, das sich zwischen Kyûshû und der Koreanischen Halbinsel befindet. Seine Güter waren konfisziert worden und ebenso die Besitztümer aller, die ihn unterstützt hatten. Doch sein Sohn, Prinz Morinaga, der ins Yoshino-Gebirge geflohen war, verkündete, den Kampf fortsetzen zu wollen. Er wußte, daß er nach wie vor auf Kusunoki Masashige zählen konnte, der nun im ganzen Land für seinen Mut und seinen Einfallsreichtum berühmt geworden war und dem von überallher neue Gefolgsleute zuströmten, die sich mit ihm unter dem Banner der Kaisertreuen versammelten. Sein hohes Ansehen beruhte nicht zuletzt auch darauf, daß ihm das Leben seiner Mitstreiter nicht gleichgültig war und daß er sie respektvoll behandelte.
Zunächst einmal zog sich Kusunoki mit einer Gruppe seiner Krieger wieder in seine Festung von Akasaka zurück. Um die Reise unbehelligt zu überstehen, hatten sie sich als Bauern getarnt. Sie konnten dort aber nicht länger als einen Monat ausharren, denn den Truppen des Shôguns war es gelungen, ihnen die Wasserversorgung abzugraben. Doch erneut gelang es ihm und seinen Leuten, unbemerkt aus der belagerten Festung zu entkommen.
Wenige Meilen weiter südlich hatte er eine neue Festung errichten lassen, Chihaya-jô. Die Festung war reich mit Vorräten ausgestattet und dafür vorgesehen, einer sehr langen Belagerung standhalten zu können. Dorthin begab er sich nun, und sein Ziel bestand zunächst darin, die Kräfte von Ashikaga Takauji, dem Oberbefehlshaber der Truppen des Shôguns Hôjô, dort so lange wie möglich zu binden. Jener war fest entschlossen, diesmal eine endgültige Entscheidung herbeizuführen. Eine wahre Lawine aus berittenen Kämpfern strömte aus Kamakura zum Ort der Belagerung. Drei Divisionen, insgesamt etwa 100 000 Mann, kamen, um Kusunoki zu vernichten. In der Festung standen ihnen nicht mehr als knapp 1 000 Krieger gegenüber. Doch diese Tausendschaft vermochte es, Chihaya-jô zwei lange Monate hindurch zu halten und Tausenden Angreifern den Tod zu bringen, die immer aufs neue an den Verteidigungsmaßnahmen scheiterten, die der schier unerschöpflichen Erfindungsgabe des Generals des Kaisers entsprangen.
Die Belagerung der Burg von Chihaya im Jahre 1333 gilt in der Geschichte der Samurai als strategisches Musterbeispiel. Chihaya-jô war auf einem Bergplateau angelegt worden. Zwischen dem Berg und dem restlichen Gebirge lag ein tiefes Tal. Auf diese Weise war die Anlage auf natürliche Weise hervorragend geschützt und von mehreren Seiten uneinnehmbar. Bereits an den ersten Tagen, an denen die Belagerer versuchten, die Festung zu stürmen, mußten sie gewaltige Verluste hinnehmen. Es wird berichtet, daß mehrere Schreiber ununterbrochen damit beschäftigt waren, die Namen der Toten aufzuzeichnen.
Man versuchte nun, wie bei Akasaka die Wasserzufuhr zu unterbrechen. Doch Kusunoki hatte dagegen längst Vorkehrungen getroffen, indem er Leitungen aus Bambus unterirdisch zu verborgenen Gebirgsquellen hatte verlegen lassen.
Ungeachtet aller Mißerfolge versuchten die Belagerer unaufhörlich, Chihaya-jô zu erobern. Trotz der geringen Truppenstärke, über die Kusunoki verfügte, setzte er den Angreifern äußerst hart zu. Im Taiheiki47 wird berichtet, daß Tag für Tag mehr als 5 000 Opfer unter ihnen zu verzeichnen waren. Es verging kein Tag, an dem Kusunoki keine neue Kriegslist ersann. So starben Hunderte der feindlichen Samurai beim Einsturz einer Brücke, die die Zimmerleute Ashikagas über eine tiefe Schlucht gelegt hatten. Die Belagerten schleuderten zuerst flüssiges Pech auf die Holzkonstruktion und setzten sie dann mit Brandpfeilen in Flammen. Bei einer anderen Gelegenheit stellten Kusunokis Leute über Nacht Figuren, die mit Rüstungen bekleidet waren und Schilde trugen, verteilt in dem Hochwald auf, der an die Festung grenzte. Am Morgen begannen aus dem Wald heraus Bogenschützen Kusunokis, die Truppen des Shôguns zu beschießen, doch kaum begann der Gegenangriff, zogen sie sich unverzüglich zurück. Die Angreifer hielten die als Krieger verkleideten Figuren für die Nachhut des Feindes und stürmten voll Elan in den Wald, um sie zu vernichten. Als sie merkten, daß man sie zum Narren gehalten hatte, war es zu spät. Von der Höhe der Festungswälle prasselten Tonnen von Felsgestein und Holzstämmen auf sie herab. 300 starben auf der Stelle, und mehr als 500 wurden zu Krüppeln gemacht. In einer anderen Nacht geschah es, daß Kusunoki Verrat vortäuschen ließ und einen Trupp feindlicher Samurai auf diese Weise durch eine geheime Ausfallpforte in die Festung hineinließ. Dort wurden sie jedoch von solch unbarmherzigem Pfeilbeschuß empfangen, daß ihnen nur der sofortige, überstürzte Rückzug blieb. Doch der teuflische Plan Kusunokis sollte noch fatalere Folgen für diesen Trupp haben. Da sie wie von Dämonen verfolgt aus der Burg stürmten, hielten ihre eigenen Leute sie für Samurai aus der Festung, die einen Massenausfall wagen wollten und nahmen sie sofort unter Beschuß. Auf diese Weise verloren Hunderte Männer Ashikagas ihr Leben von der Hand ihrer Waffengefährten.
Es besteht kein Zweifel daran, daß die lange Dauer, während der Chihaya der Belagerung standhielt, den Anhängern Go-Daigos im ganzen Lande zugute kam. Da wegen des hartnäckigen Widerstands eine enorme Truppenstärke benötigt wurde, wurden aus etlichen Regionen die Samurai des Shôguns vollständig abgezogen. Dies wiederum ermunterte die Kaisertreuen zu zahlreichen Angriffen auf die verbliebenen Stellungen des Feindes. Somit war die Belagerung von Chihaya allein schon aus psychologischer Sicht ein unbestreitbarer Sieg der Anhänger des Kaisers. Es hatte sich gezeigt, daß die Samurai des Bakufu nicht unbesiegbar waren, und an dieser Erkenntnis hatte Kusunoki Masashige maßgeblichen Anteil.
Go-Daigos vorzeitige Rückkehr
Im Februar 1333, als die Belagerung von Chihaya-jô noch im Gange war, ließ Kusunoki Go-Daigo eine Botschaft zukommen, in der er diesen ausdrücklich dazu aufforderte, die Insel, auf der er in der Verbannung lebte, zu verlassen. Der inzwischen im ganzen Land ausgebrochene Aufstand gegen die Hôjô bedurfte der symbolhaften Gegenwart des Kaisers. In einem Fischerboot verborgen, verließ Go-Daigo die Oki-Inseln. Kaum, daß seine Flucht und Ankunft in Japan bekannt wurden, wurde ihm die gesamte Streitmacht des Shôguns entgegengeworfen. Da der Hauptgegner wieder im Lande war, zog man die Truppen unverzüglich von Chihaya-jô ab.
Angeführt wurde das Heer des Bakufu wieder durch Ashikaga Takauji. Der erst 28jährige Oberbefehlshaber war die letzte Hoffnung der Hôjô. Doch gerissen und ehrgeizig, wie er war, begriff er, daß sich ihm eine einzigartige Chance aufgetan hatte. Niemand aus dem Umfeld des Shôguns Hôjô Takatoki, dem Erzfeind des Kaisers, hätte die Wendung erahnen können, die die Geschichte plötzlich nahm. Ashikaga, der erst noch mit äußerster Verbissenheit gegen Kusunoki Masashige gekämpft hatte, erklärte, von nun an auf der Seite des Kaisers zu stehen. Dies war ein schrecklicher Schlag für die Hôjô, doch es blieb nicht bei diesem einen. Auch die Armee von Nitta Yoshisada, eines Vetters von Takauji, wandte sich gegen die Hôjô. Und all das war letztendlich das Ergebnis des hartnäckigen Widerstands Kusunokis, dem es gelungen war, die Ohnmacht des Regimes für alle Welt augenscheinlich werden zu lassen.
Takauji ließ