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Allmächd, scho widder a Mord!. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.

Allmächd, scho widder a Mord! - Werner Rosenzweig


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Mainfrankensäle in Veitshöchheim.

      „Einmalig“, schwärmten die Medien, „kein langweiliges Tatää, Tatää. Veitshöchheim läuft den sogenannten Faschingshochburgen am Rhein den Rang ab“.

      Einmaligkeit, das ist es, was die fränkische Region auszeichnet. In jeder Beziehung: Preis-Leistungs-Verhältnis, wirtschaftliche Stärke, niedrige Arbeitslosenquote, liebliche Landschaften, Kulturreichtum, fränkische Spezialitäten, nette Menschen, einzigartige Sprache (oberfränkisch, mittelfränkisch, unterfränkisch, tauberfränkisch, nordwestfränkisch, nordostfränkisch, mainfränkisch, weinfränkisch, bierfränkisch, schnapsfränkisch …), sind nur ein paar wenige Stichworte, welche für das Fränkische so zutreffend sind.

      Einmalig erfolgreich sind auch die fränkischen Ermittler und Kommissare, denn Franken ist blutrot gefärbt. Nicht dass wir Franken eine erhöhte Neigung zur Kriminalität oder gar zu Mordgelüsten hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Franken sind friedvolle, harmoniesuchende Menschen.

      Doch es gibt viele Zugezogene: Bayern, Preußen und echte Ausländer, die glauben, ihren Hang zur Kriminalität in unserem romantischen Landstrich ausleben zu können. Auch wenn wir Franken als sehr tolerant bekannt sind, gefallen lassen wir uns auch nicht alles, schon gar nicht von Bayern und Preußen. Unsere Ermittler und Kommissare gehen mit Raffinesse und Bauernschläue ans Werk. Anwendung von Gewalt hassen sie dabei wie die Pest, was dem angeborenen Naturell der Franken sowieso entspricht. Der Ausspruch „Es werd scho widder wern, mid der Frau Kern. Mid der Frau Horn is aa widder worn“, deutet zudem darauf hin, dass sich die Franken bei ihrer Arbeit ungern hetzen lassen. Gründlichkeit geht vor. Wehe, jemand stört diesen gut funktionierenden Regelkreislauf. Dann kann er etwas erleben. Dann kann er sich auf etwas gefasst machen, denn unsere fränkischen Kommissare, Mörderjäger und Ermittler sen very cool.

      „A su a Scheißwedder, ned Fleisch ned Fisch. Warm is ned, kald is aa ned, und heid gehd der Chrisdkindlesmargd o. In drei Wochn hammer Weihnachdn, und um viera is finsder. Der Summer is mer lieber!“ Gunda Gierbich schimpfte wie ein Rohrspatz. „Mei gehd mier dees Wedder aufn Geisd. Den ganzn Dooch ka Sunna. Gerda, waßd du, wu der Raphael scho widder schdeggd? Der Lauser werd si doch ned scho widder ausn Haus gschlichn ham? Der Greizdunnerwedder-Hundsgrübbl! Irgendwann schloochin su ins Kreiz nei, dass nern sei Ausreißerei vergehd!“

      Gunda Gierbich, die im Erlanger Ortsteil Frauenaurach geborene Fränkin, saß in ihrem zwanzig Quadratmeter großen Ankleidezimmer und lackierte sich ihre Krallen feuerrot. Sie stand etwas unter Zeitdruck und sah auf ihre diamantbesetzte Rolex. In einer Stunde, um achtzehn Uhr, hatte sie im Nürnberger Sheraton einen Termin mit ihren Freundinnen Yvonne, Doris, Thea und Gerlinde. Ihr monatlicher Galaabend stand mal wieder an, und sie musste mit ihrem Porsche Cayenne noch in die Innenstadt fahren.

      „Iech hab gmaant, der Raphael is bei Iehna, gnädiche Frau“, rief Gerda Wunderlich, Köchin, Putzfrau und Kindermädchen zugleich, aus dem Erdgeschoss die Treppe hoch.

      „Bei mier? Was solln der Fregger bei mier? Schau amol draußn nach, obsdn findsd!“

      Der fünfjährige Lauser, Hundsgrübbl und Fregger war tatsächlich mal wieder entwischt. Dazu lag die Villa der Gierbichs aber auch zu verlockend direkt inmitten in der Natur, direkt am Rand von Großgründlach. Der älteste und nördlichste Ortsteil Nürnbergs, direkt an die Stadtgebiete Fürth und Erlangen angrenzend, nahe der Einflugschneise des Nürnberger Flughafens, zählt knapp fünftausend Einwohner. Dort, wo die Erlenhainstraße Dorf auswärts einen scharfen Rechtsknick macht, um kurz darauf vor offenen Feldern zu enden, liegt die moderne Villa der Gierbichs auf einem zweieinhalbtausend Quadratmeter großen Grundstück, eingerahmt von hohen Thuja-Hecken. In unmittelbarer Nähe fließt die Gründlach der Regnitz zu, und ungefähr dreihundert Meter dem Bachlauf folgend, stößt man auf einen kleinen Kastenwald, hinter dem der Mühlweiher liegt und fast bis zur Kleingründlacher Straße reicht. Eine reizvolle Gegend für einen Fünfjährigen um Indianerledz zu spielen. Viel reizvoller als auf dem eigenen Grundstück, welches im Sommer fast nur aus gepflegten Blumenbeeten und Rosenrabatten bestand und auf dem ein unkrautfreier englischer Kurzrasen angesät war, den man sowieso nicht betreten durfte. Die zehn Zimmer, drei Bäder, Bibliothek, Schwimmhalle, Krafttrainingsraum, Sauna und Kellerbar durfte Raphael nur unter Aufsicht erkunden. Einzig und allein sein Kinderzimmer, welches vor langweiligem Spielzeug überquoll, war sein Reich. Draußen am Bach, wo in der warmen Jahreszeit die Frösche hüpfen, und im Wald, wo hinter jedem Baum die feigen Indianer lauern, war es viel interessanter. Die konnte er mit seiner lärmenden und blinkenden Maschinenpistole wenigstens reihenweise niedermähen. Zumindest in seiner kindlichen Gedankenwelt.

      „R-a-p-h-a-e-l, R-a-p-h-a-e-l“, hörte er Gerda rufen, „es is scho dungl, dei Mama had gsachd, du sollsd ham kumma.“ Er stand hinter einem dicken Stamm, seine Maschinenpistole im Anschlag, und er hatte Gerda ganz deutlich im Fadenkreuz seines Zielfernrohrs. Die feige Sioux-Squaw, die draußen auf dem freien Feld ihre Hände zu einem Trichter geformt an den Mund hielt und seinen Namen rief. Den falschen Namen dazu! Wusste sie denn nicht, dass er sich, hier draußen in der Wildnis, Buffalo Bill nannte? Das musste bestraft werden. Er zielte nochmals genau, dann eröffnete er knatternd das Feuer.

      „Wie oft hab iech dier scho gsachd, dass du ned allaa do naus gehn sollsd?“, schimpfte ihn seine Mutter wenig später und zeigte mit ihren roten Teufelskrallen auf ihn. Ihr Gesicht erinnerte ihn an einen Sioux-Häuptling auf Kriegspfad. Es war bunt bemalt. „Vor allem wenns scho finsder is. Wenn du do ned ham kummsd, dann huld di numal der Nachtgiger. Wennsd ned hersd, dann frissder di eines Doochs nu auf. Do wersd schaua.“

      „Mama, wie schaudn der aus, der Nachtgiger?“, wollte der Pimpf wissen.

      „Firchderlich! Groß isser. Viel gresser als der Babba. A ganz dungle Gschdald mid an großn, rodn, schbidzin Schnabl. Damid zerhaggder di beesn Kinner, die ned auf iehre Eldern hern. Große Augn hadder, su groß wie a Subbndeller, damider in der Nachd was sichd. Und an seim Körber hadder Schubbn wie a Fisch. Der kann nämli a schwimma, mussd wissen. So, und edz gehsd in die Kichn und issd was. Die Gerda hadder Fischschdäbchen und Bommes gmachd. Danach gehsd ins Bad, ziehgsd dein Schlafanzuch o und budzd der dei Zäh. Um achda gehsd ins Bedd. Hasd mi verschdandn? Die Mama muss numol in die Schdadd, abber die Gerda is ja do.“

      „Wu issn der Babba?“

      „Der is nu in Frankfurt, auf der Ärwerd. Vor neina is der ned daham.“

      „Warum mussn der Babba immer suviel in Frankfurt ärwern?“

      „Der muss Geld verdiena, damid mier dier all die schena Schbielsachn kaafn kenna.“

      „Iech will ka Schbielsachn!“

      „Ruhich edz! Edz gehsd in die Kichn und issd was!“

      In einem der Frankfurter Bankenhochhäuser saß Gerd Gierbich immer noch in einer Geschäftskonferenz. Erst in circa zwei Stunden würde er in seinen 750er BMW steigen und wie jeden Freitag auf der Autobahn nach Großgründlach jagen. Als Mitglied des dreiköpfigen Vorstands (der Name der Bank tut hier nichts zur Sache) war eine Fünfzig-Stunden-Woche für ihn ganz normal, er führte sowieso eine Wochenendehe. Seine hübsche Frau Gunda war neunzehn Jahre jünger als er, dafür aber einen Kopf größer. Aus Franken bekommt er Gunda nicht weg, das war ihm von Anfang an klar. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als seiner Familie dort ein angemessenes Zuhause zu bieten. Das fiel ihm nicht allzu schwer. Obwohl seine Bank seit Jahren tiefe Verluste einfuhr, genehmigte er sich – gemeinsam mit seinen beiden Vorstandskollegen – alljährlich hohe Bonizahlungen. Siebenstellige Beträge waren da keine Ausnahme. Die Aktionäre murrten zwar regelmäßig, und die Öffentlichkeit jaulte auch von Zeit zu Zeit auf, aber noch flossen die jährlichen Millionenbeträge. Der glatzköpfige, untersetzte Fünfziger liebte seinen Sohn Raphael über alles und erfüllte ihm fast jeden Wunsch. Dass er von seiner jungen Frau während der Woche von Bett und Tisch getrennt war, fiel ihm dahingegen nicht so schwer. Es gab da ja noch Lizzy, die rassige, vollbusige Mexikanerin. Die Frau mit dem anrüchigen, nuttenhaften Flair, besonders wenn sie ihre rote Unterwäsche und die halterlosen Netzstrümpfe trug. Sie wohnte


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