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Ein Wandel der Gesinnung. Hanspeter GötzeЧитать онлайн книгу.

Ein Wandel der Gesinnung - Hanspeter Götze


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mittags und abends das geliebte Weizenbier dazu. Da ich mich auf einen Provisionsvertrag einließ, der eine unerreichbare Sollvorgabe beinhaltete, halbierte sich in den anschließenden Monaten mein Gehalt und die finanziellen Verpflichtungen nahmen dementsprechend zu. In dieser aussichtslosen Lage verlor ich das Interesse am Verkauf und widmete mich lieber meinem Hobby, dem Trinken.

      Nach einigen Diskrepanzen mit dem Verkaufsleiter folgte die Kündigung im gegenseitigen Einvernehmen. Der restliche Lohn wurde mit dem Sollkonto verrechnet. Dies blieb allen anderen, welche vor mir die Kündigung einreichten, erspart. Manche wiesen dabei ein weitaus höheres Minus auf und wurden in keinster Weise belangt. Ich zog vor das Arbeitsgericht und klagte erfolgreich gegen die einstige Firma, die daraufhin den zustehenden Ausgleich überwies.

      Von der Agentur für Arbeit, zu deren Kunden ich mich ab sofort zählen durfte, erhielt ich einen sogenannten Bildungsgutschein ausgehändigt, welcher zur Teilnahme bei einer Übungsfirma des Kolpingbildungswerkes berechtigte. Hier konnte ich ohne große Mengen an Alkohol wieder eine Bestimmung im Leben finden. Man knüpfte Freundschaften mit ehemaligen Abhängigen und blieb während der Woche zunehmend trocken.

      Eines Tages traf ich nach Feierabend eine ehemalige Bekannte aus der früheren Firma, welche mich spontan auf ein Bier einlud, während sie sich einen Kaffee genehmigte. Schon während unserer gemeinsamen Zeit beim Weinverkauf hatte sie zu den wenigen gehört, welche Mineralwasser tranken. Bei dem folgenden Gespräch erzählte sie mir von der ebenfalls erhaltenen Kündigung und dem daraufhin gefassten Entschluss, die arbeitsfreie Zeit für eine Neuordnung ihres Lebens zu nutzen. Am Ende dieser vertraulich geführten Unterhaltung gab sie mir noch einen aufmunternden Kuss auf die Wange und verabschiedete sich mit den Worten: „Wir hören voneinander.“

      Dass dies das letzte gemeinsame Treffen war, erfuhr ich eine Woche später, als ich die Todesanzeige der ehemaligen Kollegin in der Zeitung las. Sie hatte sich in ihrer Garage mit Autoabgasen das Leben genommen. Durch eine gute Bekannte erfuhr ich im Nachhinein Einzelheiten über das verpfuschte Leben jener Person, von denen ich aufgrund des jahrelangen Berlinaufenthalts nichts wusste. Sie war vor meiner Rückkehr überall als „Schnapsdrossel“ und „Asbach Lady“ verschrien und behauptete sich öfters als Kampftrinkerin. Nach einer gescheiterten Ehe suchte sie anscheinend einen festen Halt und tatkräftige Unterstützung bei der Ausübung ihrer Sucht. Dies alles fand sie in einem selbsternannten Gastwirt. Man pflegte intensiv das gemeinsame Hobby und zog nach Ladenschluss noch um die Häuser, wo sie nach Aussagen von anderen Schwierigkeiten mit dem Sitzen hatte. Vielleicht war ich damals zu leichtgläubig gewesen, um nicht zu erkennen, dass die Kollegin eine trockene Alkoholikerin war. Sie sah attraktiv aus und hatte mit ihren 1,78 Meter eine stattliche, schlanke Figur. Ihr Verkaufsstil war zwar von Hektik geprägt, doch dies führte ich auf die Unerfahrenheit zurück. Auch von der ständigen Medikamenteneinnahme gegen Depressionen erfuhr ich erst nach ihrem Tod. Dieser spezielle Fall ging mir sehr nahe, zumal ich selbst von der Sucht besessen war und man sich gegenseitig hätte helfen können.

      Eine Zeit lang versuchte ich, das Trinken ein wenig einzuschränken, doch gab es immer wieder Anlässe, um dem Untergang näher zu kommen. Das Pflichtbewusstsein erwachte in mir, als ich einen Ein-Euro-Job als Fahrer für „Essen auf Rädern“ zugewiesen bekam. Diese Tätigkeit erforderte ein Umdenken in der Trinkstrategie. So verlegte ich die Kneipengänge auf das Wochenende.

      Nach einem halben Jahr im Dienst des örtlichen Altersheims wechselte ich zu einem Transportunternehmen, bei dem ich Kurierdienstfahrten übernahm. Es war zwar eine verantwortungsvolle Arbeit, doch stand ich als Hartz-IV-Empfänger weiterhin im Abhängigkeitsverhältnis mit dem Jobcenter. Bei der Auswahl der Freunde und Bekannten spielte weiterhin der Alkohol eine gewichtige Rolle. Man ignorierte das soziale Umfeld und begab sich zurück in alte Berliner Zeiten. Das erlernte Umdenken aus der ersten Therapie wurde als lästig abgestreift und das Trinken gehörte fortan zur Lebensgrundlage. Ich passte mich uneingeschränkt dem niedrigen Niveau der Sinnesgenossen an.

      Eines Tages traf ich auf einen ehemaligen Arbeitskollegen aus der suspekten Weinfirma, der mich spontan auf einen Umtrunk einlud. Im Gespräch berichtete er von der Neueröffnung der einstigen Weinfirma in einer anderen Stadt und unter neuem Geschäftsnamen. Der einstige Niederlassungsleiter wurde in die Wüste geschickt und durch einen tollen Nachfolger ersetzt. Zudem bestand eine Fahrgemeinschaft zu dem fünfzehn Kilometer entfernten Verkaufsbüro. Wohl wissend, dass bei dieser Tätigkeit alte Trinkeigenschaften wieder aufflammen würden, begab ich mich zu einem Vorstellungsgespräch und wurde umgehend eingestellt. Alles sollte anders werden und der Chef hinterließ anfangs einen kumpelhaften Eindruck. Ich erzählte ihm von den früheren Intrigen innerhalb der Belegschaft und er versicherte mir daraufhin, dass dies unter seiner Leitung nie vorkommen würde. Dank meiner Leichtgläubigkeit ließ ich mich auf diesen Deal ein und war wieder gefangen im Reich von Lug und Trug.

      Als ich dann eine frühere Mitarbeiterin und zugleich sehr gute Bekannte dem Chef präsentierte und er sie vom Fleck weg einstellte, begann für uns beide der Spießrutenlauf. Wir wurden von den weiblichen Mitarbeitern gemobbt und sonderten uns daraufhin in der Mittagspause von ihnen ab. Der Niederlassungsleiter, der als Alkoholiker vorwiegend mit der Selbstabfüllung beschäftigt war, konnte diesem Ränkespiel nur spärlich etwas entgegensetzen und so war mein vorzeitiges Ausscheiden nur noch Formsache. Nach altem Muster, entsprechend der vorherigen Firma, erhielt ich einen Provisionsvertrag und in den schwachen Verkaufsmonaten lediglich 450 Euro. Die wachsenden Schulden trieben mich wieder in das Loch zurück, in dem ich schon vor Jahren gesessen hatte. Während sich die Arbeitslust verringerte, stieg der Alkoholkonsum permanent an. Bei der Entlassung zeigte der Möchtegernboss sein zweites Gesicht, das er hinter einer Weinmaske trug.

      Ich ergab mich meinem Schicksal und suchte wieder das Jobcenter auf, wo mir der zuständige Sachbearbeiter endgültig die Augen öffnete. Aufgrund des Aussehens und der Alkoholfahne vom Vortag erklärte er in eindrucksvoller Weise, dass eine Arbeitsvermittlung angesichts des derzeitigen Gesundheitszustands aussichtslos sei und er mir eine Hilfe bei der Suchtberatung nahelege. Ich erkannte in den ehrlich gemeinten Worten die einzige Chance auf eine Lebensveränderung und war mit der getroffenen Vereinbarung einverstanden. Diese beinhaltete die Wahrnehmung von drei Terminen bei der ortsansässigen karitativen Einrichtung.

      Die offen geführte Unterhaltung hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck und ich begann, das Erlebte im Umgang mit Alkohol niederzuschreiben. Am Tag vor dem ersten Einzelgespräch mit der mir zugewiesenen Therapeutin gab ich mir noch einmal die Kante, in weiser Voraussicht, dass die Tage des Trinkens gezählt waren. Mein anfängliches, abwehrendes Verhalten machte es meiner Therapeutin nicht leicht, mich von der Notwendigkeit einer Therapie zu überzeugen. Immerzu fielen mir neue Ausreden zu einer Aufschiebung der Maßnahme ein, wobei eine geplante Amerikareise als Hauptgrund Wirkung zeigen sollte. Doch sie ließ sich auf keinen Handel ein und rechnete mir stattdessen die noch verbleibende Lebenszeit bei Uneinsichtigkeit aus. Mit ihrer fürsorglichen und sachlichen Art besiegte sie meine Sturheit und ebnete den Weg ins neue Leben.

      Es war ein unzumutbares und willkürlich begangenes Verfahren, auf welche Weise ich Körper und Geist aufs Äußerste denunzierte. Was habe ich nur gemacht? Was habe ich mir bei alldem gedacht? In vielerlei Hinsicht war ich zu einer Kontroverse nicht bereit. Mit Ausreden und Fantastereien übertünchte ich den tatsächlichen Zustand und begab mich in eine ausgeprägte Perspektivlosigkeit. Man trank die Sorgen weg, welche am nächsten Tag wieder vermehrt auftraten. Ähnlich einem Baum, der sich im Herbst seines Blätterwerkes entledigt, versucht der Suchtkranke durch Intoleranz heikle Situationen und Probleme abzuschütteln. Er verfällt in eine seelische Gleichgültigkeit, verliert jeden Bezug zur Wirklichkeit und erhöht täglich das Maß zur totalen Abhängigkeit. Das anerzogene Gesellschaftsleben zerbröckelt wie ein poröses Mauerwerk und die Selbstzweifel finden den nötigen Nährboden, um sich zu vermehren. Durch die Erniedrigung der eigenen Person und den damit verbundenen Verlust des Selbstvertrauens erhält man zwar die Mitgliedschaft im Kreis der Süchtigen, bewegt sich aber permanent in Richtung Totalabsturz. Der tägliche Ablauf wird von den Zeiten der Ausnüchterung abhängig gemacht. Bei diesem unkontrollierten Vorgang kann es durchaus zu Verwechslungen der Wochentage kommen. Passend zu der scheinbar


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