Эротические рассказы

Psychodelica. Patrik KnotheЧитать онлайн книгу.

Psychodelica - Patrik Knothe


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war. Lange hatte ich es nicht mehr getan. Wohl vor allem, weil ich lange jeder Stadt aus dem Weg gegangen war. Lag es an den Städtern, dass die Ordnung verletzt wurde? An den mit erhitzten, geröteten Wangen und gefrorenen Augen gnadenlos über die Pflastersteine Rasenden? Oder an der Stadt an sich? An ihrer Enge? Ihrem Zuchthauscharakter? Ihrer kunststöfflichen Abgeschiedenheit vom Leben? An ihrer Leuchtreklame? Oder an den Millionen Glasscheiben, die so durchsichtig wie die Gittertüren von Gefängniszellen waren? War die Stadt für die Städter verantwortlich oder die Städter für die Stadt? Ich wusste es nicht. Zumindest brachte ich Ordnung in die Spelunke, indem ich zählte. Vielleicht hätte ich mehr als das tun können, wenn ich nicht nutzlos gewesen wäre.

       IX

      Oh, was hätte ich nicht alles tun können, wenn ich nicht nutzlos gewesen wäre! Je mehr ich über die Worte des Schichtleiters beim Paketlieferdienst nachdachte, umso mehr wurde mir klar, wie nutzlos ich war! Hatte ich die Schule doch gerade einmal so abschließen können und lief seitdem – es war plötzlich sehr einfach zu formulieren – ziemlich nutzlos durch die Welt. Wie zarte Grübchen sich bildeten, wenn weiche Frauenlippen lachten, wie schmale Bäche in der Mittagssonne glitzerten und sich rauschend durch grüne Wiesen schlängelten – darüber wusste ich eine Menge zu sagen. Doch war dies jemandem von Nutzen? Meiner Familie zum Exempel, meinen Alpen-Eltern, die noch nie eine Stadt betreten und mich zugleich angefleht hatten, in eine zu gehen und etwas aus mir zu machen? Ich glaubte nicht, dass ihnen meine glitzernden Bäche als etwas gelten würden. Was aber hätte ich denn sonst aus mir machen sollen?

      Den Vorlesungen an der Universität war ich bereits nach ein paar Wochen ferngeblieben. Was mich an den Wissenschaften interessierte, konnte ich mir auch ohne Doktoren, Professoren, Tutorien oder die benoteten Übungsblätter beibringen. Was mich nicht interessierte, wollte ich auch nicht lernen. Aber wohin nun gehen? Eine Arbeit verrichten, wie es mein Vater im altehrwürdigen Alpen-Rathaus oder meine Schwester bei den Maschinenbauern im Land der Schwaben tat? Nun, da ich mittlerweile wusste, wie nutzlos ich war, brauchte ich wohl nicht weiter darüber zu grübeln. Wieder zurück zu den Alpen-Eltern konnte ich trotzdem nicht, auch wenn ich sie vermisste. Sie und die mächtigen Gletscher auf den Gipfeln der Berge, den kleinen Fichtenwald hinter meinem Geburtshaus und die freie, reine Luft, die die Städter nicht einmal aus Träumen kennen.

       X

      Die Innenstadt füllte sich immer mehr und ich bekam Lust, mich in eines der vielen Lokale zu setzen und die Gesichter und Regungen der Städter zu beobachten. Wobei ja vielleicht einige auch gar keine Städter waren und nur so aussahen. Würde ich korrekt unterscheiden können?

      Ich besetzte einen der letzten freien Tische des Café Bellezza, dessen Außenbereich direkt an einer stark belaufenen Kreuzung lag, und spannte den cremefarbenen Sonnenschirm auf.

      Man braucht manchmal Schatten, um sehen zu können.

      Weniges ist interessanter und aufregender, als in den Mienen der Männer und Frauen zu lesen und in Gedanken ihre Lebensgeschichten zu spinnen, über ihre Ängste und Leidenschaften zu mutmaßen oder sich anhand ihrer Kleidung vorzustellen, wie wohl ihre Wohnungen und Häuser eingerichtet waren.

      Da war der massige Mann auf zwölf Uhr. Weder dick, noch muskulös, machte seine unzerstörbar wirkende Gestalt mit dem überbreiten Kreuz und der weit hinausgestreckten Brust dennoch einen gewaltigen Eindruck auf mich. Ich war allerdings sicher, dass er seinen Lebensunterhalt mit Arbeiten verdiente, zu denen man solch einen Körper gar nicht benötigte. Die wächserne, frisch rasierte Haut, das teure, dunkelblaue Polohemd, eine gut sitzende Jeans sowie ein Paar brauner Lederschuhe ließen auf einen Büro-Krieger schließen, der sich seiner Freundin zuliebe an seinem freien Tag stöhnend von der Ikea-Couch aufgerafft und zu einem Spaziergang durch die Stadt bereit erklärt hatte.

      „Du musst mal wieder vor die Tür“, hörte ich die an der Hand des Mannes gehende Frau sagen. „Wir haben schon so lange nichts mehr unternommen. Autorennen kannst du jedes Wochenende gucken!“

      Die kleine, blonde Frau strahlte unter ihrer, mir übertrieben vorkommenden, von der Allgemeinheit jedoch immer noch als angemessen betrachteten Schminkschicht. Er auf der anderen Seite hatte das beschämte Grinsen eines Mannes aufgesetzt, der so tat, als habe er Spaß bei dem, zu was ihn seine Freundin nötigte. Er spekulierte wohl gerade darüber, was in aller Welt hier falsch gelaufen war und sehnte sich nach seinen Rennwagenmotoren. Wahrscheinlich war seine Freundin auch mehr darüber entzückt, ihn endlich einmal wieder zu einem Spaziergang überredet zu haben, als spazieren zu gehen.

      Ich sagte übrigens bewusst ‚Freundin‘, da ich mir sicher war, dass die beiden nicht verheiratet waren. Ein Mann, der so grinst, ist nicht verheiratet. Und ist er es doch, so wird er es nicht mehr lange sein. Bald gäbe es Streit zwischen den beiden, immer häufiger und immer heftiger. Man würde es „noch einmal versuchen“ und vielleicht noch einmal „noch einmal versuchen“. Aber bereits dann würden sie froh darüber sein, noch nicht geheiratet zu haben, noch Zeit zu haben, noch „frei“ zu sein. Eine baldige Trennung der beiden schien mir unvermeidlich. Und wenn dann, nach ein paar Wochen des Friedens auf der Ikea-Couch mit den schreienden Rennwagenmotoren, Langeweile und Sehnsucht sich breitmachten, würde der Mann seine alten Kollegen reanimieren, um bei der nächsten Ü30-Party die nächste Blondine zu bezirzen, die eine Schwäche für Unternehmungen an warmen Frühlingstagen hatte. Vielleicht würden sich die beiden dann sogar wiedersehen und es noch einmal noch einmal „noch einmal versuchen“.

       XI

      Ich fing gerade damit an, einen schnauzbärtigen Mann zu analysieren – mutmaßlich ein Beamter –, der mit schlurfenden Schritten neben einem Mädchen ging. Ich glaubte, es müsse sich um seine Tochter handeln. Skeptisch und berechnend wanderte ihre jugendliche Stupsnase ohne Unterbrechung von rechts nach links und wieder zurück, als misstraue sie solch einer Menschenmasse und rieche ihr Gift in jedem Winkel. Sie war mir sehr sympathisch. Plötzlich aber unterbrach mich die Bedienung des Café Bellezza. Unterbrach mich im wahrsten Sinne des Wortes … Unterbrach mich darin, zu vergessen, dass ich in einem Lokal war und etwas bestellen musste. Unterbrach mich darin, die Tochter des Beamten zu beobachten. Unterbrach mich darin, aus meinem Schneckenhaus die Welt zur Theaterbühne umzufunktionieren … Auf einmal war ich mittendrin.

      „Was darf’s sein?“, fragte sie und strich sich eine lange, brünette Strähne hinter’s Ohr.

      Das eng anliegende, an den Ärmeln aufgekrempelte weiße Hemd schien genau für ihren elfenbeinfarbenen Körper gefertigt worden zu sein. Wir blickten uns in die Augen und fingen beide an zu lächeln. Mechanisch bestellte ich ein Wasser mit Orangensaft und starrte immer noch auf den Eingang des Lokals, als sie bereits längst wieder darin verschwunden war. Dann dämmerte mir etwas und ich zog eilig meinen Geldbeutel aus der Hosentasche. Lediglich ein paar rote Centmünzen tummelten sich darin. Von Scheinen ganz zu schweigen. Überhaupt wirkte das lederne Ding seltsam ausgehöhlt und leicht, seitdem Plastik, Kassenzettel und Visitenkarten entfernt worden waren. Ich lief in den Innenbereich des Café Bellezza und fand sie hinter der Bar, wo sie mein Getränk zubereitete.

      „Tut mir leid“, begann ich, unschlüssig, wie ich nun fortfahren sollte.

      Überrascht wandte sie sich nach mir um, lächelte aber, als sie mich wiedererkannte.

      Ich sprach vorhin von weichen Lippen, doch bis dato hatte ich keine solchen gesehen. Rot wie Blut waren sie und bestimmt viel zu empfindlich, als dass man etwas anderes mit ihnen hätte tun können, als sie sanft zu küssen. Kaum vermochten sie zum Essen oder für Wortwechsel zu taugen und ich meinte, eine solche Frau habe ohnehin weder das eine noch das andere nötig.

      „Hat sich erledigt mit der Abkühlung“, sagte ich. „Ich kann nicht bezahlen.“

      Sie antwortete nicht, sah mich nur an. Ihre blutroten Lippen öffneten sich ein wenig und die von Nachtblau umrundeten Pupillen schnellten zwischen meinen Augen hin und her. Ich hätte einfach hinauslaufen und alles als für erledigt betrachten können, doch ich tat es nicht. Aber auch sie, die sich einfach umdrehen und weiter ihrer Arbeit hätte nachgehen können, tat es nicht. „Schade“,


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