Dorfgeschichten und mehr .... Manfred WiedemannЧитать онлайн книгу.
Bruder Josef bewirtschaftete. Dieser Bauernhof war so klein, dass er auch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg nur Leute ernähren konnte, die wohl ewige Armut gelobt hatten. Die Beiden waren Junggesellen und der Bruder verdiente nebenher ein paar Mark durch den Mesnerdienst in der hiesigen Pfarrkirche. Dafür hatte er einen wunderschönen Blumengarten angelegt.
Der Gärtner Gidel, wie er überall genannt wurde, hatte aber auch das Fischrecht in dem kleinen Flüsschen, das durch die Ortschaft ging. Es war sicher nicht so, dass er dadurch reich wurde. Doch er war ein gern gesehener Mann und bei Jung und Alt beliebt. Nur bei seiner Fischerei kannte er keinen Spaß.
Es war für die Jugend üblich, dass man in besagtem Flüsschen badete. Das Wasser war meist nur kniehoch und es lud die Buben geradezu ein, unter den Weidenbüschen am Ufer nach Fischen zu suchen. Manche dieser Burschen entwickelten dabei eine erstaunliche Geschicklichkeit und holten so manchen Fisch aus seinem Versteck. An einem schönen Sommertag waren drei dieser Knaben recht erfolgreich; sie hatten wohl schon ein Dutzend dieser Tiere gefangen. Plötzlich rief einer: „Der Gidel kommt!“ Man warf die Beute schnell zwischen die Beete eines angrenzenden Kartoffelackers und zeigte sich recht unschuldig als Badende. Der Gidel, der den Knaben aufgrund ihres Alters das Fischen nicht zutraute, fragte nur, ob sie niemand gesehen hätten, der hier fischte? Die prompte Antwort war: „Ja, da seien ein paar Burschen weiter unten am Fluss und die wären wohl aus dem Nachbarort, denn sie hätten keinen davon gekannt!“
Der Gidel, ein drahtiger sechzigjähriger Mann rannte los, mit einem Tempo, das ihm wohl niemand zugetraut hätte, um die Fischräuber zu erwischen. Leider war die Jagd nach den Wilderern vergebens, er hatte begreiflicherweise niemand gefunden. Als er ein wenig atemlos zurückkam, ermahnte er die Knaben, nur recht aufmerksam zu sein und ihm sofort zu melden, wenn sie jemanden beim Fischen sähen. Auch heute habe ihm ein wachsamer Bub die Sache gemeldet. Jeder, der ihm einen solchen Strolch melden würde, bekäme von ihm ein paar Fische.
Die Burschen wussten nun, dass es einen Verräter gab und wurden dadurch noch vorsichtiger.
Ein Mann mit Charakter
Ein Kleinbauer hatte seinen Hof am Rande des Dorfes. Und eigentlich war es kein Hof, denn die großen Bauern sahen nur hochnäsig auf ihn herab. Er war klein und schmächtig von Gestalt, aber zäh und kräftig, sehr sparsam und im allgemeinen auch friedliebend. Durch viel Arbeit und Fleiß, war es ihm möglich, mal da einen kleinen Acker und dort eine Wiese dazuzukaufen, so dass sein Anwesen langsam aber stetig wuchs und er irgendwann doch im Dorf anerkannt wurde. Mancher der arroganten Herren wurde neidisch, denn er selbst konnte sich nicht vergrößern, ja, es gab einige, denen der Häusler ein Grundstück abgekauft hatte und deren Hof dadurch kleiner wurde.
Trotzdem war sein Anwesen noch immer nicht zu den Großen zu zählen, denn der Abstand zu den Herrenbauern war noch immer beachtlich.
Er selbst war bescheiden geblieben, in den seltenen Gasthausbesuchen war er wortkarg, wenn andere große Reden führten. Aber was er gelegentlich sagte, hatte „Hand und Fuß“.
Die Zeit verging, sein ältester Sohn war im heiratsfähigen Alter und wollte in einen Hof einheiraten. Da der Alte aber wie gesagt sparsam war, konnte er seinem Sohn als „Heiratsgut“ einen Mähdrescher mit in die Ehe geben. Zufällig hatte er bei einem Wirtshausbesuch den Juniorchef einer großen Landmaschinenfabrik, die Mähdrescher herstellte, getroffen. Er fragte ihn deshalb, ob er beim Kauf einer solchen Maschine mit einer Sonderkondition rechnen könne. Der Fabrikant, ein Hüne von Gestalt, meinte nur hochmütig, dass der Mann ja doch kein Geld habe und sich deshalb ein solcher Handel von selbst verbieten würde. Das aber ging gegen die Ehre unseres Bäuerleins. Er stand auf, ging zu dem Fabrikbesitzer und knallte dem eine, dass ihm Hören und Sehen verging. Dieser war so verdutzt, dass er brav auf seinem Stuhl sitzen blieb und sich nicht nur verwundert die Augen, sondern noch mehr seine Backe rieb, auf der man deutlich einen Handabdruck sehen konnte.
Unser Held bezahlte seine Zeche, verließ das Gasthaus und kaufte einen Mähdrescher einer anderen Firma.
Eine weitere Episode unseres Bäuerleins:
Es war üblich, dass ein Bauer eine sogenannte Dezimalwaage besaß, schließlich gab es immer etwas zu wiegen. Diese Waagen wurden aber regelmäßig gegen Gebühr vom staatlichen Eichamt überwacht.
Nun war es wieder einmal soweit, der Beamte vom Eichamt kam in den Hof, um die Waage zu eichen. Der Bauer erklärte dem, er habe keine Waage. Der Beamte aber ließ nicht locker. In seiner Liste sei eine Waage von dem Bauern aufgeführt und wenn der die Eichung verweigere, müsse er dies eben mit Unterstützung eines Polizeibeamten durchführen. Darauf ging der Bauer in einen Schuppen, brachte die Waage und schmiss sie dem Beamten mit solcher Wucht vor die Füße, dass diese in hundert Teile zerfiel. Dazu bemerkte er dem Eichmann, dass er die Waage, wenn er wolle, jetzt eichen könne. Der Beamte verzichtete auf dieses Angebot, strich die Waage aus seiner Liste und verzichtete fortan auf den Besuch unseres Bauern.
Der aber baute seine Waage wieder zusammen und wog was zu wiegen war, halt mit einer nicht geeichten Waage.
Des Pfarrers Würste
Es war wohl in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und es war üblich, dass bei den Bauern kurz vor dem Weihnachtsfest ein Schwein geschlachtet wurde. Auf den großen Höfen arbeiteten Knechte und Mägde und das Schlachten war für alle ein Fest. Es gab damals keine großen Geschenke, deshalb freute man sich darüber, dass nun bald eine gute Zeit begann, denn nach dem Schlachten war das sonst eher karge Essen mit Wurst und Fleisch ganz wesentlich verbessert. Und es war üblich, dass man dem Pfarrer des Ortes, dem Lehrer und auch den Nachbarn etwas von dem Fleischsegen abgab. Das Schlachtschwein wog eher vier als drei Zentner, so dass der Tisch für längere Zeit reichlich gedeckt war. Der Lehrer bekam sein Teil damit die Kinder nicht gar zu schlechte Noten erhielten und dem Pfarrer musste man schon deshalb etwas bringen, damit das gute Ansehen erhalten blieb. So war es auch beim Schlachtfest unseres Bauern.
Es war üblich, dass man die Kinder mit den Delikatessen in Form von Fleisch, Würsten und der begehrten Kesselsuppe losschickte. So auch in unserem Fall. Das Mädchen Karola und der Bub Andreas wurden beauftragt, das Besagte dem Pfarrer zu überbringen. Die beiden hatten einen weiten Weg, denn das zuständige Pfarrdorf lag einige Kilometer von ihrem Hof entfernt. Sie gingen also los, das Mädchen mit besagter Kesselsuppe und der Knabe mit den Würsten. Unterwegs verspürte der Bub ein menschliches Regen und setzte sich dazu in den nächsten Straßengraben. Die Karola aber ging weiter, sie wollte nicht bei ihrem Bruder warten. Im Pfarrhof angekommen sagte sie, wie man es ihr beigebracht hatte, ganz brav: „Grüß Gott Herr Pfarrer, gelobt sei Jesus Christus“, und der Pfarrer antwortete: „In Ewigkeit, Amen“. Und dann: „So liebe Karola, was hast du mir denn Schönes mitgebracht?“ Die Kleine antwortete: „Herr Pfarrer, i bring bloß dia Kesselsupp, aber wenn der Andres gsch… hat, bringt der o dia Würst!“
Der Pfarrer nahm schmunzelnd entgegen, was man ihm brachte, denn er wusste, welche Würste gemeint waren.
Das Corpus Delicti
Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigten die Bauern noch Knechte und Mägde. Und es kam immer wieder vor, dass eine Magd, besonders wenn sie noch jung und hübsch war, schwanger wurde. Der Erzeuger eines solchen Kindes war meist der Bauer oder sein erwachsener Sohn. Die Folge war, dass das Mädel als Hure beschimpft und vom Hof gejagt wurde. Wenn sie Glück hatte, gab ihr der Bauer einen mehr oder weniger kleinen Geldbetrag heimlich zum Trost mit auf den Weg, denn die Bäuerin durfte ja von seiner Sünde nichts erfahren.
So war es auch in dem hier geschilderten Falle. Der sechzehnjährige Sohn war hier der Übeltäter, was dieser jedoch wie üblich rundheraus abstritt. Da so ein armes Mädchen aber für sein Leben damit gebrandmarkt war und kaum noch die Chance hatte, einen anständigen Mann zu finden, war sein weiteres Leben damit kaum noch mit Glück verbunden. Die Eltern des Mädchens