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Gesundheit – ein Gut und sein Preis. Sabine PredehlЧитать онлайн книгу.

Gesundheit – ein Gut und sein Preis - Sabine Predehl


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weniger schwere körperliche Arbeiten an; da wird herumgesessen und sich wenig bewegt; aber das heißt überhaupt nicht, dass die Arbeit leicht ist. Körperliche Beschwerden jedenfalls kriegt der arbeitende Mensch nicht durch fehlende Anstrengung, sondern durch das Zusammenspiel von Unter- und einseitiger Überforderung seiner Physis, die an höchst effektiven, rentablen Arbeitsplätzen möglichst intensiv beansprucht wird. Also etwa durch eine Tätigkeit, die stundenlanges Mausklicken während des konzentrierten Starrens in einen Bildschirm erfordert und unweigerlich all die unschönen Konsequenzen wie Nackenverspannungen, Rückenschmerzen, Sehnenscheidenentzündungen, Sehstörungen nach sich zieht.

      Was sich angesichts zunehmender Arbeitspensen und bei hohem Zeitdruck an Erschöpfung akkumuliert, merkt der Mensch oftmals erst am Feierabend – sofern er überhaupt noch einen hat. Zumeist bleibt es nicht bei einer 40-Stunden-Woche; nicht nur, weil Überstunden heutzutage ohnehin zum Arbeitsalltag gehören, sondern weil die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit überhaupt zunehmend verschwimmt, insbesondere bei modernen Arbeitsformen wie Projektarbeiten der Freelancer und Werkverträgen, in denen der Bezug zu geleisteten Arbeitsstunden, also auch deren Umfang, von vornherein nicht enthalten ist. Unter Nacht- und Schichtarbeit leidet ganz grundsätzlich die physische und psychische Konstitution.

      Diese Arbeitsbedingungen, unter denen die, die mit ihrer Arbeit sonst nichts weiter zu tun haben, als dass sie sie verrichten, so stereotyp verkümmern und unter Stress leiden, folgen einem Prinzip: Die Gegenseite, die die Arbeitsplätze – eine exakt definierte Summe von Leistungsanforderungen – einrichtet, gestaltet die Arbeitsbedingungen so, dass der Arbeitsaufwand im Verhältnis zum materiellen Arbeitsertrag sehr klein wird und manchmal gegen Null geht; das aber nicht, um die Arbeitskräfte zu entlasten und ihnen Mühe zu ersparen, sondern in der Absicht, möglichst viel von der so ertragreich gemachten Arbeit aus ihnen herauszuholen. Als der eigentliche Aufwand gilt nicht der der Arbeiter, sondern der, den das Unternehmen für sie treibt. An ihnen wird ein Verhältnis zwischen Lohn und Leistung – in der doppelten Gestalt maximaler Produktivität (viel pro Zeiteinheit) und maximaler Verausgabung (möglichst lange und intensiv) – aufgemacht und „optimiert“. Diese Aufwands- und Ertragsrechnung ist das allgemeine Gesetz sämtlicher Formen betrieblicher Leistungsorganisation, die die Arbeitskräfte auf Dauer in so gleichförmiger Weise ruinieren. Und sie ist die Rechnungsart, die das Arbeitsleben der mit modernen Zivilisationskrankheiten gesegneten Gesellschaft allgemein beherrscht. Ihr ökonomischer Name ist in der industriellen Produktion „Lohn-Stück-Kosten“; dass von deren Senkung, und zwar vor allem durch die Steigerung der erbrachten Leistung und ihres Ertrags, die Stärke des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ abhängt, wird von den Zuständigen täglich beschworen. Auf jeden Fall entscheidet sich auch und wesentlich an ihnen, inwieweit das Interesse derer Erfolg hat, die Arbeitskräfte bezahlen, sie als Produktionsmittel anwenden und deswegen nicht bloß Arbeit, sondern Arbeit pro bezahlter Zeit, also Leistung sehen möchten. Und weil in einer modernen Marktwirtschaft alles dem Geschäft – und somit denen, die es machen – unterliegt und dieses Interesse an den Arbeitsplätzen der Nation die Gestalt eines ökonomisch-technischen Sachzwangs zur vorgeschriebenen Leistung angenommen hat, fällt der Einsatz der Beschäftigten notwendig mit ihrem Verschleiß zusammen, muss also Lohnarbeit gesundheitsschädlich sein für die, die sie erbringen.

      Gesundheitsschädliche Arbeitsumgebungen, die die Physis der Arbeiter direkt angreifen – wie Hitze, Stäube, Chemikalien, Lärm – sind als Resultat der Kostenkalkulation tarifvertraglich eingepreist. Für das überdurchschnittliche Erdulden dieser Art Belastungen gibt es ein bisschen Geld zusätzlich: ein Tausch von Gesundheit gegen ein Stück Lohn, der den Arbeitern einiges an Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst abverlangt. Gefährdungen der Gesundheit durch den Arbeitsprozess werden durch Schutzvorschriften und -einrichtungen nicht aus der Welt geschafft, sondern oft genug auf eine Weise bewältigt, die den Betroffenen die verlangte Leistung erschwert: eine Zusatzbelastung, die sich mancher erspart. Wenn dann „etwas passiert“, ist aus arbeits- und unfallmedizinischer Sicht erstens der unter Lohnarbeitern verbreitete „Leichtsinn“ schuld und zweitens der Betrieb allenfalls insofern, als er es an Kontrolle hat fehlen lassen.

      Dem instrumentellen Umgang von Lohnarbeitern mit ihrer Physis liegt eine glücklich aufgehende Kalkulation der anderen Seite zugrunde. Die Unternehmer ordnen sämtliche gesundheitsschädlichen Folgen ihrer Produktion als externe Effekte ein, die sie nichts angehen und die vor allem keinen Einwand gegen ihr Hauptinteresse an Rentabilität hergeben. Das rechnen sie zu ihrer bürgerlichen Handlungsfreiheit. Und darin gibt der moderne Sozialstaat ihnen Recht, und zwar so gründlich, dass er anschließend auch noch selbst darauf achten muss, dass die angerichteten Gesundheitsschäden den Charakter von Nebenwirkungen behalten oder bekommen, die vom Standpunkt des ökonomischen Hauptzwecks aus wirklich unvermeidlich sind. Die Kriterien dafür sind notwendigerweise immer strittig.

      – Für die Arbeitswelt macht der Sozialstaat mit Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften, mit seiner Gewerbeaufsicht usw. den Standpunkt geltend, dass der Durchschnitt aller Schädigungen im Durchschnitt auszuhalten sein muss. Ihm liegt daran, schädliche Arbeitsverhältnisse so zu entschärfen, dass ihre schädigende Wirkung im Einzelfall als bloße Möglichkeit angesehen werden kann: als Gesundheitsgefahr, die unter öffentlicher Kontrolle steht. Ob das reicht, ermittelt der Streit der Interessengruppen, die selbstverständlich alle auf demselben sozialpolitischen Grundsatz stehen müssen.

      – Wo das Dienstverhältnis endet und „die Umwelt“ anfängt, kümmert sich die Staatsgewalt um die Begrenzung von Gesundheitsschäden infolge produktiver Nutzung des Eigentums durch einen umfangreichen Katalog von Umweltschutz-Vorschriften – seit 1974 in dem seitdem vielfach erweiterten Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgelistet – sowie im Abfallbeseitigungsgesetz und diversen weiteren Einzelvorschriften. So sind die Grenzen abgesteckt, bis zu denen Atemluft, Wasser und Boden erst einmal gebührenfrei und dann zweitens darüber hinaus gebührenpflichtig als Müllkippe benutzt werden dürfen – logischerweise im Interesse eines allseitig munter voranschreitenden Geschäftslebens, denn um dessen Rechte und Pflichten geht es ja dabei. Die Unternehmer bleiben konsequent: Der Vergleich lohnt sich für sie allemal, ob die Einhaltung der Gesetze oder ihre Übertretung sie mehr kostet. Darüber hinaus bahnt der Staat seiner Industrie den Weg, „Risiken“ zu exportieren: Besonders gesundheitsschädliche Arbeitsplätze und die Entsorgung von Giftmüll werden in die Dritte Welt verlagert und damit Krankheitsursachen exportiert, für die dem „entwickelten“ Staat sein eigenes Volk und sein eigenes Territorium zu schade sind.

      – Was für die betriebsexternen „Nebenwirkungen“ des Produktionsprozesses gilt, das trifft auch auf die hergestellten Produkte zu. Sie müssen als Geschäftsartikel taugen; das ist das erste Interesse einer Produktion für den Markt und der oberste Sachzwang, den der Staat mit der Inszenierung einer Konkurrenz produzierender Kapitaleigentümer in Kraft setzt. Rücksichtnahme auf die Bekömmlichkeit der Produkte ist da, sofern nicht ein teures Luxusangebot, ein sachfremder Gesichtspunkt; allergene bis krebserregende Chemikalien in Lebensmitteln und „verbrauchernahen Produkten“ wie Spielzeug, Textilien, Kosmetika, Möbeln, ferner Antibiotika einschließlich multirestistenter Keime im Fleisch und ähnliche Schönheiten sind deswegen an der Tagesordnung. Die Staatsgewalt kommt daher um die eine oder andere Beschränkung der unternehmerischen Freiheit nicht herum. Sie handelt da aber wieder nach dem systemgemäßen Grundsatz, dass ein Durchschnittsverbraucher gewisse Beimischungen und Begleiterscheinungen muss aushalten können, wenn er nicht stur immer nur dasselbe kauft. Dass die entsprechenden Verbote nur so wirksam sind wie ihre Überwachung gründlich und wie die angedrohte Buße bedrohlich; dass deswegen manche Strafe und manches Bestechungsgeld leichten Herzens bezahlt und nichts verhindert wird; dass staatliche Verbote im Gegenteil den Erfindungsgeist dazu anstacheln, das Verbotene durch Zeug zu ersetzen, das schwerer zu entdecken ist: dieser Dauerzirkus um Ekelerregendes bis Giftiges ist die notwendige Errungenschaft eines Systems, in dem die Staatsgewalt das Geschäftsinteresse, für das sich außer seinem Erfolg nichts von selbst versteht, zum Prinzip erhebt und sich um die unausbleiblichen Folgen auch gleich kümmert.


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