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Mit Kindern wachsen. Jon Kabat-ZinnЧитать онлайн книгу.

Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn


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Es war ein schwarzer Schrecken der Seele, der sich zwischen Arthur und den Himmel legte und ihm jede Kraft nahm, so dass sein Schwertarm und sein Schildarm kraftlos niedersanken und er sich nicht mehr bewegen konnte.

      „Was … verlangst du … von mir?“ keuchte Arthur.

      Statt ihn zu töten oder ihn in ein Verlies zu werfen und ihn zusammen mit anderen tapferen Rittern zugrunde gehen zu lassen und dann mit magischer Hilfe sein Reich in Besitz zu nehmen, bot ihm der Ritter von Tarn Wathelan an, ihm Leben und Freiheit zu schenken, wenn er ihm nach sieben Tagen, am Neujahrstag, die Frage beantworten könne: „Was begehren Frauen am meisten?“

      Arthur, von Scham und Wut erfüllt, sah keine andere Möglichkeit, als in den Handel einzuwilligen. Dann ritt er davon. Während der ganzen Woche zog er durch das Land und stellte jeder Frau, der er begegnete, ob Gänsemagd, Schankwirtin oder adlige Dame, diese Frage. Alle Antworten, die er erhielt, schrieb er eifrig auf, doch war ihm die ganze Zeit über klar, dass keine von ihnen die richtige sein konnte.

      Schweren Herzens brach er schließlich am Morgen des Neujahrstags zur Burg des Ritters auf. Die Chance, sein Leben zu retten, hatte er offensichtlich vertan, und ihm war klar, dass er nun von der Hand des Ritters sterben würde.

      Die Berge wirkten noch düsterer als beim ersten Mal, und es wehte ein rauer Wind. Der Weg erschien ihm viel länger und schwieriger, und doch näherte er sich seinem Ziel viel zu schnell.

      Als Arthur mit gesenktem Haupt, nicht mehr weit von der Burg entfernt, durch ein Dickicht ritt, hörte er eine angenehm sanfte Frauenstimme: „Seid gegrüßt, König Arthur. Möge Gott Euch schützen und erhalten.“

      Er wandte sich um und sah zwischen den Bäumen auf einem Erdhügel neben dem Weg eine Frau in einem leuchtend scharlachroten Umhang sitzen. Als der König sie erblickte, durchfuhr ihn ein Schock. Er hatte erwartet, dass die sanfte Stimme einer wunderschönen jungen Frau gehörte, doch vor ihm saß die scheußlichste Kreatur, die er je gesehen hatte. Ihr Gesicht war so abgrundtief hässlich, dass er es kaum anschauen konnte, und ihre lange, mit Warzen bedeckte Nase bog sich nach unten, das lange, haarige Kinn nach oben. Das einzige Auge der Frau lag tief unter einer wulstig vorspringenden Augenbraue, und ihr Mund war nichts weiter als ein unförmiges Loch. Ihr Haar hing in grauen, verfilzten Strähnen vom Kopf, und ihre Hände glichen braunen Klauen. Einen krassen Gegensatz zu dieser unglaublichen Hässlichkeit bildeten die Juwelen, die an ihren Fingern funkelten, denn diese waren so schön und kostbar, dass sie selbst der Königin zur Ehre gereicht hätten.

      Arthur stand völlig fassungslos da, bis die Frau ihn daran erinnerte, wie ein Ritter sich in Gegenwart einer Dame zu benehmen hatte. Zu seiner Verblüffung stellte er fest, dass sie über seine Frage Bescheid wusste und auch darüber, dass er trotz der vielen Antworten auf die Frage, was Frauen am meisten begehren, von keiner die richtige Antwort erhalten hatte. Sie teilte dem erstaunten König mit, dass nur sie allein die richtige Antwort kenne und dass sie ihm diese nur verraten werde, wenn er ihr einen heiligen Eid schwöre, ihr als Lohn dafür zu geben, was immer sie verlange. Er willigte in diesen Handel ein, und sie bedeutete ihm daraufhin, sein Ohr zu ihren Lippen niederzubeugen. Dann flüsterte sie ihm die Antwort ins Ohr.

      Sobald Arthur die Antwort der Frau gehört hatte, wusste er in seinem tiefsten Inneren, dass es die richtige war. Die Antwort war so simpel, dass er lauthals in ein Gelächter ausbrach, das ihm fast den Atem nahm.

      Die Antwort, die er auf seine Frage „Was begehren Frauen am meisten?“ erhielt, lautete Selbstbestimmung.

      Dann fragte Arthur die Frau, was sie als Gegenleistung erwarte. Sie jedoch sagte, sie werde ihm das erst mitteilen, wenn er die Antwort dem Ritter von Tarn Wathelan überbracht und sich ihre Richtigkeit bestätigt habe. Also ritt Arthur davon, und nachdem er den riesigen Ritter ein wenig auf die Folter gespannt hatte, teilte er ihm schließlich die Antwort mit. Da es die richtige war, war er auf der Stelle frei. Anschließend kehrte er zu der Stelle zurück, wo die Hässliche auf ihn wartete.

      Als Belohnung forderte Lady Ragnell – das war der Name der Frau – von König Arthur, dass einer der Ritter seiner Tafelrunde, tapfer, höflich und schön anzusehen, sich bereit erkläre, sie zu seiner Frau zu machen. Arthur war erschüttert und geriet angesichts dieser ungeheuerlichen Forderung sichtlich ins Schwanken. Erst als sie ihn daran erinnerte, dass er dieser hässlichen Frau sein Leben zu verdanken hatte und dass er ihr als Gegenleistung für ihre Hilfe sein ritterliches und königliches Versprechen gegeben hatte, erklärte er sich einverstanden.

      Hätte Arthur nun einem seiner Ritter befohlen, diese Frau zu heiraten, so hätte er damit die unabhängige Entscheidungsfreiheit des Mannes missachtet. Er musste also jemanden finden, der sich freiwillig dafür entschied, sie zur Frau zu nehmen. Als Arthur an seinen Hof zurückkehrte und der erstaunten Versammlung seiner Ritter von seinem einwöchigen Abenteuer berichtete, erbot sich sein Neffe Sir Gawain, aus Loyalität seinem Onkel, dem König, gegenüber und aus seiner eigenen Güte heraus, Lady Ragnell zu heiraten. Als Arthur das vernahm, wollte er nicht zulassen, dass Gawain diese Entscheidung traf, ohne die Frau zuvor gesehen zu haben.

      Also brachen die Ritter am nächsten Morgen in die Wälder auf. Nach einiger Zeit sahen sie zwischen den Bäumen das scharlachrote Gewand auftauchen. Beim Anblick von Lady Ragnell überkamen Sir Kay und die übrigen Ritter tiefe Abscheu, und einige von ihnen ließen sich sogar zu beleidigenden Äußerungen über ihre Hässlichkeit hinreißen. Andere wendeten sich aus Mitleid ab und verbargen ihre Gefühle, indem sie sich um ihre Pferde kümmerten.

      Sir Gawain hingegen schaute die Lady unerschrocken an. Irgendetwas an ihrem ergreifenden Stolz und an der Art, wie sie ihren scheußlichen Kopf erhob, erinnerte ihn an ein von Jagdhunden gestelltes Reh. Irgendetwas in der Tiefe ihres trüben Blicks erreichte ihn wie ein Hilfeschrei.

      Er blickte seine Kameraden herausfordernd an und sagte: „Was schaut ihr so betreten zur Seite und zeigt so schlechte Manieren? An meiner Entscheidung bestand nie der geringste Zweifel. Habe ich denn nicht schon gestern Abend zum König gesagt, dass ich diese Dame heiraten werde? Und wenn sie mich akzeptiert, dann werde ich das auch tun!“ Dann sprang er vom Pferd, kniete vor ihr nieder und sagte: „Edle Dame, seid Ihr bereit, mich zum Ehemann zu nehmen?“

      Die Lady schaute ihn einen Augenblick lang mit ihrem einen Auge an und sagte dann mit ihrer erstaunlich anmutigen Stimme: „Das werdet Ihr doch nicht im Ernst wollen, Sir Gawain. Ihr beliebt zu scherzen, ebenso wie die anderen.“

      „Nie in meinem Leben lag es mir ferner zu scherzen“, protestierte er.

      Wieder versuchte sie, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Denkt nach, bevor es zu spät ist. Wollt Ihr tatsächlich eine Frau heiraten, die so hässlich und alt ist wie ich? Meint Ihr wirklich, ich sei die richtige Frau für den Neffen des Königs? Was werden Königin Guinevere und ihre Hofdamen sagen, wenn Ihr solch eine Braut an den Hof bringt? Und was werdet Ihr selbst insgeheim empfinden? Ihr werdet Euch schämen um meinetwillen.“ Dies sagte die Lady, und sie weinte bitterlich, und ihr Gesicht war von Tränen nass und aufgequollen und noch hässlicher.

      „Lady, wenn ich Euch beschützen kann, so könnt Ihr sicher sein, dass ich auch mich selbst zu schützen weiß“, antwortete Gawain und blickte grimmig und mit kämpferischem Blick in die Runde der übrigen Ritter. „Kommt nun mit mir zum Schloss, denn noch heute Abend soll unsere Hochzeit gefeiert werden.“

      Daraufhin antwortete Lady Ragnell mit Tränen in ihrem einen Auge: „Fürwahr, Sir Gawain, Ihr mögt es nicht glauben, aber Ihr werdet diese Hochzeit nicht bereuen.“

      Als sie sich erhob, um das Pferd zu besteigen, das die Ritter für sie mitgebracht hatten, stellte sich heraus, dass sich zwischen ihren Schultern ein Buckel befand und sie auf einem Bein lahm war. Gawain half ihr in den Sattel, bestieg sein Pferd und ritt neben ihr her, und dann machten sich alle auf den Weg zurück zum Schloss des Königs.

      Die Neuigkeit eilte ihnen voraus, und an den Stadttoren versammelten sich die Menschen, um Sir Gawain und seine Braut vorüberreiten zu sehen. Alle, die sie sahen, erschraken, weil der Anblick ihre schlimmsten Befürchtungen noch weit übertraf.

      Am gleichen Abend fand in der Schlosskapelle die Hochzeit statt. Die Königin selbst war Brautführerin,


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