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Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja RinkerЧитать онлайн книгу.

Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit - Tanja Rinker


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die beide am gleichen Ort gebildet werden, zum Beispiel [ts] wie in Zeit und Platz oder [pf] wie in Pferd und Kopf. Auch Verbindungen wie beispielsweise [bl] für den Anlaut (Blume) und [st] für die KodaKoda (Gast), deren Konsonanten im Artikulationsort dicht beieinanderliegen, bieten sich für den Einstieg an.

      Aufgaben

       1.* Was macht die SilbenstrukturSilbenstruktur des Deutschen für viele Lernende so schwierig?

       2.** Unterstreichen Sie in den folgenden einsilbigen Wörtern alle KonsonantenclusterKonsonantencluster im Anlaut und/oder im Auslaut. Heben Sie Konsonantencluster mit drei KonsonantenKonsonanten besonders hervor.Brot, Sport, Klang, Zopf, Schnitt, Klee, Klotz, Stuhl, Korb, Sturz, weiß, Strom, Schrank, Wand, Glas

       3.*** Im Rahmen von Einschulungsuntersuchungen kommen auch diagnostische Verfahren zur Einschätzung des Sprachstands zum Einsatz. Dabei sind zur Überprüfung des phonologischen Gedächtnisses längere Kunstwörter nachzusprechen. Informieren Sie sich im Kurzartikel von Grimm (2016), warum Kunstwörter an ein- und mehrsprachige Kinder ungleiche Anforderungen stellen und diskutieren Sie die Implikationen.

      1.4 Lautsystem

      Wie bereits in der Einleitung angemerkt, wirkt sich das Alter zu Erwerbsbeginn in den einzelnen sprachlichen Domänen sehr unterschiedlich aus. Der lautliche Bereich gilt in dieser Hinsicht als besonders sensibel, da sich die Wahrnehmung bereits am Ende des ersten Lebensjahres auf die in der Erstsprache relevanten Laute einstellt. Diese wirken dann beim Erwerb der Zweitsprache wie ein Filter, sodass Laute der Zweitsprache, die den Lauten der Erstsprache ähneln, der Lautkategorie der Erstsprache zugeordnet werden, ohne sie weiter zu distinguieren. Dies kann sich dann in der Sprachproduktion in einer fremd klingenden Aussprache der zweiten Sprache bemerkbar machen. Auch fällt es Zweitsprachlernenden schwer, auf lautliche Distinktionen zu achten, wenn diese in der Erstsprache keine Bedeutungsunterscheidung bewirken: z. B. bei KonsonantenKonsonanten die Distinktion stimmlos vs. stimmhaftstimmlos vs. stimmhaft, vgl. [li:tɐ] vs. [li:dɐ], oder bei Vokalen die Distinktion gespannt (d.h. mit mehr Muskelanspannung artikuliert) vs. ungespannt, vgl. [mi:tə] vs. [mɪtə]. Aber nicht nur die Wahrnehmung hat sich auf das erstsprachliche Lautinventar eingestellt, sondern auch die Artikulation. Für bislang unbekannte Laute müssen neue Positionen und Bewegungsabläufe der an der Lautproduktion beteiligten Organe (z. B. Zungenspitze, Zungenrücken, Lippen) eingeübt werden. Bevor jedoch an der Aussprache der Laute gearbeitet wird, gilt es zunächst die Wahrnehmung zu schulen, wobei unbedingt die Schrift einzubeziehen ist, denn unvertraute Laute und Lautdistinktionen lassen sich leichter erhören, wenn man parallel zum akustischen Eindruck auf graphematische Unterschiede aufmerksam wird.

      Es muss auch in diesem Abschnitt eine Auswahl potenzieller Schwierigkeiten getroffen werden. Obgleich auf das KonsonantenKonsonanten- und das Vokalsystem einzugehen sein wird, soll der Fokus auf Letztgenanntem liegen, da neben dem WortakzentWortakzent (s. Kap. 1.2) die korrekte Aussprache akzenttragender VokaleVokale als besonders wichtig für die Verständlichkeit gilt (vgl. Hirschfeld & Reinke 2018). Ein weiteres Argument liefert der Lautumfang: Im Sprachvergleich verfügt Deutsch über eine durchschnittliche Anzahl von Konsonanten, aber über weit mehr Vokale als die meisten Sprachen, was aus den oben genannten Gründen für fast alle Deutschlernende erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Doch bevor wir uns dem Vokalsystem etwas ausführlicher zuwenden, zunächst ein Blick auf die Konsonanten des Deutschen.

      1.4.1 KonsonantenKonsonanten

      Das deutsche Konsonantensystem umfasst 21 Konsonantenphoneme – im Vergleich dazu: Arabisch: 52, Chinesisch: 17, Englisch: 24, Russisch: 33, Spanisch: 19, Türkisch: 20 (vgl. Hirschfeld & Reinke 2018).

      KonsonantenKonsonanten werden im Unterschied zu Vokalen durch eine Enge (Frikative) oder durch einen Verschluss (Plosive, NasaleNasale) gebildet. Bei den Nasalen [m, n, ŋ] kann die Ausatemluft durch die Nase entweichen, bei Plosiven wird der Verschluss abrupt gelöst. Wird bei den stimmlosen Plosiven [p, t, k] der Verschluss „unter hohem Innendruck geöffnet, so wird die ausströmende Luft als AspirationAspiration (Behauchung) hörbar“ (DUDEN 2005: 56) – insbesondere am Wortanfang vor einem Vokal (Ramers 2002: 82), wie z. B. Paar [pha:ɐ]; Tal [tha:l]; kahl [kha:l]. Diese Aspiration fällt vielen Deutschlernenden (z. B. mit Russisch, Französisch, Spanisch oder Türkisch als Ausgangssprache) schwer, lässt sich aber leicht üben, indem man ein Blatt vor den Mund hält, das sich beim Behauchen des stimmlosen Plosivs am Wortanfang bewegen sollte (Hirschfeld & Reinke 2018: 224). Die (Nicht-)Realisierung der Aspiration, vgl. [pa:ɐ] vs. [pha:ɐ], bewirkt (im Unterschied zur Distinktion stimmlos vs. stimmhaftstimmlos vs. stimmhaft, vgl. [pa:ɐ] vs. [ba:ɐ]) keinen Bedeutungsunterschied, sie trägt aber zu einem zielsprachlichen Klangbild bei.

      Eine für viele Lernende unerwartete (und auch aus dem Schriftbild nicht herleitbare) Besonderheit des Deutschen ist, dass am Wortanlaut von den beiden s-Lauten nur der stimmhafte Laut (Transkriptionszeichen: [z]) vorkommt, vgl. Sonne [zɔnə], süß [zy:s], sechs [zɛks]. Darauf sollten die Lernenden frühzeitig aufmerksam gemacht werden. Als besonders schwierig empfunden wird von vielen Deutschlernenden (z. B. mit Englisch, Italienisch, Portugiesisch, Türkisch als L1) die Realisierung von Ich- und Ach-Laut ([ç] und [x]). Russische Deutschlernende, die den Ach-Laut aus ihrer L1 kennen, artikulieren diesen dann häufig auch in Kontexten, in denen im Deutschen der Ich-Laut erforderlich wäre. Schwierigkeiten bereitet zudem der FrikativFrikativ [h] wie in [ho:f], und zwar nicht nur den russischen sondern auch (u.a.) den französischen, italienischen, spanischen und portugiesischen Deutschlernenden.

      Auch die sogenannte AuslautverhärtungAuslautverhärtung (vgl. loben [lo:bən] vs. Lob [lo:p]) ist für Deutschlernende (z. B. mit Englisch, Arabisch, Chinesisch oder Italienisch als Ausgangssprache), die mit diesem phonologischen Prozess nicht vertraut sind, zunächst ein ungewöhnliches Phänomen. Bei der Auslautverhärtung wird in wort- und silbenfinaler Position der Kontrast stimmlos vs. stimmhaftstimmlos vs. stimmhaft zugunsten der unmarkierten stimmlosen Variante aufgegeben (Hall 2000: 97). Die stimmhaften Plosive und Frikative gelten als markierter, da sie mit mehr artikulatorischem Aufwand (Vibration der Stimmbänder) produziert werden. Sie kommen im Vergleich zu ihren stimmlosen Pendants auch seltener in den Sprachen der Welt vor (ebd. 88).1 Da es sich bei der Auslautverhärtung um einen NeutralisierungsprozessNeutralisierungsprozess zugunsten des unmarkierten Merkmals handelt, gelingt es den Lernenden – der MarkiertheitshypotheseMarkiertheitshypothese (Eckmann 1977: 321) zufolge2 –, die anfänglichen Schwierigkeiten relativ schnell zu überwinden.

      Einen letzten im Bereich der KonsonantenKonsonanten zu besprechenden Lernschwerpunkt stellen die R-Laute dar. Lernende, deren Herkunftssprache (z. B. Japanisch und Chinesisch) nur über einen Liquid (R-oder L-Laut) verfügt und nicht etwa wie die deutsche Sprache (sowie ca. 75 % der Sprachen) über zwei Liquide (Hall 2000: 84), benötigen Unterstützung in der phonematischen Wahrnehmung der R- und L-Laute, die ausgetauscht im Deutschen eine Bedeutungsveränderung bewirken. Hier bietet es sich an, mit Minimalpaaren zu arbeiten. Das sind Wortpaare, die sich in nur einem PhonemPhonem unterscheiden: Reiseleise, RektorLektor, WarenWahlen (Hirschfeld & Reinke 2018: 222).

      Die im Weiteren skizzierten Schwierigkeiten betreffen deutlich mehr Deutschlernende und haben zu tun mit sprachspezifischen Artikulationsweisen sowie mit den R-VarianteR-Varianten des Deutschen. In Abhängigkeit der Position und Lautkombinatorik wird ein konsonantischer R-Laut (als velarer FrikativFrikativ bzw. als uvularer Vibrant) oder aber ein vokalischer R-Laut realisiert.

      Um Lernende, in deren Herkunftssprache ein Zungenspitzen-R gesprochen wird (z. B. Türkisch, Spanisch, Russisch), an den frikativen, velar gebildeten R-Laut heranzuführen, schlagen Hirschfeld & Reinke (2018) vor, vom fast an gleicher Stelle zu artikulierenden Ach-Laut auszugehen und Wörter bzw. Wortgruppen nachsprechen zu lassen, „in denen an Silbengrenzen Ach- und R-Laut aufeinandertreffen: nach.rufen, auch_rot“


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