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Die Frage der Laienanalyse. Sigmund FreudЧитать онлайн книгу.

Die Frage der Laienanalyse - Sigmund Freud


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das Jahrhundert, und daß sie sich ungefähr mit dem schwierigsten Stoff beschäftigt, der menschlicher Forschung vorgelegt werden kann, so werden Sie sich leicht in die richtige Einstellung zu meinem Vortrag versetzen können. Unterbrechen Sie mich aber nach Ihrem Belieben jedesmal, wenn Sie mir nicht folgen können oder wenn Sie weitere Aufklärungen wünschen.

      [18]»Ich unterbreche Sie, noch ehe Sie beginnen. Sie sagen, Sie wollen mir eine neue Psychologie vortragen, aber ich sollte meinen, die Psychologie ist keine neue Wissenschaft. Es hat genug Psychologie und Psychologen gegeben, und ich habe auf der Schule von großen Leistungen auf diesem Gebiete gehört.«

      Die ich nicht zu bestreiten gedenke. Aber wenn Sie näher prüfen, werden Sie diese großen Leistungen eher der Sinnesphysiologie einordnen müssen. Die Lehre vom Seelenleben konnte sich nicht entwickeln, weil sie durch eine einzige wesentliche Verkennung gehemmt war. Was umfaßt sie heute, wie sie an den Schulen gelehrt wird? Außer jenen wertvollen sinnesphysiologischen Einsichten eine Anzahl von Einteilungen und Definitionen unserer seelischen Vorgänge, die dank dem Sprachgebrauch Gemeingut aller Gebildeten geworden sind. Das reicht offenbar für die Auffassung unseres Seelenlebens nicht aus. Haben Sie nicht bemerkt, daß jeder Philosoph, Dichter, Historiker und Biograph sich seine eigene Psychologie zurechtmacht, seine besonderen Voraussetzungen über den Zusammenhang und die Zwecke der seelischen Akte vorbringt, alle mehr oder minder ansprechend und alle gleich unzuverlässig? Da fehlt offenbar ein gemeinsames Fundament. Und daher kommt es auch, daß es auf psychologischem Boden sozusagen keinen Respekt und keine Autorität gibt. Jedermann kann da nach Belieben »wildern«. Wenn Sie eine physikalische oder chemische Frage aufwerfen, wird ein jeder schweigen, der sich nicht im Besitz von »Fachkenntnissen« weiß. Aber wenn Sie eine psychologische Behauptung wagen, müssen sie auf Urteil und Widerspruch von jedermann gefaßt sein. Wahrscheinlich gibt es auf diesem [19]Gebiet keine »Fachkenntnisse«. Jedermann hat sein Seelenleben und darum hält sich jedermann für einen Psychologen. Aber das scheint mir kein genügender Rechtstitel zu sein. Man erzählt, daß eine Person, die sich zur »Kinderfrau« anbot, gefragt wurde, ob sie auch mit kleinen Kindern umzugehen verstehe. Gewiß, gab sie zur Antwort, ich war doch selbst einmal ein kleines Kind.

      »Und dies von allen Psychologen übersehene ›gemeinsame Fundament‹ des Seelenlebens wollen Sie durch Beobachtungen an Kranken entdeckt haben?«

      Ich glaube nicht, daß diese Herkunft unsere Befunde entwertet. Die Embryologie z.B. verdiente kein Vertrauen, wenn sie nicht die Entstehung der angeborenen Mißbildungen glatt aufklären könnte. Aber ich habe Ihnen von Personen erzählt, deren Gedanken ihre eigenen Wege gehen, so daß sie gezwungen sind, über Probleme zu grübeln, die ihnen furchtbar gleichgiltig sind. Glauben Sie, daß die Schulpsychologie jemals den mindesten Beitrag zur Aufklärung einer solchen Anomalie leisten konnte? Und endlich geschieht es uns allen, daß nächtlicherweile unser Denken eigene Wege geht und Dinge schafft, die wir dann nicht verstehen, die uns befremden und in bedenklicher Weise an krankhafte Produkte erinnern. Ich meine unsere Träume. Das Volk hat immer an dem Glauben festgehalten, daß Träume einen Sinn, einen Wert haben, etwas bedeuten. Diesen Sinn der Träume hat die Schulpsychologie nie angeben können. Sie wußte mit dem Traum nichts anzufangen; wenn sie Erklärungen versucht hat, waren es unpsychologische, wie Zurückführungen auf Sinnesreize, auf eine ungleiche Schlaftiefe verschiedener Hirnpartien u. dgl. Man darf aber sagen, eine Psychologie, die den Traum nicht [20]erklären kann, ist auch für das Verständnis des normalen Seelenlebens nicht brauchbar, hat keinen Anspruch, eine Wissenschaft zu heißen.

      »Sie werden aggressiv, also haben Sie wohl eine empfindliche Stelle berührt. Ich habe ja gehört, daß man in der Analyse großen Wert auf Träume legt, sie deutet, Erinnerungen an wirkliche Begebenheiten hinter ihnen sucht usw. Aber auch, daß die Deutung der Träume der Willkür der Analytiker ausgeliefert ist, und daß diese selbst mit den Streitigkeiten über die Art Träume zu deuten, über die Berechtigung, aus ihnen Schlüsse zu ziehen, nicht fertig geworden sind. Wenn das so ist, so dürfen Sie den Vorzug, den die Analyse vor der Schulpsychologie gewonnen hat, nicht so dick unterstreichen.«

      Sie haben da wirklich viel Richtiges gesagt. Es ist wahr, daß die Traumdeutung für die Theorie wie für die Praxis der Analyse eine unvergleichliche Wichtigkeit gewonnen hat. Wenn ich aggressiv erscheine, so ist das für mich nur ein Weg der Verteidigung. Wenn ich aber an all den Unfug denke, den manche Analytiker mit der Deutung der Träume angestellt haben, könnte ich verzagt werden und dem pessimistischen Ausspruch unseres großen Satirikers Nestroy recht geben, der lautet: Ein jeder Fortschritt ist immer nur halb so groß als er zuerst ausschaut! Aber haben Sie es je anders erfahren, als daß die Menschen alles verwirren und verzerren, was in ihre Hände fällt? Mit etwas Vorsicht und Selbstzucht kann man die meisten der Gefahren der Traumdeutung sicher vermeiden. Aber glauben Sie nicht, daß ich nie zu meinem Vortrag kommen werde, wenn wir uns so ablenken lassen?

      »Ja, Sie wollten von der fundamentalen Voraussetzung [21]der neuen Psychologie erzählen, wenn ich Sie recht verstanden habe.«

      Damit wollte ich nicht beginnen. Ich habe die Absicht, Sie hören zu lassen, welche Vorstellung von der Struktur des seelischen Apparats wir uns während der analytischen Studien gebildet haben.

      »Was heißen Sie den seelischen Apparat und woraus ist er gebaut, darf ich fragen?«

      Was der seelische Apparat ist, wird bald klar werden. Aus welchem Material er gebaut ist, danach bitte ich nicht zu fragen. Es ist kein psychologisches Interesse, kann der Psychologie ebenso gleichgiltig sein wie der Optik die Frage, ob die Wände des Fernrohrs aus Metall oder aus Pappendeckel gemacht sind. Wir werden den stofflichen Gesichtspunkt überhaupt bei Seite lassen, den räumlichen aber nicht. Wir stellen uns den unbekannten Apparat, der den seelischen Verrichtungen dient, nämlich wirklich wie ein Instrument vor, aus mehreren Teilen aufgebaut, – die wir Instanzen heißen, – die ein jeder eine besondere Funktion versehen, und die eine feste räumliche Beziehung zueinander haben, das heißt die räumliche Beziehung, das »vor« und »hinter«, »oberflächlich« und »tief« hat für uns zunächst nur den Sinn einer Darstellung der regelmäßigen Aufeinanderfolge der Funktionen. Bin ich noch verständlich?

      »Kaum, vielleicht verstehe ich es später, aber jedenfalls ist das eine sonderbare Anatomie der Seele, die es bei den Naturforschern doch gar nicht mehr gibt.«

      Was wollen Sie, es ist eine Hilfsvorstellung wie soviele in den Wissenschaften. Die allerersten sind immer ziemlich roh gewesen. Open to revision, kann man in solchen [22]Fällen sagen. Ich halte es für überflüssig, mich hier auf das populär gewordene »Als ob« zu berufen. Der Wert einer solchen – »Fiktion« würde der Philosoph Vaihinger sie nennen – hängt davon ab, wieviel man mit ihr ausrichten kann.

      Also um fortzusetzen: Wir stellen uns auf den Boden der Alltagsweisheit und anerkennen im Menschen eine seelische Organisation, die zwischen seine Sinnesreize und die Wahrnehmung seiner Körperbedürfnisse einerseits, seine motorischen Akte anderseits eingeschaltet ist und in bestimmter Absicht zwischen ihnen vermittelt. Wir heißen diese Organisation sein Ich. Das ist nun keine Neuigkeit, jeder von uns macht diese Annahme, wenn er kein Philosoph ist, und einige selbst, obwohl sie Philosophen sind. Aber wir glauben nicht, damit die Beschreibung des seelischen Apparats erschöpft zu haben. Außer diesem Ich erkennen wir ein anderes seelisches Gebiet, umfangreicher, großartiger und dunkler als das Ich, und dies heißen wir das Es. Das Verhältnis zwischen den beiden soll uns zunächst beschäftigen.

      Sie werden es wahrscheinlich beanständen, daß wir zur Bezeichnung unserer beiden seelischen Instanzen oder Provinzen einfache Fürwörter gewählt haben, anstatt volllautende griechische Namen für sie einzuführen. Allein wir lieben es in der Psychoanalyse, im Kontakt mit der populären Denkweise zu bleiben und ziehen es vor, deren Begriffe wissenschaftlich brauchbar zu machen, anstatt sie zu verwerfen. Es ist kein Verdienst daran, wir müssen so vorgehen, weil unsere Lehren von unseren Patienten verstanden werden sollen, die oft sehr intelligent sind, aber nicht immer gelehrt. Das unpersönliche Es schließt sich [23]unmittelbar an gewisse Ausdrucksweisen des normalen Menschen an. »Es hat mich durchzuckt« sagt man; »es war etwas in mir, was in diesem Augenblick stärker war als ich.« »C’était plus fort que moi«.

      In der Psychologie können wir nur mit Hilfe von Vergleichungen beschreiben. Das ist nichts


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