Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
(gegenüber einem Dritten) über einen fremden Gegenstand verfügt hat (dingliche Verfügung, die z.B. dem Dritten den gutgläubigen Erwerb des Eigentums ermöglicht hat), dem Berechtigten zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Bei unentgeltlicher Verfügung trifft die Herausgabepflicht stattdessen den Dritten (§ 816 Abs. 1 S. 2; für andere Bereicherungsvorgänge als durch sachenrechtliche Verfügung enthält § 822 eine vergleichbare Regelung).
Besteht die Verfügung im wirksamen Forderungseinzug als Scheingläubiger (von einem Dritten, der also an „den Falschen“ zahlt, was nur tilgungswirksam aufgrund von Schuldnerschutzvorschriften sein kann), besteht seine Herausgabepflicht nach § 816 Abs. 2. §§ 816 Abs. 1 S. 1 und 816 Abs. 2 begründen eine Ausnahme zur gesetzlichen Ablehnung einer allgemeinen Versionsklage gegen einen jedweden Begünstigten (actio de in rem verso). Durch das Fehlen einer solchen Versionsklage wird grundsätzlich der Leistungsempfänger vor Einwendungen Dritter (exceptiones ex iure tertii) geschützt. Er muss hinsichtlich eines Leistungsempfanges nur die Leistungskondiktion seines Leistenden befürchten, demgegenüber er eine eventuell erbrachte Gegenleistung aufrechnen kann. Im Fall der §§ 816 Abs. 1 S. 1 und 816 Abs. 2 geht nun als Ausnahme dazu die besondere Schutzwürdigkeit des ursprünglich Berechtigten vor. Er, der den Rechtsverlust Erleidende, soll nicht allein auf (schuldrechtlichen oder deliktischen) Regress gegen den verfügenden Nichtberechtigten verwiesen sein, sondern von ihm das (durch Leistung! des Verfügungsgegners) erlangte Surrogat herausverlangen können. Sein Leistungserwerb bedarf keines Schutzes. Er ist daher Einwendungen sowohl seines Verfügungsgegners („Dritten“) als auch des den Rechtsverlust Erleidenden ausgesetzt.
Nur § 816 Abs. 1 S. 2 setzt auch den Dritten aufgrund verminderter Schutzwürdigkeit als Beschenkter dem Risiko von Einwendungen mehrerer Personen aus, nämlich eben des ursprünglich dinglich Berechtigten.
a) Entgeltliche Verfügungen nach § 816 Abs. 1 S. 1
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Wer über einen Gegenstand als (dinglich) Nichtberechtigter wirksam und entgeltlich verfügt, schuldet dem Berechtigten die Herausgabe des daraus Erlangten (§ 816 Abs. 1 S. 1). Damit wird ein Interessenausgleich geschaffen zwischen dem Schutz des gutgläubigen Erwerbs einerseits und den Interessen des Berechtigten, der sein Recht verliert, andererseits. § 816 Abs. 1 S. 1 knüpft also an Fälle an, in denen ein Dritter im Vertrauen auf den Rechtsschein gegen Entgelt ein Recht von einem Nichtberechtigten wirksam gutgläubig erworben hat, etwa (für Fahrnis) nach §§ 932 ff., 1032, 1207 f. BGB oder des erweiterten Schutzes des gutgläubigen Erwerbs nach § 366 HGB; (für Liegenschaften) nach §§ 892, 1138, 1155 oder 1192; (hinsichtlich Nachlassgegenständen allgemein) nach §§ 2366, 2368 Abs. 3, 2370.
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Der hiernach dinglich Verfügende hat das Erlangte herauszugeben, gleich ob er redlich oder unredlich war bei der Verfügung. Soweit er schuldhaft handelte, besteht gegen ihn möglicherweise parallel auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 (evtl. sogar § 826), wahlweise auch aus §§ 687 Abs. 2, 678 bzw. ein Herausgabeanspruch aus § 687 Abs. 2 i.V.m. §§ 681 S. 2, 667.
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Berechtigter und damit Gläubiger des Herausgabeanspruchs nach § 816 Abs. 1 S. 1 ist derjenige, der zur Verfügung (dinglich) befugt gewesen wäre und nach den Vorschriften zum Schutz gutgläubigen Erwerbs durch die Verfügung in seinen Rechten beeinträchtigt wird.
b) Erlangtes
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Herauszugeben ist der erzielte Preis. Ist dieser niedriger als der eigentliche Sachwert, so kann der Berechtigte die Differenz nur nach Deliktsrecht (für Schadensersatz vgl. auch die §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, die über § 292 Abs. 1 auf die §§ 989, 990 verweisen) oder ggf. über § 687 Abs. 2 ersetzt verlangen.
Umstritten ist hingegen, ob ein gegenüber dem Sachwert erzielter höherer Preis auch hinsichtlich des Gewinnanteils herauszugeben ist, der letztlich auf dem Verhandlungsgeschick des Nichtberechtigten beruht. Die weitaus h.M. bejaht dies aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 816 Abs. 1 S. 1 („das Erlangte“, also alles).[64] Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist dies nicht zwingend, weil es sich tatbestandlich nicht um treuhänderische Geschäftsführung auf Rechnung des Berechtigten handelt und der Umfang der Herausgabepflicht bei den Leistungskondiktionen und der allgemeinen Eingriffskondiktion durch die Vorschrift des § 818 Abs. 1 stets eine Gewinnhaftung ausschließen, jedenfalls soweit der Gewinn nicht auf gezogenen Nutzungen beruht.[65]
Einen möglicherweise zuvor an einen Dritten gezahlten Kaufpreis darf der verfügende Nichtberechtigte von seiner Herausgabepflicht nicht in Abzug bringen (er ist eben mehrfachen Einwendungen ausgesetzt). Insoweit muss er sich ggf. mit seinem Verkäufer nach den Vorschriften der Rechtsmängelhaftung beim Kauf (vgl. §§ 433, 435, 437) auseinandersetzen.[66]
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Bei Verfügungen durch einen Kommissionär als Nichtberechtigtem ist konsequent zu beachten, dass er allenfalls den Provisionsanteil aus seiner Verfügung selbst erlangt, der Rest ist Treuhandvermögen des Kommittenten, das er nach Abführung an diesen nicht (nochmals) dem früheren Eigentümer über § 816 Abs. 1 S. 1 herauszugeben braucht.
Beispiel:[67] Veräußert ein Kommissionär eine (wie stets) fremde bewegliche Sache, die ihm jedoch seinerseits von einem Nichtberechtigten eingeliefert worden war, erlangt ein gutgläubiger Erwerber (vgl. §§ 929 S. 1, 932 BGB, § 366 HGB) Eigentum, sofern die Sache nicht abhanden gekommen war (vgl. § 935). Verfügender ist hier der Kommissionär (arg. e. § 392 Abs. 1 HGB, so dass der sein Eigentum am Kommissionsgut verlierende Berechtigte Herausgabe des Kaufpreisanteils (unter Abzug der Provision) aus § 816 Abs. 1 S. 1 verlangen kann (soweit nicht diese bereits an den Kommittenten abgeführt worden war, vgl. § 818 Abs. 3). Dieser Erlös ist Treuhandvermögen im Rahmen der Kommission. Der Provisionsanteil ist davon nicht umfasst, sondern steht dem Kommissionär als dinglicher gesicherter Anspruch zu (vgl. §§ 397, 366 Abs. 3 HGB) und hätte vor Durchführung des Kommissionsverkaufs auch dem Berechtigten entgegengehalten werden können (vgl. § 986 BGB).
Der (dinglich nicht berechtigte) Kommittent hat einen an ihn ausgekehrten Erlös nach § 822 an den Berechtigten herauszugeben. Der Anspruch ist nicht zugleich aus § 816 Abs. 2 begründet, weil die Erlösforderung nach § 364 Abs. 2 HGB durchaus dem Kommittenten als Vertragspartner zusteht (wenngleich der Kommissionär sie nicht erfüllen dürfte, wenn ihm die wahren Eigentumsverhältnisse zur Kenntnis gelangten). Der Kommittent haftet auch nicht nach § 816 Abs. 1 S. 1, weil er selbst keine dingliche Verfügung getroffen hatte, sondern der Kommissionär (a.A. vertretbar aufgrund „wirtschaftlicher“ Betrachtungsweise, arg. e. § 392 Abs. 2 HGB).
c) Anwendungsbereich
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§ 816 Abs. 1 S. 1 setzt eine wirksame (und entgeltliche) Verfügung eines Nichtberechtigten voraus. Die Wirksamkeit folgt stets nur aus den bereits genannten Gutglaubensvorschriften, insb. §§ 932 ff. BGB, § 366 HGB (bei Fahrnis); §§ 892, 1138, 1192 BGB (bei Liegenschaften).
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Umstritten ist die Anwendung der Kondiktion auf Fälle des Rechtsverlustes kraft Gesetzes, also durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung (vgl. §§ 946 ff.). Dabei liegt dem gesetzlichen Rechtserwerb im Regelfall keine rechtsgeschäftliche Verfügung voraus, die Interessenlage der Beteiligten ist dennoch vergleichbar.
Wurde der ursprüngliche Eigentümer bestohlen (Anwendungsbereich von § 935 Abs. 1), würde der rechtsgeschäftliche Erwerb scheitern, der gesetzliche nach §§ 946 ff. ist jedoch wirksam. Der Rechtserwerber („Dritte“) ist nicht schutzwürdiger als im Falle der (unwirksamen) Verfügung, so