Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
id="ulink_647a3d9c-01a8-576e-a042-dad24ffa56ca">Im Rahmen des § 830 Abs. 1 S. 2 genügt sogar eine alternative Kausalität; dies betrifft Nebentäterschaften, bei denen mehrere parallel und jeder für sich den vollen Haftungstatbestand erfüllt hat, aber die Kausalität nicht mehr zugeordnet werden kann, obwohl und gerade weil jeder Tatbeitrag ursächlich gewesen sein kann.[100]
Im Innenverhältnis haften mehrere nach § 830 nebeneinander bzw. miteinander für einen Schaden verantwortliche Personen als Gesamtschuldner (vgl. § 840 Abs. 1; Fälle der „gestörten“ Gesamtschuld regelt § 840 Abs. 2, 3).[101]
§ 3 Ausgleichsordnung › F. Allgemeines Schadensrecht
F. Allgemeines Schadensrecht
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Steht die Ersatzpflicht für einen Schaden – gleichwie nach der Vertragsordnung oder der Ausgleichsordnung des BGB – fest, so richten sich die Rechtsfolgen, also die Berechnung des Schadens auf Seiten des Ersatzberechtigten, der Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der Rechtsgutsverletzung (haftungsausfüllende Kausalität) und die Art und Weise des Ersatzes nach den §§ 249–253. Diese bestimmen nicht den Grund, sondern Art, Inhalt und Umfang einer anderweitig angeordneten Schadensersatzpflicht. Das allgemeine Schadensrecht begründet keinen Anspruch, sondern bestimmt nur die Rechtsfolgen.
§ 3 Ausgleichsordnung › F. Allgemeines Schadensrecht › I. Umfang der Schadensersatzpflicht
I. Umfang der Schadensersatzpflicht
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Der ersatzfähige Schaden bemisst sich zuerst danach, welchen Güterbestand der Geschädigte – in Bezug auf die Schutzgüter[102] – ohne die Tathandlung des Schädigers hätte (Differenzhypothese). Hinsichtlich des hypothetischen (pflichtkonformen) Kausalverlaufs als Schadensmaßstab ergeben sich Unterschiede je nach Art der versäumten Pflicht.
1. Integritätsinteresse
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Die im Deliktsrecht geschützten Rücksichtspflichten dienen der Erhaltung eines Güterbestands (Integritätsinteresse), so dass insoweit namentlich Substanzschäden umfasst sind.
Forderungsrechte des Schuldrechts sind dagegen auf Erfüllung gerichtet, so dass der Schadensersatz (Schadensersatz statt der Leistung oder neben der Leistung) den Geschädigten so zu stellen hat, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde (sog. positives Interesse, Erfüllungs– bzw. Äquivalenzinteresse). Ausnahmsweise ist nach der Vertragsordnung nur das sog. negative Interesse (Vertrauensinteresse) geschützt, der Geschädigte also zu stellen, als hätte er sich auf einen Vertrag gar nicht eingelassen, sondern sogleich anders disponiert (vgl. etwa §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2).
In Einzelfällen besteht ein Schaden auch dort, wo dieser durch soziale Sicherungssysteme kompensiert wird (so der Verdienstausfallschaden durch § 6 EFZG, Heilbehandlungskosten durch die gesetzliche Krankenversicherung oder allgemein versicherte Schäden im Rahmen einer bestehenden Schadensversicherung). Hier sollen die Sozialsysteme nicht den Schädiger entlasten, der vielmehr insoweit dem Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger oder Versicherer auf Regress haftet (gesetzlicher Forderungsübergang nach § 6 EFZG, § 116 SGB X, § 86 Abs. 1 VVG).
2. Vorteilsausgleichung
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Im Schadensumfang ist auch zu berücksichtigen, wenn dem Geschädigten aus dem Schadensereignis Vorteile entstanden sind. Dies betrifft im Wesentlichen ersparte Aufwendungen (ersparte häusliche Verpflegungskosten während einer stationären Heilbehandlung). Gleicht der Geschädigte hingegen ersatzfähige Nachteile durch eigene Tätigkeiten aus (wird z.B. der Verdienstausfall eines Selbstständigen durch eigene Mehrarbeit nach Rekonvaleszenz oder durch solche etwa eines Compagnons (Mitgesellschafter, Co-Geschäftsführer oder auch durch eine Verdienstausfallversicherung kompensiert) und gehen solche Anstrengungen über eine allfällige Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1) hinaus, mindern diese Vorteile die Ersatzpflicht des Schädigers nicht. Gleiches gilt für dem Kläger in Folge einer Verletzung zufließende Unterhaltsleistungen (vgl. § 843 Abs. 4).[103]
Vorteilsausgleichung ist auch der Abzug nach dem Grundsatz „neu für alt“, wenn eine zerstörte Sache durch eine neue, höherwertige ersetzt werden muss.
§ 3 Ausgleichsordnung › F. Allgemeines Schadensrecht › II. Schadenszurechnung, Kausalität
II. Schadenszurechnung, Kausalität
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Ersatzfähig ist ein eingetretener Schaden nur insoweit, als ein Zusammenhang mit der Rechtsgutsverletzung bzw. im Fall des vertraglichen Schadensersatzanspruchs mit der Forderungsverletzung besteht (haftungsausfüllende Kausalität). Die haftungsausfüllende Kausalität gibt die Indikation für den Schadensumfang. Dieser Zusammenhang ist zu unterscheiden von demjenigen zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsguts- bzw. Forderungsverletzung (haftungsbegründende Kausalität), welche die Indikation für die Person des ersatzpflichtigen Schädigers gibt. Beide Fragen richten sich jedoch gleichermaßen nach denselben wertenden Feststellungen, so dass ihnen zumeist parallele Überlegungen zugrunde liegen.
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Hinzuweisen ist insb., dass eingetretene Nachteile nicht deswegen ersatzlos blieben, weil sie anderenfalls auch durch ein weiteres Schadensereignis eingetreten wären (sog. hypothetische oder überholende Kausalität – es entlastet den Betrüger nicht, dass sonst ein anderer bereits zur Missetat bereitgestanden hätte). Träte allerdings die Reserveursache (die Erstschädigung weggedacht) nicht von außen an das Rechtsgut heran, sondern ist die zweite Ursache im geschädigten Objekt bereits angelegt, beschädigt der Erstschädiger z.B. eine bereits defiziente Sache, die deswegen ohnehin bald funktionsunfähig geworden wäre, tritt zwar seine Ersatzpflicht ein, jedoch nur im Umfang des geminderten Werts des defekten Objekts.
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Bedeutung hat die haftungsausfüllende Kausalität deshalb insb. im Hinblick auf die nicht anerkannte Haftung für Renten- und Begehrensneurosen; umgekehrt für die ggf. mögliche Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten, dass also eine Schädigung und zwar durch den Schädiger auch dann eingetreten wäre, hätte dieser sich hinsichtlich des vorgeworfenen Pflichtenverstoßes korrekt verhalten.
Beispiel: Beim Ladendiebstahl hat der ertappte Ladendieb daher auch eine Fangprämie an einen vom Warenhaus engagierten Detektiv zu erstatten, sofern diese in angemessener Höhe durch öffentliche Auslobung im Lokal für jedermann ersichtlich war. Sie wurde von ihm kausal ausgelöst. Das gilt nicht aber für allgemeine Überwachungskosten (die nämlich auch ohne den konkreten Diebstahl angefallen wären).
§ 3 Ausgleichsordnung › F. Allgemeines Schadensrecht › III. Schadensausgleich nach §§ 249–253
III. Schadensausgleich nach §§ 249–253
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Für die Art und Weise, wie ein Schaden auszugleichen ist, sehen die §§ 249 ff. zwei unterschiedliche Ausgleichsmöglichkeiten vor, Naturalrestitution (vgl. § 249) oder Geldentschädigung (vgl. § 251). Letztere kommt jedoch nur in Betracht, soweit erstere, also die Herstellung des tatsächlichen Zustands, der ohne das Schadensereignis bestünde, nicht möglich oder nicht ausreichend