Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
Übereignung, § 433 Abs. 1 S. 1; die Pflicht zur Besitzverschaffung durch Übergabe hat indes im Hinblick auf die sachenrechtlichen Vorschriften zum Vollzug der Übereignung (vgl. § 929 S. 1: Übergabe oder – i.V.m. §§ 930, 931 – Übergabesurrogate), oft keine selbstständige Bedeutung.
Übergabe und Übereignung können jedoch vorübergehend auch getrennte Wege gehen, so bei Veräußerung einer vermieteten Sache (z.B. Grundstückskaufvertrag über Mietshäuser), weshalb im Kaufvertrag dann zwingend ein Hinweis erforderlich ist, dass die Übergabe nur durch Abtretung des aus dem Mietverhältnis mit dem Dritten folgenden Herausgabeanspruchs erfolge (für Wohnraummiete besorgt bereits der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ diesen Rechtsübergang, vgl. § 566 Abs. 1); das folgt nicht erst aus § 931 (danach ist Übertragung des mittelbaren Besitzes einer beweglichen Sache auch für den Eigentumserwerb nötig), sondern bereits aus der obligatorischen Verschaffungspflicht am Besitz.
Der andere – umgekehrte – Fall ist der des Eigentumsvorbehaltskaufs (§ 449 Abs. 1), wobei Verschaffung des unmittelbaren Besitzes durch Übergabe, aber nur die aufschiebend auf die Kaufpreiszahlung bedingte Übereignung geschuldet wird; durch solche Abrede kann zwar Übergabe der Sache, jedoch noch nicht Übertragung des Eigentums als Vollrecht verlangt werden.
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Der Verkäufer einer Forderung (§ 453) schuldet als Erfüllung die Abtretung der Forderung, was nochmals durch Abschluss eines – nun verfügenden – Vertrags zu erfolgen hat (§ 398).
Beim Kauf sonstiger Rechte schuldet der Verkäufer nach Form und Inhalt entsprechend der für sie geltenden besonderen Vorschriften etwa des UrhG, GmbHG. Besonderheiten der Verkäuferpflichten können aus §§ 448, 475g, 524 HGB hinsichtlich der Pflicht zur Begebung von Traditionspapieren, insb. Orderpapieren folgen, die sich etwa in Bezug auf § 931 auswirken (vgl. Rn. 1193 ff.).
Hauptpflicht des Käufers ist nach § 433 Abs. 2 die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und die Abnahme der gekauften Sache. Die Zahlungspflicht ist regelmäßig eine Geldschuld und als solche eine modifizierte Schickschuld (§ 270 Abs. 1). Mangels anderer Vereinbarung gilt für sie ebenso wie für die Hauptpflicht des Verkäufers die sofortige Fälligkeit (vgl. § 271 Abs. 1). Darin zeigt sich das Gegenseitigkeitsverhältnis der wechselseitigen Hauptpflichten (Synallagma), welches mangels ausdrücklich vereinbarter Vorleistungspflichten der einen oder anderen Vertragspartei vom Grundsatz des Bargeschäfts ausgeht (§ 320 Abs. 1 S. 1).
Dies führt allerdings nur bei beiderseitigen Handelsgeschäften dazu, dass eine Verzinsung der Kaufpreisforderung bereits ab Fälligkeit der Kaufpreisforderung geschuldet wird (§ 353 HGB). Die Abnahmepflicht des Käufers (vgl. § 433 Abs. 2) ist als Käuferpflicht scheinbar parallel zur Hauptpflicht des Verkäufers auf Besitzverschaffung. Beim privaten Verkäufer wird aber ohne explizite Vereinbarung einer Abnahmepflicht und mangels anderweitiger konkreter Umstände regelmäßig nicht von einer selbstständigen Klagbarkeit auszugehen sein. Die Folgen des Annahmeverzugs des Käufers erschöpfen sich dann in den §§ 300 ff. und dort insb. im vorgezogenen Gefahrübergang. Lediglich beim Handelskauf enthält § 373 HGB darüber hinausgehende Folgen des Gläubigerverzugs betreffend die Abnahmeverpflichtung. Diese Vorschriften gelten gem. §§ 343, 345 HGB allerdings gegenüber jedem Käufer, der Vertragspartner eines Kaufmanns ist, also auch dem privaten.
3. Nebenleistungspflichten
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Nebenpflichten werden (hier) verstanden als Nebenleistungspflichten, die zur Erreichung des Vertragszwecks notwendig den Hauptpflichten beitreten müssen, ohne dass ihre Erfüllung das eigentliche Ziel des Vertrages darstellt. Nebenleistungspflichten erweitern den Vertragsinhalt und sind daher als primäre Pflichten selbstständig einklagbar; anders gebieten Nebenpflichten als bloße Verhaltens- oder Rücksichtspflichten keine zusätzliche Leistung, sondern ergänzen vielmehr die Hauptleistung und sichern den Leistungserfolg; sie sind dann nicht selbstständig einklagbar.[45]
Rechtliche Relevanz hat überhaupt nur die Grenzziehung der Klagbarkeit. Klagbare Leistungspflichten außerhalb der Hauptpflichten sind etwa die Kosten der Übergabe der Kaufsache (§ 448) oder öffentlicher Lasten (§ 436 Abs. 1: z.B. haben kommunale Erschließungskosten für beschlossene, aber noch nicht ausgeführte, für bautechnisch begonnene und v.a. für bereits abgeschlossene, aber bisweilen nach vielen Jahren noch nicht abgerechnete Straßen- oder Kanalbaumaßnahmen beim Grundstückskauf erhebliches und oft verstecktes, vertraglich gestaltbares Kostenpotenzial). Ebenfalls selbstständig klagbar ist die Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie (§ 443). Und schließlich eine vereinbarte Montage oder bei zur Montage bestimmten Sachen die Beifügung einer korrekten und verständlichen Montageanleitung (§ 434 Abs. 2). Weitere Leistungspflichten können von den Parteien beliebig vereinbart werden oder sich aus dem Vertragszweck ergeben, etwa die Einweisung des Käufers in den Gebrauch einer gekauften Maschine oder die einmalige Wartung nach einer Anlaufphase (soweit diese Zusatzleistung das Gesamtbild der Hauptleistung jedenfalls kaum verändert; sonst sog. gemischter Vertrag aus Kauf mit Dienst- oder Werkelementen).
4. Unterscheidung
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Die Hauptpflichten charakterisieren den Vertragstyp. Der (formalistische) Leistungsaustausch genügt allein meist noch nicht zur Erreichung des dem Schuldverhältnis zugrundeliegenden Vertragszwecks. Zur Erfüllung der nach den konkreten Umständen berechtigten Erwartungen des Gläubigers und soweit diese dem Schuldner bekannt sind oder sein müssten, erweitern Nebenleistungspflichten die vertraglichen Leistungsgebote.[46] Auch diese Pflichten sind als primäre selbstständig einklagbar, allerdings nicht für den Vertragstyp charakteristisch (z.B. die Schlüsselübergabe bei Mietbeginn und -ende oder die Montagepflicht eines gelieferten Schrankes eines konventionellen Einrichtungsgeschäfts).
Diese Einteilung ist praktisch wichtig, indem der Gläubiger echte (Neben-)Leistungspflichten selbstständig einklagen kann. Überdies gibt ihm die Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 insoweit ein Zurückbehaltungsrecht an seiner geschuldeten Gegenleistung, jedenfalls sobald er mit dieser nicht seinerseits vorleistungspflichtig ist (vgl. § 321). Außerdem führen nur Mängel in der Erfüllung von Leistungspflichten (Schlechtleistung) zu Gewährleistungsansprüchen, welche wiederum zuerst auf Nacherfüllung gerichtet sind, §§ 437 Nr. 1, 439, und insoweit das Zurückbehaltungsrecht des § 320 Abs. 1 verlängern.
5. Schutzpflichten
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Neben diesen Haupt- und Nebenleistungspflichten bestehen im Rahmen des Schuldverhältnisses, aufgrund Auslegung nach § 157 und aus Treu und Glauben (§ 242) eine Vielzahl von (sog. Neben-, Schutz- und Treu-)Pflichten, die unselbstständig und also nicht als solche einklagbar sind. Sie erweitern nicht die Leistungsgebote, sondern ergänzen die Hauptleistung. Sie können (umgangssprachlich) durchaus in einer „Leistung“ bestehen, etwa Auskunfts-, Beratungs-, Verpackungs- oder Versicherungspflichten, ohne dass diese Pflichten aber durch Erfüllungsklage aus dem Vertrag oder mittels Gewährleistungsfolgen erreicht werden könnten. Obwohl auf die Hauptleistung bezogen, stehen sie nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) und ihr Versäumnis macht die eigentliche Leistung nicht mangelhaft. Die Pflichten schützen „nur“ das Integritätsinteresse.
Beispiel:
Die mangelhafte Verpackung etwa beim Versendungskauf (§ 447) an einen Verbraucher bleibt folgenlos, wenn die Ware dennoch unversehrt ankommt.[47] Führt sie zu einem Transportschaden, so war die Kaufsache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, nämlich bei Übergabe an die Transportperson, dennoch mangelfrei (§ 434); Rechte des Käufers bestehen aber auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2. Gleiches gilt zu geschuldeten Hinweisen zu Wartung und Pflege etc.
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