Эротические рассказы

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots. Herbert HuesmannЧитать онлайн книгу.

Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots - Herbert Huesmann


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l’avait attiré comme les sirènes ensorcellent les marins par leur chant, faux, la musique, tout, jusqu’à la visite chez lui, il avait vu une victoire, ce n’était que défaite, la reddition totale, après lui avoir donné cela, elle ne devait plus rien, elle avait réglé ses dettes avant de partir. Quelles dettes? Il n’en avait aucune idée. La route était barrée et derrière l’éboulis attendait le néant.9

      So wird Hugos Wohnung zu einem Ort des Betrugs und des Selbstbetrugs. Aus der von ihm erhofften Erwiderung seiner Liebe wird eine ihn demütigende Pervertierung intimer Nähe. Bereits im Moment „ihres“ übereilten Abschieds steigen Vorahnungen einer abgrundtiefen, unendlichen Leere in ihm auf,10 die sich wie ein düsterer Schatten über sein Leben legen.

      Reisebereitschaft der handelnden Figuren

      Als Gilles im Gespräch mit „ihr“ erstaunt feststellt, dass „sie“ sich innerhalb von drei Tagen entschlossen habe, „au bout du monde“ zu reisen, erwidert sie kühl, dass sie für diese Entscheidung nur eine Viertelstunde benötigt habe und es übertrieben sei, Brasilien mit dem „Ende der Welt“ gleichzusetzen.1 Die Erzählstimme lenkt das Leserinteresse somit bereits zu Beginn des ersten Kapitels – Allegro – auf „ihre“ Bereitschaft zum Aufbruch. Daran anknüpfend greift sie das Thema zu Beginn des zweiten Kapitels – Andante con moto – erneut auf, indem sie Vincents Schwester das an Hugo gerichtete Wort „Partir“ in den Mund legt und sodann ihrerseits hinzufügt: „[…] et dans son regard bleu océan déferlaient les vagues du voyage, du départ, de l’exil.“2 Mit der dreiteiligen, als Klimax angelegten Aufzählung „[…] les vagues du voyage, du départ, de l’exil“ deutet die Erzählinstanz unzweideutig an, dass sich „ihr“ Wunsch nach Aufbruch nicht aus schlichter Reiselust, sondern aus dem Gefühl einer wie auch immer gearteten Gefährdung erklärt. Weiterhin an Hugo gewandt, fügt „sie“ hinzu, dass sie aus einem anderen Land – la ville d’Ys – 3 stamme, also einer sagenumwobenen bretonischen Stadt des 4./5. Jahrhunderts, die der Legende nach von Fluten verschlungen worden sein soll.4 Neben der erneut genannten Augenfarbe „bleu océan“ ist die Erwähnung der legendären „ville d’Ys“ zwar kein expliziter, aber doch ein eindeutiger, subtextuell vermittelter proleptischer Hinweis auf den Flugzeugabsturz über dem Atlantik, bei dem Vincents Schwester zu Tode kommen wird.

      Von den drei anderen Mitgliedern des Quartetts ist Vincent, der einige Monate in der Millionenstadt Belem an der Mündung des Amazonas im Holzhandel gearbeitet hat, der einzige, der seiner Schwester bereits angeboten hat, ihn zu begleiten.5 Hugo antwortet auf „ihre“ Frage, ob er bereit sei, mit „ihr“ aufzubrechen, mit dem durch die überraschende Direktheit der Frage provozierten, reflexartig, aber nicht reflektiert hervorgebrachten Satz „Je partirais“, den er unter „ihrem“ ihn herausfordernden prüfenden Blick mit einem zwanghaft vorgebrachten „Vraiment“ bekräftigt.6 François reagiert auf „ihren“ Vorschlag „Partons“ eindeutig ablehnend, wobei sich die von ihm gesehenen Hindernisse „comme une chaîne de montagne“7 vor ihm auftürmen. Auch von Gilles wird „sie“ enttäuscht, als er ihr erklärt, dass er mit seiner Theatertruppe keine Tourneen unternehme, sondern immer in demselben Theater spiele.8

      Dass Vincent, dessen vom lateinischen Verb „vincere“ abgeleiteter Name der ‚Siegende‘ bedeutet, angesichts seiner beruflichen Tätigkeit von der Erzählinstanz als flexible, reisefreudige Figur präsentiert werden kann, ist leicht nachvollziehbar. Gleichwohl mag es auf den ersten Blick überraschen, dass er auf die Einladung Gilles’ zu einem von ihm als Hommage an „sie“ verstandenen Wiedersehenstreffen zunächst mit entschiedener Ablehnung reagiert, die er folgendermaßen begründet: „Savez-vous une chose, Gilles? Elle avait horreur de ce qui restait, horreur des traces, de la durée, horreur du passé, mais surtout des écrits. Lui rendre hommage, c’est une idée ridicule, on ne l’emprisonne pas, il n’y a rien à ressaisir.“9

      Aus der Sicht Vincents ist das von ihm entworfene Bild seiner Schwester positiv, insofern er suggeriert, dass eine Gedenkveranstaltung zu ihren Ehren der vergebliche Versuch wäre, sie im Rückblick klischeehaft auf eine bestimmte Rolle festzulegen und damit gleichsam ihrer Freiheit zu berauben. Für ihn steht fest, dass man damit einer Frau, die stets als nonkonformistische Außenseiterin gelebt hat, nicht gerecht wird. Gleichzeitig betont er durch das dreimal geäußerte „Elle avait horreur […]“10 ihren Abscheu und ihr Entsetzen vor allen Zeugnissen und Spuren der Vergangenheit. Damit gibt er jedoch auch seine Befürchtung zu erkennen, dass bei dem geplanten Treffen sein inzestuöses Verhältnis zu seiner Schwester ans Licht kommen mag. Sein und seiner Schwester hohes Maß an „innerer Beweglichkeit“, das in beider Bereitschaft zum Inzest zum Ausdruck gelangt, steht durchaus im Einklang mit seiner anfänglichen Abwehr in seiner Reaktion auf die Initiative Gilles’. Dafür bedarf es weder psychologisierender noch moralisierender Erklärungen, sondern nur der Erinnerung daran, dass die Erzählinstanz den Schauplatz des Tabubruchs sicherlich bewusst nach Brasilien verlegt hat, um die Grenzen überschreitende Qualität der Handlung zu unterstreichen. So lässt die Erzählinstanz zu Beginn des Romans eine Vorstellung der Schwester Vincents entstehen, die in der Folge mehrfach durch ihr über einen Spiegel reflektiertes Auftreten, durch das sie sich genauerer Beobachtung und Einordnung entzieht, bestätigt und ergänzt wird.

      In welchem Maße die Erinnerungen an die mit seiner Schwester in Brasilien verbrachte Zeit in Vincent nachwirken, vermittelt in besonders intensiver Weise die Beschreibung seiner Fahrt zu Gilles’ Haus am Meer.11 Die Erzählung wird in einer surrealistisch anmutenden Weise verschmolzen mit Rückblicken auf eine Autofahrt durch den brasilianischen Dschungel, bei der Vincent und seine Schwester in der Nähe eines Hafens eine Szenerie erleben, die, wie die großen Schwärme schwarzer und weißer Vögel „[…] qui s’apprêtaient au festin funèbre de leurs becs“12 signalisieren, durch eine Fülle von Gegensätzen gekennzeichnet ist: Exotische Farben unbekannter Spezies rufen Bewunderung hervor, der Anblick von Fäulnis und eiternden Wunden erregt Ekel. Auf der einen Seite wirkt das Marktgeschehen anziehend auf die Menschen, auf der anderen Seite locken Schlamm und Dreck die Vögel an. Die detaillierte Beschreibung des Nebeneinanders von Leben und Tod gipfelt in einem sich fast über eine ganze Seite erstreckenden Satzgefüge, in dessen Schlussteil Vincents Angst vor tödlicher Bedrohung zum Ausdruck gelangt:

      […] d’un côté la vie – une vie de masse et de grouillement […] une vie nue ni pire ni meilleure que d’autres mais dure et coincée entre deux grands espaces, la forêt et le fleuve […] d’un côté la vie et de l’autre la mort, les charognards présents, massés, serrés, les pattes engluées dans les boues rouges, à attendre, à guetter, le suivant, flottant parmi les eaux, prêts à partir le chercher.13

      Die Schilderung der Erinnerungen Vincents an die morbide Atmosphäre des brasilianischen Dschungels wird von der Erzählinstanz nahtlos übergeleitet in die Beschreibung eines lebensgefährlichen Überholmanövers, bei dem Vincent – auf der Fahrt zu Gilles’ Haus am Meer – glaubt, eine seiner Schwester täuschend ähnliche Frau erkannt zu haben.14 Wenn in den Gedanken Vincents die Realität durch traumähnlich-halluzinatorische Zustände verdrängt wird, so macht dies deutlich, mit welcher Intensität die Schwester auch nach ihrem Tod – völlig unabhängig von räumlichen Veränderungen – für ihn präsent ist. Zugleich jedoch verbindet die Erzählinstanz mit Vincents Schwester Gedanken der Sterblichkeit und des Verfalls.

      Die Sehnsucht Vincents nach Freiheit, Aufbruch und Weite manifestiert sich auch bei der Ankunft im Haus am Meer, als er in der Nähe der Kaimauer mit Gilles über den Kampf zwischen Land und Meer streitet:15

       C’est la terre qui l’emporte, Vincent.

       C’est l’eau.

       La terre, les constructions. Regardez les maisons, là où courait le fleuve, au siècle dernier, construire est finalement plus durable.

       Non, c’est détruire.16

      Der kurze Redeausschnitt lässt die disparaten Standpunkte klar hervortreten. Gilles sieht sich durch den Prozess der Landgewinnung in seinem Glauben und Vertrauen auf die konstruktiven Kräfte des Menschen bestätigt und in seiner Suche nach Sicherheit und einem festen Grund ermutigt. Konsequenterweise


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