Toxikologie für alle. Helmut GreimЧитать онлайн книгу.
Vereinfachte Darstellung für Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen (aus Kapitel Einführung von H. Greim, in Das Toxikologiebuch, 978-3-527-33973-0, Wiley-VCH, 2017).
oder die Lunge aufgenommen werden, wobei der in einer bestimmten Zeit aufgenommene Anteil der Substanz, die Resorptionsrate, von der Wasserlöslichkeit, der Molekülgröße und der Stabilität der Substanz sowie der Expositionsdauer abhängt.
Nach oraler Exposition wird eine Substanz, wenn sie nicht schon von den Mikroorganismen im Darm oder in den Epithelzellen der Darmwand metabolisiert wird, aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert und über die Pfortader zur Leber transportiert. Dort erfolgt je nach den strukturellen Eigenschaften im sog. First-Pass-Effekt durch sog. Phase-I- und Phase-II-Enzyme eine metabolische Aktivierung oder Inaktivierung. Phase-I-Enzyme reagieren in einem ersten Schritt mit den Substanzen und formen sie zu wasserlöslichen Verbindungen um. In einem zweiten Schritt werden diese durch Phase-II-Enzyme mit Glucuronsäure, Sulfat oder Glutathion verknüpft (konjugiert). Diese Reaktionen dienen eigentlich der Entgiftung und der Ausscheidung der Substanzen, wobei allerdings auch gefährlichere Stoffe als die Ausgangssubstanz gebildet werden können (metabolische Aktivierung oder Giftung). Größere Metaboliten wie Glucuronide mit einem Molekulargewicht von mehr als 500 können über die Gallenwege in den Darm gelangen, werden entweder ausgeschieden oder nach Spaltung des Glucuronids wieder resorbiert (enterohepatische Zirkulation). Aus der Leber treten die Substanzen oder ihre Metaboliten in das Blut über und verteilen sich über den großen Blutkreislauf im Organismus. Wasserlösliche Substanzen werden über die Nieren ausgeschieden, lipophile im Fett abgelagert oder in den Organen je nach Kapazität metabolisiert. Reaktive Metaboliten werden mit Organkomponenten reagieren.
Soweit bei der Aufnahme über die Lunge oder die Haut keine Metabolisierung stattfindet, gelangen inhalierte oder dermal aufgenommene Substanzen ohne den First-Pass-Effekt direkt in das Blut und werden über den Blutkreislauf verteilt, reagieren mit Organkomponenten und werden dabei je nach physiologischer Bedeutung der Interaktion inaktiviert oder aktiviert und lösen Toxizität aus. Wegen der hohen Perfusionsrate, d. h. der hohen Durchblutungsrate der Leber, gelangt ein Teil der inhalativ oder dermal aufgenommenen Substanzen in die Leber und wird dort metabolisiert.
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Dosis und Dosis-Wirkungs-Beziehung
Einsetzen und Intensität einer toxischen Wirkung sind abhängig von der Dosis, wie es schon von Paracelsus Anfang des 16. Jahrhunderts formuliert worden ist.
Die Dosis wird in der Toxikologie zumeist als Menge pro Kilogramm Körpergewicht und Tag angegeben. Man unterscheidet dabei die Menge, die zur Exposition kommt, von der tatsächlich vom Organismus aufgenommenen Menge. Je nach Expositionsweg kann Letztere sehr unterschiedlich sein, da sie von der Resorptionsrate abhängt. So wird in der Atemluft enthaltenes Cadmium zu etwa 50% aufgenommen, das in der Nahrung vorhandene zu weniger als 10%.
Ein weiterer mit der Dosis zusammenhängender Begriff ist die sog. target dose, d. h. die pro Zeiteinheit im kritischen Organ des exponierten Organismus vorhandene Menge eines Stoffes bzw. seiner toxischen Metaboliten.
Die Dosis-Wirkungs-Beziehung beschreibt die Stärke der biologischen Wirkung eines Stoffes in Abhängigkeit von der Exposition. Dem Verlauf der Dosis-Wirkungs-Beziehung entsprechend treten bei sehr niedriger Dosis keine Wirkungen auf, von einer bestimmten Dosis ab beginnen die Wirkungen, die dann dosisabhängig zunehmen und schließlich einen Maximalwert erreichen. Dies bedeutet, dass unterhalb einer bestimmten Dosis keine toxischen Wirkungen auftreten und oberhalb der Maximaldosis die Wirkungen nicht mehr zunehmen. Die Dosis knapp unterhalb der Wirkungsschwelle wird als Dosis ohne erkennbare schädliche Wirkung (engl. no observable adverse effect level, NOAEL, bei Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt bzw. engl. no observable adverse effect concentration, NOAEC, bei Exposition des Atemtraktes) bezeichnet. Dieser für eine toxikologische Bewertung eines Stoffes sehr wichtige Wert wird im Tierversuch bestimmt oder aus Erfahrungen beim Menschen abgeleitet.
Ein weiteres Verfahren ist die Ableitung der Benchmark-Dosis (BMD). Im Gegensatz zum NOAEL oder der NOAEC, die ja nur eine Konzentration der Dosis-Wirkungs-Beziehung definieren, werden zur Berechnung einer BMD mittels statistischer Verfahren alle Werte der Dosis-Wirkungs-Beziehung von einer und – soweit vorhanden – auch von mehreren Untersuchungen berücksichtigt. Damit wird eine Konzentration ermittelt, die mit einer bestimmten (meist relativ geringen) Wirkung verbunden ist, z. B. die Erhöhung des Lebergewichts um 10%, eine 10%ige Erhöhung des Krebsrisikos oder ein 10%iger Abfall des Körpergewichtes. Im Falle der 10%igen Veränderung wird diese Dosis als BMD10 bezeichnet, bei 1 oder
Abb. 3.1 S-förmiger Verlauf der Dosis-Wirkungs-Kurve. Wichtige Informationen sind die Steilheit der Kurve und der no observable adverse effect level (NOAEL) für die Ableitung eines Grenzwertes, wie weit eine zu bewertende Exposition von diesem Wert entfernt ist (aus Kapitel Einführung von H. Greim, in Das Toxikologiebuch, 978-3-527-33973-0, Wiley-VCH, 2017).
5%iger Veränderung entsprechend BMD01 bzw. BMD05. Um die Sicherheit der mathematischen Schätzung zu beschreiben, wird in der Regel ein Vertrauensbereich angegeben. Die untere Grenze dieses Vertrauensbereichs wird als BMDL (von engl. benchmark dose lower confidence limit oder lower bound) bezeichnet. Da eine Dosis-Wirkungs-Beziehung vorhanden sein muss, sind die Mindestvoraussetzungen für eine Berechnung der BMD mindestens zwei Dosierungen mit unterschiedlicher Wirkungsstärke. Ist diese Information nicht gegeben, kann bei krebserzeugender Wirkung die Ableitung der sog. TD25 empfohlen werden. TD25 bedeutet die Konzentration, bei der bei 25% der Versuchstiere Tumoren aufgetreten sind.
Der NOAEL/die NOAEC, die BMD oder die TD25 dienen als Ausgangspunkt (engl. point of departure, POD), um unter Verwendung von Sicherheitsfaktoren die tolerierbare Exposition der Allgemeinbevölkerung oder der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu bestimmen.
Die Dosis-Wirkungs-Beziehung kann unterschiedlich steil verlaufen, stellt sich aber immer in einer s-förmigen Kurve dar (Abb. 3.1). Je nach Steilheit der Kurve und dem Ausmaß der toxischen Wirkungen bei einer bestimmten Dosis kann eine Verdoppelung der Dosis unterschiedliche Folgen haben: Bei sehr flach verlaufenden Dosis-Wirkungs-Kurven kommt es bei einer Verdopplung der Dosis zu einer geringen Wirkungsverstärkung, bei einer steil verlaufenden Kurve kann sich die Wirkung mehr als verdoppeln. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass keine Wirkung bei einer 100-fachen Dosiserhöhung zu erwarten ist, wenn die Exposition 1000-fach unter der Wirkungsschwelle liegt.
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Konzentrationen in Luft, Wasser oder Nahrungsmitteln
Chemikalien, natürliche wie Pflanzeninhaltsstoffe oder industriell hergestellte, sind in unterschiedlichen Konzentrationen in unserer Umwelt vorhanden. Ihr Nachweis ist oft nur eine Frage der Empfindlichkeit der Analytik. Grundvoraussetzung ist die Kenntnis der Konzentration in den verschiedenen Kompartimenten wie Nahrung oder Atemluft. Weiterhin sind Informationen zur Häufigkeit der Exposition und ihrer jeweiligen Dauer erforderlich. Am einfachsten ist eine Abschätzung der Exposition am Arbeitsplatz, wenn sowohl Expositionshöhe, Dauer (8 Stunden pro Tag, 40 Stunden pro Woche bei 40 Arbeitsjahren) und Expositionsweg (inhalativ und dermal) bekannt sind bzw. leicht ermittelt werden können. Schwieriger ist die Expositionsabschätzung für die Bevölkerung, mit ihren möglicherweise empfindlicheren Untergruppen wie Kindern oder Schwangeren, die oral über die Nahrung, dermal oder inhalativ in Innenräumen oder in der Außenluft und über unterschiedliche Zeiträume exponiert sein können. Zumeist liegen nur Informationen zur Konzentration der Substanzen in der Luft, in einzelnen Nahrungsmitteln oder im Trinkwasser vor, anhand derer dann die Exposition unter Berücksichtigung der eingeatmeten