Kaiser und Galiläer. Henrik IbsenЧитать онлайн книгу.
der mit seinem eigenen, schon geöffneten Briefe gekommen ist. Ja, von Makrina. Sie sendet düstere und seltsame Kunde.
Julian. Welche? Welche?
Basilios. Zuerst über Deinen erlauchten Bruder Gallos: er führt streng Regiment in Antiochia.
Julian. Ja, Gallos ist hart. Schreibt Makrina »streng Regiment«?
Basilios sieht ihn an. Makrina schreibt: »blutig« –
Julian. Ich dachte es wohl! Warum gab auch der Kaiser ihm diese ruchlose Witwe, diese Konstantina, zur Frau!
Gregor lesend. O, welch unerhörte Schmach!
Julian. Was gibt es, Freund?
Gregor zu Basilios. Sagt Makrina nichts von den Vorgängen in Antiochia?
Basilios. Nichts Näheres. – Was ist das? Du bist bleich –
Gregor. Du hast doch den edlen Klematios gekannt, den Alexandriner?
Basilios. Jawohl – was ist mit ihm?
Gregor. Er ist ermordet, Basilios!
Basilios. Was sagst Du! Ermordet!
Gregor. Ich nenne das ermordet – sie haben ihn hingerichtet ohne Gesetz und Urteil.
Julian. Wer? Wer hat ihn hingerichtet?
Gregor. Ja, wer? Wie kann ich sagen, wer? Meine Mutter erzählt die Sache so: des Klematios Schwiegermutter war in unreiner Liebe entbrannt zu ihrer Tochter Mann; aber da mit ihm nichts anzufangen war, so verschaffte sie sich durch eine Hintertür Zugang zum Schlosse –
Julian. Zu welchem Schlosse?
Gregor. Meine Mutter schreibt nur: »zum Schlosse«.
Julian. Nun? Und da?
Gregor. Man weiß nur, daß sie dort einem vornehmen und mächtigen Weibe einen sehr kostbaren Schmuck geschenkt hat, um ein Todesurteil zu erwirken –
Julian. Aber sie erlangten es nicht!
Gregor. Sie erlangten es, Julian!
Julian. Jesus!
Basilios. Entsetzlich! Und Klematios –?
Gregor. Das Todesurteil ward dem Statthalter Honoratos übersandt. Der schwache Mann wagte nicht, sich so hohem Befehl zu widersetzen. Klematios ward ins Gefängnis geworfen und in der Frühe des nächsten Morgens hingerichtet, ohne, wie meine Mutter schreibt, den Mund zu seiner Verteidigung öffnen zu dürfen.
Julian leise und bleich. Verbrennt diese gefährlichen Briefe! Sie können uns alle ins Unglück stürzen.
Basilios. So offenbare Gewalt mitten in einer großen Stadt! Wo sind wir, – wo sind wir?
Julian. Du kannst wohl fragen: wo sind wir! Ein christlicher Mörder, eine christliche Buhlerin, ein christlicher –
Gregor. Klagen bessern nichts an dieser Sache. Was gedenkst Du zu tun?
Julian. Ich? Ich will nicht mehr nach Eleusis – ich will allen Verkehr mit den Heiden abbrechen und Gott dem Herrn danken, daß er die Versuchung der Macht von mir genommen hat.
Gregor. Gut – und dann?
Julian. Ich verstehe Dich nicht –
Gregor. So höre. Du darfst nicht glauben, daß es bei der Ermordung des Klematios sein Bewenden haben wird. Diese unerhörte Schandtat ist wie eine Pest über Antiochia hereingebrochen. Alle Greuel wachen auf und kriechen hervor aus ihren Schlupfwinkeln. Meine Mutter schreibt, es wäre, als hätte ein stinkender Abgrund sich aufgetan. Frauen verraten ihre Männer, Söhne verraten ihre Väter, Priester verraten Glieder ihrer eigenen Gemeinde –
Julian. Es wird noch weiter um sich greifen. Die Niedertracht wird uns alle verderben. – O, Gregor, könnte ich fliehen bis an die Grenzen der Erde –!
Gregor. Dein Platz ist auf der Erde Nabel, Prinz Julian!
Julian. Was verlangst Du?
Gregor. Du bist der Bruder dieses blutrünstigen Cäsar. Tritt vor ihn hin, – er nennt sich ja einen Christen. Schleudere ihm seine Tat ins Angesicht, schmettere ihn hinab in Schrecken und Reue –
Julian zurückweichend. Wahnwitziger, was denkst Du?
Gregor. Hast Du Deinen Bruder lieb? Willst Du ihn erlösen?
Julian. Ich hatte ihn über alles lieb.
Gregor. Du hattest –?
Julian. Solange er nur mein Bruder war. Aber jetzt –. Ist er nicht Cäsar? Gregor, – Basilios – Ihr teuren Freunde, ich zittere für mein Leben, ich atme in Furcht vor Cäsar Gallos. Und ich sollte mich unterfangen, ihm unter die Augen zu treten, ich, dessen bloßes Dasein eine Gefahr für ihn ist!
Gregor. Warum bist Du nach Athen gekommen? Du ließest prahlerisch durch die Länder verkünden: Prinz Julian verläßt Konstantinopel, um wider die falsche Weisheit zu kämpfen, um der christlichen Wahrheit wider die heidnische Lüge zum Siege zu verhelfen. Was hast Du geleistet?
Julian. O, nicht hier sollte die Schlacht geschlagen werden.
Gregor. Nein, nicht hier; – nicht mit Phrase wider Phrase, nicht mit Buch wider Buch, nicht mit spielerischem Wortgefecht im Lehrsaal! Nein, Julian, draußen im Leben, da sollst Du hervortreten – das Leben in den Händen –
Julian. Ich sehe es – ich sehe es!
Gregor. Ja, wie Libanios es sieht. Ihn hast Du verspottet: er kenne aller Tugenden Wesen und Kennzeichen, aber die Lehre sei ihm eben nur Lehre. Wieviel von dem Deinen gehört Gott? Wieviel darf der Kaiser fordern?
Julian. Du hast selbst gesagt, es wäre Verhöhnung –
Gregor. Wessen? Gottes oder des Kaisers?
Julian schnell. Nun denn, – wollen wir zusammen gehen?
Gregor abweisend. Ich habe meinen kleinen Kreis – ich habe meine Sippe zu beschützen. Weiter geht weder meine Macht noch meine Fähigkeit.
Julian will antworten, horcht plötzlich nach rechts hin und ruft: Zum Bacchanal!
Basilios. Julian!
Julian. Zum Bacchanal, Ihr Freunde!
Gregor sieht ihn einen Augenblick an; dann entfernt er sich durch den Säulengang links. Große Scharen von Hochschülern stürmen mit den neuen Ankömmlingen unter Lärm und Geschrei auf den Markt.
Basilios näher. Julian, willst Du mich hören?
Julian. Sieh da, sieh da! Sie haben ihre neuen Freunde ins Bad geführt, ihnen das Haar gesalbt. Sieh, wie sie ihre Knüppel schwingen, wie sie heulen und das Pflaster stampfen. Was sagst Du, Perikles? Ich meine, Deinen zornigen Schatten zu gewahren –
Basilios. Komm, komm!
Julian. Schau, da haben sie einen Nackten unter sich! Da kommen Tänzerinnen! Siehst Du, wie –!
Basilios. Pfui, pfui! Wende Dein Auge ab!