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Damals bei uns daheim. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Damals bei uns daheim - Ханс Фаллада


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ich nun mit einer guten Zensur nach Hause kam, wenn ich beim Zahnarzt mutig gewesen war, wenn ich eine Woche lang meinen Lebertran ohne erhebliche Revolte genommen hatte, bei all solchen lobenswerten Anlässen überreichte mir mein Vater ein volleres oder leereres Blatt seiner Briefmarkensammlung. Erlaubte es ihm seine Zeit, erzählte er mir auch einiges, wie und wo er einzelne Marken »ergattert« hatte (es war sein Stolz, daß er nie einen Pfennig dafür ausgegeben hatte). Oder er berichtete mir auch von den Ländern, aus denen sie kamen, nahm Reisebeschreibungen aus seiner Bücherei und suchte so ein Band zwischen mir und den Marken zu knüpfen.

      Zu Anfang schien ihm dies auch zu gelingen. Da er aus Vorsicht mit den weniger wertvollen Marken, späteren Erwerbungen durch Tausch, anfing, so sah ich mit Vergnügen die bunt bebilderten Marken Südamerikas an: mit Vögeln, Landkarten, Palmen, Affen, Städteansichten. Ab und zu wagte ich sogar ein oder zwei Groschen meines Taschengeldes daran und ergänzte einen »Satz«. Dann lobte Vater mich.

      Aber je höher wir mit der Zeit im Werte kamen, um so mehr langweilten mich die gezähnten und ungezähnten Papierstückchen. Zahlen, immer nur Zahlen standen darauf, und die leuchtenden Farben wurden immer stumpfer, gingen immer mehr ins Gräuliche und Bräunliche über. Sie langweilten mich, ich fand es je länger je mehr höchst betrübend, daß ich statt eines Talers für eine gute Zensur immer nur diese langweiligen Blättchen erhielt. Ich sah sie kaum noch an. Wenn ich mein artiges Danke schön, in dem doch schon Enttäuschung mitschwang, gesagt hatte, stopfte ich das Blatt achtlos zu den andern in eine Kommodenschieblade.

      Ganz entgangen ist meinem Vater dieser Stimmungsumschwung wohl nicht. Eindringlicher als sonst suchte er mir begreiflich zu machen, wie kunstvoll diese kleinen Blättchen ausgeführt waren, wie sauber in Zeichnung und Stich. Und als dies nicht verfangen wollte, wies er auch – wenn schon widerstrebend, denn so etwas lag ihm gar nicht – auf den hohen Wert mancher Stücke hin, um meine Besitzerfreude anzustacheln.

      Aber es half alles nichts. Heimlich grollte ich weiter mit Vater. Wie viele Wünsche hätte ich mir mit einem Taler erfüllen können! Ich törichter Tropf kam gar nicht auf den Gedanken, daß ich mir durch den Verkauf einer einzigen Marke die Wünsche eines Viertel-, eines halben Jahres hätte erfüllen können. Ich machte meine Dummheiten, wie auch später im Leben, unbegreiflich gründlich.

      Da war nun mein Freund Hans Fötsch, und Fötsch war ein echter Sammler. Er sammelte sowohl Brief- wie Siegelmarken, wie Stollwerck-, wie Liebigbilder. Von diesem allen schienen mir die Liebigbilder am begehrenswertesten. Einmal waren sie selten, denn jedem so lange reichenden Fleischextrakttöpfchen lag nur ein Bild bei. Zum andern zeigten sie Szenen aus den Pampas, mit Toros, Haziendas, Gauchos, Lassos, Indios – alles Dinge, die meine Phantasie entzündeten. Viele hundert dieser Bilder hatte Hans Fötsch zusammengebracht, manche waren noch frisch wie aus der Presse, andere trugen die lebhaftesten Spuren von vielen schmierigen Jungenshänden, durch die sie gegangen waren, und dies schien sie mir noch begehrenswerter zu machen. Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden der Versucher war, aber eines Tages war das Geschäft gemacht: ich war der Besitzer eines dicken Stapels von Liebigbildern, meine Briefmarken aber waren sämtlich zu Hans Fötsch hinübergewechselt. Ganz wohl ist uns beiden bei diesem Tausch nicht gewesen. Wir schwuren uns strengste Geheimhaltung, und in der ersten Zeit verbarg ich auch meinen Bilderschatz ängstlich vor den Augen von Geschwistern und Eltern.

      Aber ein Kind vergißt rasch, und so war der Tag nicht fern, da mich meine Mutter über meinen Bildern antraf.

      »Wo hast du denn die alle her, Junge?« fragte sie, erst noch harmlos erstaunt.

      »Och –!« sagte ich. »Sind sie nicht großartig? Kuck mal, Mutter, das ist 'ne Kaffeeplantage! Hast du gewußt, daß der Kaffee auf so kleinen Bäumen wächst?«

      Aber meine Mutter kannte ihre Pappenheimer. Grade daß ich so harmlos tat, machte mich ihr verdächtig.

      »Hübsch!« sagte sie. »Und von wem hast du all die Bilder? Es müssen doch ein paar hundert sein.«

      »Fünfhundertdreißig!« sagte ich stolz.

      »Und wer hat sie dir gegeben?«

      »Och –!« sagte ich wieder. »So Jungens ...«

      »Was für Jungens?« fragte sie erbarmungslos weiter. »Wie heißen sie?«

      Wieder nur: »Och!« Und schließlich: »So Schuljungens ...«

      Jetzt war meine Mutter fest davon überzeugt, daß etwas Verbotenes hinter der Sache steckte.

      »Hans!« sagte sie fast aufgeregt, »da stimmt was nicht. Ich will die Namen von den Jungens wissen!« Und als ich noch immer zögerte: »Wenn du sie mir nicht sagst, gehen wir zusammen zu Vater! Vater wirst du sie schon sagen!«

      Diese Drohung erschreckte mich sehr, denn ich gedachte der fehlenden Briefmarken. Ich bequemte mich also zu dem Geständnis, daß Hans Fötsch der Geber gewesen sei.

      Meine Mutter atmete ein wenig auf. »Gottlob, der Hans Fötsch!« sagte sie. Dann nachdenklich: »Und was hast du Hans Fötsch dafür gegeben? Hans ist ein guter Junge, aber er schenkt nicht gerne was weg.«

      »Er hat sie mir doch so gegeben, Mutter!«

      »Du schwindelst, Hans, ich sehe es dir ja an!«

      »Wirklich und wahrhaftig, Mutter!« versicherte ich und versuchte, nach dem Spiegel zu schielen, ob ich tatsächlich rot geworden war.

      »Nein, du lügst, Hans«, sagte meine Mutter, ihrer Sache jetzt ganz sicher. »Und wenn da mir die Wahrheit nicht sagen willst, müssen wir doch zu Vater gehen.«

      Nun versuchte ich, mich aufs Bitten zu legen. Ich wollte Mutter alles sagen, nur sollte sie mir versprechen, Vater nichts davon zu erzählen.

      Aber Mutter ließ sich auf nichts ein. »Du weißt, ich habe nie Heimlichkeiten vor Vater. Und wenn es etwas Verbotenes ist, muß Vater es erst recht erfahren. Komm, Junge, wir gehen gleich zu Vater. Du weißt, Vater ist nie schlimm, wenn ihr offen und ehrlich gesteht, was ihr falsch gemacht habt. Nur Lügen haßt er ...«

      Aber ich zog es vor, erst einmal Mutter meine Schandtat zu gestehen. Ich wollte sehen, wie sie auf sie wirkte. Mutter war so erschrocken, daß sie sich glatt hinsetzte.

      »Junge, Junge!« rief sie ganz ängstlich. »Wie konntest du das nur tun! Papas schöne, kostbare Briefmarkensammlung, auf die er so stolz ist! Für die dummen schmutzigen Bilder weggegeben! Ich weiß gar nicht, wie ich das Vater erzählen soll – er wird sehr traurig werden, Hans! Achtest du denn gar nicht, was Vater dir geschenkt hat –?!«

      Ich bemühte mich, Tränen in den Augen, Mutter zu versichern, daß ich Vaters Geschenke sehr wohl schätze, daß ich aber Liebigbilder hübscher fände ...

      »Ach, Hans, wie dumm du bist!« rief Mutter. »Für ein Zehntel der Briefmarken hättest du dir Tausende und Tausende von solchen Bildern kaufen können! Dein Freund hat dich bei dem Tausch richtig reingelegt, ich finde das aber gar nicht hübsch von Hans Fötsch!«

      Mutter dachte nach. Ich wartete angstvoll darauf, daß sie mit dem theoretischen Teil, nämlich mit den Vorwürfen, fertig sei und zu dem praktischen übergehen würde, nämlich ob sie es Vater sagen würde oder nicht. Aber Mutter fand eine andere, noch schlimmere Lösung. »Weißt du was, Junge«, sagte sie ganz eifrig. »Nimm die Bilder und lauf gleich zu Hans Fötsch hinüber. Du kannst ihm ja meinetwegen sagen, deine Mutter erlaubt den Tausch nicht.«

      »Aber Mutter!« rief ich erschrocken. »Das kann ich doch nicht! Ich hab ihm doch mein großes Ehrenwort gegeben, euch nichts davon zu erzählen. Wie stände ich denn da vor ihm –?!!«

      Doch hielt meine Mutter von großen Ehrenwörtern nicht viel. »Ach, Unsinn, ihr mit euern Ehrenwörtern!« rief sie ärgerlich. »Ihr seid doch bloß Jungens, und du bist ein Junge, der tüchtig reingelegt worden ist! Gib deinem Herzen einen Stoß, Hans, und laufe zu Fötsch hinüber!«

      »Er gibt mir die Marken bestimmt nicht wieder, Mutter.«

      »Er muß es ja tun. Er wird ganz genau wissen, daß er dich reingelegt hat. Er hat auch Angst, daß


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