Mann meiner Träume. Nicole KnoblauchЧитать онлайн книгу.
„Indem du am Strand spazieren gehst?“ Ich zwinkerte ihm zu.
„Nun, ich ...“ Er lächelte verlegen. „Ehrlich gesagt, ja.“
„Ich langweile mich auch immer ganz entsetzlich im Gottesdienst.“
Jetzt zwinkerte er mir zu. „Lass das unser Geheimnis bleiben. Für meine Familie habe ich wichtige Erledigungen zu machen, die unsere Besitztümer betreffen.“ Er reichte mir seinen Arm und grinste übers ganze Gesicht. „Ich zeige dir das Haus Buonaparte!“
Nach wenigen Metern erreichten wir die Uferstraße. Ich schlüpfte in meine Schuhe, doch Napoleone ging einfach weiter, als hätten wir den Strand nicht verlassen.
„Bist du so zum Strand gelaufen?“ Mich wunderte, dass er weder Jacke, noch Schuhe trug.
„Ich dachte nicht, dass mich jemand sieht.“ Er hielt an und nahm mir das Kopftuch aus der Hand. „Das solltest du tragen.“ Geschickt wand er den Stoff und knotete ihn im Nacken. Seine Fingerspitzen berührten wie zufällig meine Schulter und ein warmes Kribbeln durchlief mich. „Jetzt kannst du dich in der Stadt sehen lassen.“
Das Haus lag nicht weit vom Strand entfernt und keine Menschenseele befand sich auf den Straßen. Dieser Teil der Stadt sah völlig anders aus als Auxonne. Die Häuser waren größer, in gutem Zustand und zwischen ihnen standen stämmige Palmen. Einige hatten kleine, liebevoll angelegte Vorgärten.
Als hätte er meine Gedanken gelesen sagte er: „Etwas ganz anderes als Frankreich, nicht wahr?“
Ich nickte. „Ich staune über den Platz, den ihr hier habt.“
„Oh, da gibt es auch andere Gegenden. Aber du hast recht. Hier im Viertel kann man es sich leisten.“
Seine Betonung des Wortes 'man' ließ mich aufhorchen. Seit dem Tod seines Vaters litt die Familie unter Geldproblemen.
„Und hier ist es! Das Haus Buonaparte.“
Ich musste einen kleinen Aufschrei unterdrücken, den im Wesentlichen sah das Haus genauso aus, wie heute. Fast quadratisch erhoben sich die drei Stockwerke mit dem flachen Dach. An einigen Stellen bröckelte der gelbe Putz von den Wänden, was ihm einen gewissen Charme verlieh. Im Gegensatz zu heute gab es keine direkten Nachbarn und so sah es aus, als läge das Haus in einem kleinen Park. „Es ist wunderschön!“
„Meinst du?“, fragte er skeptisch. „Es müssten einige Renovierungsarbeiten durchgeführt werden, für die uns das Geld fehlt. Aber es bietet ein Dach über dem Kopf.“
Wir traten in den weiträumigen Flur. Rote, achteckige Fliesen auf dem Boden, gelb getünchte Wände und weiße Türrahmen: Genau so hatte ich es mir vorgestellt.
Er führte mich in einen eleganten Wohnraum. Vergoldete Möbel, ein Kristallleuchter und ein Marmorkamin zeugten von dem ehemaligen Reichtum der Familie. Bücherregale bedeckten jedes Fitzelchen freie Wand.
„Sieh dich um. Ich werde mich schnell umziehen und dann warten wir auf meine Familie.“ Seine Hand strich sanft über meinen Arm. Die Berührung hinterließ eine leichte Gänsehaut. Mit einem Lächeln registrierte er meine Reaktion und verließ das Zimmer.
Die Bücherregale zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ablenkung war gut! Hier fanden sich alle großen Denker der letzten 2000 Jahre: Homer, Platon, Machiavelli, Voltaire und viele mehr. Das musste die Sammlung seines Vaters sein. Carlo Buaonaparte hatte großen Wert auf Bildung gelegt und dieses Wissen an seine Kinder weitergeben wollen.
Ich griff nach einem Band der Ilias und stellte gerade enttäuscht fest, dass nur der Einband in lateinischer Schrift war, als ich draußen Schritte hörte. Viele Schritte und das muntere Geplapper von Kindern.
Nervös blickte ich zur Tür. Wo blieb Napoleone? Hoffentlich kam er, bevor man mich hier entdeckte.
Zu spät. Die Tür ging auf und ich sah mich einem etwa zehnjährigen Mädchen gegenüber.
Ihr Blick wanderte von mir zu dem Buch in meiner Hand und dann im Zimmer umher. Sie sagte etwas, doch ich verstand die Sprache nicht. Sie wiederholte es, und als ich wieder nicht antwortete, lehnte sie sich in den Flur hinaus und schrie: „Mama!“
Oh, oh, nicht gut! Wo blieb Napoleone? Was sollte ich seiner Mutter sagen, wenn sie gleich in der Tür auftauchte?
Das kleine Mädchen musterte mich mit offensichtlichem Interesse und kam vorsichtig näher.
Wieder sagte sie etwas in der fremdem Sprache.
„Ich kann dich nicht verstehen“, versuchte ich zu erklären.
Ihre Brauen hoben sich und sie antwortete in gebrochenen Französisch: „Sie sind keine Korsin?“
Ich blieb eine Antwort schuldig, denn Letitia Buonaparte erschien in der Tür. An ihrer Identität bestand nicht der geringste Zweifel. Napoleone war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Von ihr hatte er den schmalen, feingliedrigen Körperbau und die Form seiner Lippen. Auch die Fähigkeit, Gefühle hauptsächlich über die Augen auszudrücken, kamen von dieser Frau.
Ich erstarrte unter ihrem Blick. 'Lass dich nicht unterkriegen, Marie', meldete sich mein Kampfgeist. Du hast nichts getan. Napoleone hat dich in dieses Haus eingeladen. Trotzig straffte ich die Schultern und versuchte, sie auf die gleiche Weise herausfordernd anzustarren.
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen und sie zischte etwas in meine Richtung. Da ich sie nicht verstand, antwortete ich nicht. Jetzt wäre es langsam an der Zeit, dass Napoleone auftauchen könnte.
„Das, liebe Mama, ist Marie Seurant“, hörte ich endlich seine Stimme.
Ihr Kopf ruckte herum und sie sagte etwas zu ihm. Es klang nicht freundlich.
„Ich habe sie eingeladen!“ Seine ruhige Stimme nahm mir ein wenig Anspannung. Mit drei großen Schritten stand er neben mir.
„Marie, darf ich dir meine Mutter vorstellen? Und das ist meine Schwester ...“ Suchend blickte er sich um, doch sie war verschwunden. „Du wirst sie später mit den anderen kennenlernen.“
Meine Lust, Signora Buonaparte kennenzulernen, hielt sich in Grenzen. Ihre zusammengekniffenen Lippen und die verschränkten Arme machten es auch nicht besser. Sollte ich sie begrüßen? Konnte sie mich verstehen? Sprach sie überhaupt Französisch?
Napoleone nahm mir die Entscheidung ab. „Warte einen Moment“, flüsterte er und trat wieder zu seiner Mutter.
In schnellem korsisch (dafür hielt ich die Sprache), redete er auf sie ein. Sie starrte stur in eine andere Richtung und schnaubte hin und wieder. Einmal sagte sie etwas, was Napoleone kurz erstarren ließ.
Bei seinem letzten Satz kniff sie die Lippen zusammen. Energisch öffnete sie die Arme und stellte eine Frage. Die Kälte in ihrer Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.
Napoleone setzte ein bezauberndes Lächeln auf und antwortete: „Si!“
Mit einem neuerlichen Schnauben wandte sie sich ab und ließ uns alleine. Breit grinsend wandte er sich an mich.
„Mama heißt dich in diesem Haus willkommen!“
Aha? Hatte er die letzten Minuten in einem Paralleluniversum verbracht? Für mich hatte das anders ausgesehen.
Sein Blick ruhte auf mir und er begann zu glucksen. „Sie hat dich nicht hinausgeworfen, oder?“
„Weil du es ihr verboten hast, nehme ich an.“
„Nein! Ich habe ihr lediglich die Sachlage erklärt.“
„Und die wäre?“
„Das ist sie?“ Die freche Stimme kam von der Tür. Es war das Mädchen von vorhin. Freudestrahlend hob Napoleone sie hoch und drückte sie kurz an sich. „Ja, das ist sie!“
Sobald das Mädchen wieder stand, musterte sie mich neugierig. Sie sagte etwas auf korsisch und grinste Napoleone an.
Er verzog