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#2 MondZauber: VERSUCHUNG. Mari MärzЧитать онлайн книгу.

#2 MondZauber: VERSUCHUNG - Mari März


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      Sie rannte. Aus dem Dorf. Die Straße entlang. Wo zum Teufel war der Wald? Warum gab es auf dieser beschissenen Insel so viele grüne Wiesen und so verdammt wenig Bäume? Der Luchs würde jede Sekunde aus ihr herausbrechen, das spürte Lyra so deutlich, als hätte sie sich schon tausend Mal verwandelt. Deshalb beschleunigte sie ihre Schritte und versuchte, sich daran zu erinnern, in welcher Richtung die Höhle der Beanna zu finden war. Eine Krähe flog über ihr und stieß einen lauten Schrei aus.

      Endlich sah Lyra den riesigen Apfelbaum. Als sie die reifen Früchte in dessen Krone erkennen konnte, brach der Luchs aus ihr hervor. In seinem Schatten lagen eine zerrissene Shorts und das T-Shirt, welches sich Lyra im Laufen noch abstreifen konnte, bevor sie sprang. Einen Wimpernschlag später saß sie auf einem dicken Ast etwa drei Meter über der Wiese, die sich wie ein grünes Meer unter dem Apfelbaum ausbreitete. In Sicherheit!, zuckte es durch ihren Geist. Die Krähe ließ sich neben ihr nieder. Wortlos erkannte der Luchs, was die Beanna dachte: Gut gemacht! Es besteht Hoffnung.

      Das Herz der Katze schlug nun regelmäßig. Die gelben Augen erkundeten scheinwerfergleich die nähere Umgebung. Der Luchs witterte keine Gefahr. Also ließ er sich auf dem Ast nieder und schlief ein.

      * * *

      Als Lyra erwachte, hatte die Sonne ihren Zenit längst erreicht. Es musste bereits Nachmittag sein. Sie hatte offensichtlich mehrere Stunden auf diesem Ast geschlafen und fühlte sich so ausgeruht wie lange nicht. Der Wechsel der Gestalt hatte in jedem Fall etwas Positives: Als Tier musste sie nicht denken wie ein Mensch. Angst, Wut, Prophezeiungen … all das konnte sie im Körper eines Luchses komplett ausblenden. Das war großartig, änderte jedoch nichts an ihrem Problem. Die Eindrücke des Morgens strömten nun wieder auf sie ein. Und noch etwas anderes machte ihr Sorgen: Wie zum Henker komme ich von diesem Ast runter?

      Dann erinnerte sie sich daran, wie sie vor einigen Wochen direkt zum Fenster ihres Zimmers hinaufgesprungen war. Was in die eine Richtung funktioniert, sollte doch bestimmt auch …

      Federleicht wie eine Katze landete sie auf ihren Füßen. Dann sah sie die zerrissene Shorts unter dem Apfelbaum und zog sich das T-Shirt über. Zumindest das war heil geblieben. Und es war zum Glück so großzügig geschnitten, dass es ihr zumindest bis über den Hintern reichte. An diesem Klamottendingens musste sie dringend arbeiten, wenn sie nicht permanent halb nackt durch die Gegend marschieren wollte. Wenigstens das stimmte mit den zahlreichen Fantasy-Büchern überein, die sie noch vor Kurzem so sehnsüchtig verschlungen hatte.

      Grinsend marschierte Lyra zurück ins Dorf. Sie musste unbedingt mit Miranda sprechen und fragen, was sie von diesem Prophezeiungsmist hielt. Lösungen waren jetzt gefragt. Heulen konnte sie dann immer noch. Und vielleicht war alles auch gar nicht so dramatisch, wie es die Druidin dargestellt hatte. Die Alte hatte vielleicht auch einfach nicht alle Nadeln an der Tanne.

      »Hallo! Alles gut?« Eigentlich hatte Lyra vorgehabt, direkt zum Gästehaus zu gehen, in dem sie und Miranda untergebracht waren. Nun stand dieser wunderschöne junge Mann vor ihr. Ian. Wie lange war es her, dass sie ihr Serienidol von Vampire Diaries auf der übergroßen Mattscheibe in ihrem Elternhaus angeschmachtet hatte? Alles Bullshit! Ian Somerhalder war immer noch so weit entfernt wie die Sonne vom Mond. Und ihr Elternhaus mittlerweile auch. Dafür kam Ian ihr jetzt immer näher. Real und schön. Wo Schatten war, gab es eben auch Licht.

      »Du siehst ja schon wieder aus wie ein gerupftes Huhn. Zum Glück hast du genügend Zeit, in den nächsten Wochen die Verwandlung zu perfektionieren. Ich habe gehört, du bleibst uns noch eine Weile erhalten?«

      Die Gerüchteküche funktionierte scheinbar überall auf der Welt gleich. Es war egal, ob in einer Kleinstadt in Brandenburg oder eben in einem wölfischen Village in Irland. Informationen verbreiteten sich in Windeseile. Die Frage war nur: Wie viel wusste Ian tatsächlich? Hatte der Alpha ihm alles erzählt? Auch das von der dunklen Seite?

      »Was hat dein Vater gesagt?«, fragte sie deshalb ganz unverblümt.

      »Hast du Hunger?« Das war nicht unbedingt die Antwort auf ihre Frage, allerdings begann just in diesem Augenblick ihr Magen laut zu knurren. Ian nickte anerkennend und lächelte sein wunderschönes Ian-Lächeln. Peinlich berührt stellte Lyra fest, dass sie keine Hose trug. Nervös zupfte sie am Saum ihres Shirts und überspielte ihre Unsicherheit mit einer gewissen Stringenz in ihrer Stimme, als sie ihre Frage wiederholte: »Was hat dein Vater gesagt?«

      »Ich mache dir einen Vorschlag. Lass uns zum Strand gehen, dort wird dein Hunger gestillt werden. Sowohl der in deinem Magen als auch der in deinem Kopf. Einverstanden?«

      Lyra dachte an ihr Vorhaben, Miranda nach ihrer Meinung über die Prophezeiung zu fragen. Aber das konnte sie auch noch später tun. Das Kribbeln in ihrem Bauch überzeugte Lyra, als Ian ihre Hand nahm.

      * * *

      Nachdem sie die grünen Weiten und eine störrische Kuhherde hinter sich gelassen hatten, lag das Meer vor ihnen. Nur ein mildes Lüftchen wehte, sodass die Wellen seicht ans Ufer plätscherten. Auch wenn hier im Süden Irlands nicht viel von den Gezeiten zu spüren war, hatte es für Lyra dennoch den Anschein, als würde der Ozean gerade eine Pause einlegen und sich während der Ebbe ausruhen. Es war traumhaft. Die Sonne tauchte die spärlichen Wolken am Himmel bereits in ein dezentes Orange. Kein Wunder, dass sie Hunger hatte. Ihre letzte Mahlzeit war ein Hase gewesen. Heute Nacht würde sie sich an einem Reh versuchen. Hoffentlich gab es hier überhaupt Wild in dieser Größe.

      Für den menschlichen Appetit hatte Ian am Strand etwas vorbereitet. Lyra staunte nicht schlecht, als sie einen Picknickkorb und die passende Decke entdeckte. Hungrig vergaß sie ihre gute Erziehung und klappte den Deckel beiseite. Der Geruch von gebratenem Geflügel stieg ihr in die Nase.

      »Mmh, lecker!«

      Ohne weitere Förmlichkeiten zu verlieren, machte sie sich über das Essen her. Mit einem Hähnchenflügel im Mund fand sie Weintrauben, Äpfel und eine Flasche Cidre.

      »Dich schickt doch wieder mal der Himmel«, stellte sie schmatzend fest und nagte genüsslich den Hühnerknochen ab.

      Ian grinste und ließ sich auf die Decke fallen. »Ich weiß aus Erfahrung, dass eine Verwandlung immer hungrig macht. Vor allem dann, wenn das letzte Essen nur aus einem Hasen bestand.«

      »Woher weißt du das? Seid ihr Iren allesamt Klatschtanten?« Gierig schnappte sie sich ein weiteres Stück Fleisch und setzte sich neben den jungen Wolf.

      »Auf unserer Insel gibt es nicht viel zu erleben. Wir Iren arbeiten hart für unser Geld, gehen in die Kirche und starren in unserer Freizeit stundenlang aufs Meer. Und damit wir vor lauter Langeweile nicht sterben, trinken wir Whiskey.«

      Lyra schaute ihn fragend an. »Meinst du das ernst?«

      »Nein. Das sind Klischees, die die Welt von uns Iren hat. Na ja, obwohl … das meiste davon stimmt sogar. Was unseren Clan anbelangt, leben wir schon so lange, dass wir mit der Kirche nicht viel anfangen können. Wir Wölfe existieren weit länger als Kruzifixe und Dornenkronen. Nach der letzten Eiszeit hat es uns hierher verschlagen, als die irische See entstand und unsere Insel vom Festland trennte. Damals lebten hier noch keine Menschen, nur das magische Volk. Erst sechstausend Jahre später entstanden die ersten Siedlungen, dann kamen irgendwann die Wikinger, später die Mönche, dann die Engländer. In dieser Zeit sammelte sich so einiges an, was uns die harte Arbeit ersparte. Allerdings holzten die Siedler fast die komplette Insel ab. Unser natürlicher Lebensraum war bedroht, weshalb wir in den vergangenen hundert Jahren dafür sorgten, dass wenigstens hier ein neuer Wald entstand. Auch starren wir Wölfe nicht stundenlang aufs Meer, wenngleich es diesen Zeitvertreib bei uns ebenfalls gibt. Und der Whiskey? Ja, davon fließt hier reichlich. Denn die gute Nachricht ist, dass wir das Zeug fast endlos in uns hineinkippen können, ohne betrunken zu werden. Unsere Regenerationskräfte verhindern einen Leberschaden, was an sich schon einer der großen Vorzüge des Lebens als Gestaltwandler ist.« Ian holte eine Flasche aus dem Picknickkorb. »Hast du schon mal Cidre getrunken?«

      »Nee. Weder den noch Whiskey. Aber ich habe so den leisen


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