Die Elixiere des Teufels. E.T.A. HoffmannЧитать онлайн книгу.
in tiefe Gedanken
versunken, saß ich im Beichtstuhl; nur die Tritte des dienenden Laienbruders, der die Kirche reinigte, hallten durch das Gewölbe.
Da rauschte es in meiner Nähe, und ich erblickte ein großes schlankes Frauenzimmer, auf fremdartige Weise gekleidet, einen
Schleier über das Gesicht gehängt, die, durch die Seitenpforte hereingetreten, sich mir nahte, um zu beichten. Sie bewegte sich
mit unbeschreiblicher Anmut, sie kniete nieder, ein tiefer Seufzer entfloh ihrer Brust, ich fühlte ihren glühenden Atem, es war, als
umstricke mich ein betäubender Zauber, noch ehe sie sprach! – Wie vermag ich den ganz eignen, ins Innerste dringenden Ton
ihrer Stimme zu beschreiben. – Jedes ihrer Worte griff in meine Brust, als sie bekannte, wie sie eine verbotene Liebe hege, die
sie schon seit langer Zeit vergebens bekämpfe, und daß diese Liebe um so sündlicher sei, als den Geliebten heilige Bande auf
ewig fesselten; aber im Wahnsinn hoffnungsloser Verzweiflung habe sie diesen Banden schon geflucht. – Sie stockte – mit einem
Tränenstrom, der die Worte beinahe erstickte, brach sie los: »Du selbst – du selbst, Medardus, bist es, den ich so
unaussprechlich liebe!« – Wie im tötenden Krampf zuckten alle meine Nerven, ich war außer mir selbst, ein nie gekanntes Gefühl
zerriß meine Brust, sie sehen, sie an mich drücken – vergehen vor Wonne und Qual, eine Minute dieser Seligkeit für ewige Marter
der Hölle! – Sie schwieg, aber ich hörte sie tief atmen. – In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich mich gewaltsam zusammen,
was ich gesprochen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm wahr, daß sie schweigend aufstand und sich entfernte, während ich das
Tuch fest vor die Augen drückte und wie erstarrt, bewußtlos im Beichtstuhle sitzen blieb. –
Zum Glück kam niemand mehr in die Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine Zelle entweichen. Wie so ganz anders
erschien mir jetzt alles, wie töricht, wie schal mein ganzes Streben. – Ich hatte das Gesicht der Unbekannten nicht gesehen, und
doch lebte sie in meinem Innern und blickte mich an mit holdseligen dunkelblauen Augen, in denen Tränen perlten, die wie mit
verzehrender Glut in meine Seele fielen und die Flamme entzündeten, die kein Gebet, keine Bußübung mehr dämpfte. Denn
diese unternahm ich, mich züchtigend bis aufs Blut mit dem Knotenstrick, um der ewigen Verdammnis zu entgehen, die mir
drohte, da oft jenes Feuer, das das fremde Weib in mich geworfen, die sündlichsten Begierden, welche sonst mir unbekannt
geblieben, erregte, so daß ich mich nicht zu retten wußte vor wollüstiger Qual.
Ein Altar in unserer Kirche war der heiligen Rosalia geweiht und ihr herrliches Bild in dem Moment gemalt, als sie den
Märtyrertod erleidet. – Es war meine Geliebte, ich erkannte sie, ja sogar ihre Kleidung war dem seltsamen Anzug der
Unbekannten völlig gleich. Da lag ich stundenlang, wie von verderblichem Wahnsinn befangen, niedergeworfen auf den Stufen
des Altars und stieß heulende entsetzliche Töne der Verzweiflung aus, daß die Mönche sich entsetzten und scheu von mir wichen.
– In ruhigeren Augenblicken lief ich im Klostergarten auf und ab, in duftiger Ferne sah ich sie wandeln, sie trat aus den
Gebüschen, sie stieg empor aus den Quellen, sie schwebte auf blumichter Wiese, überall nur sie, nur sie! – Da verwünschte ich
mein Gelübde, mein Dasein! – Hinaus in die Welt wollte ich und nicht rasten, bis ich sie gefunden, sie erkaufen mit dem Heil
meiner Seele. Es gelang mir endlich wenigstens, mich in den Ausbrüchen meines den Brüdern und dem Prior unerklärlichen
Wahnsinns zu mäßigen, ich konnte ruhiger scheinen, aber immer tiefer ins Innere hinein zehrte die verderbliche Flamme. Kein
Schlaf! – Keine Ruhe! – Von ihrem Bilde verfolgt, wälzte ich mich auf dem harten Lager und rief die Heiligen an, nicht, mich zu
retten von dem verführerischen Gaukelbilde, das mich umschwebte, nicht, meine Seele zu bewahren vor ewiger Verdammnis,
nein! – mir das Weib zu geben, meinen Schwur zu lösen, mir Freiheit zu schenken zum sündigen Abfall! –
Endlich stand es fest in meiner Seele, meiner Qual durch die Flucht aus dem Kloster ein Ende zu machen. Denn nur die
Befreiung von den Klostergelübden schien mir nötig zu sein, um das Weib in meinen Armen zu sehen und die Begierde zu stillen,
die in mir brannte. Ich beschloß, unkenntlich geworden durch das Abscheren meines Bartes und weltliche Kleidung, so lange in
der Stadt umherzuschweifen, bis ich sie gefunden, und dachte nicht daran, wie schwer, ja wie unmöglich dies vielleicht sein
werde, ja, wie ich vielleicht, von allem Gelde entblößt, nicht einen einzigen Tag außerhalb der Mauern würde leben können.
Der letzte Tag, den ich noch im Kloster zubringen wollte, war endlich herangekommen, durch einen günstigen Zufall hatte ich
anständige bürgerliche Kleider erhalten; in der nächsten Nacht wollte ich das Kloster verlassen, um nie wieder zurückzukehren.
Schon war es Abend geworden, als der Prior mich ganz unerwartet zu sich rufen ließ. Ich erbebte, denn nichts glaubte ich
gewisser, als daß er von meinem heimlichen Anschlage etwas bemerkt habe. Leonardus empfing mich mit ungewöhnlichem
Ernst, ja mit einer imponierenden Würde, vor der ich unwillkürlich erzittern mußte. »Bruder Medardus,« fing er an, »dein
unsinniges Betragen, das ich nur für den stärkeren Ausbruch jener geistigen Exaltation halte, die du seit längerer Zeit, vielleicht
nicht aus den reinsten Absichten, herbeigeführt hast, zerreißt unser ruhiges Beisammensein, ja es wirkt zerstörend auf die
Heiterkeit und Gemütlichkeit, die ich als das Erzeugnis eines stillen frommen Lebens bis jetzt unter den Brüdern zu erhalten
strebte. – Vielleicht ist aber auch irgend ein feindliches Ereignis, das dich betroffen, daran schuld. Du hättest bei mir, deinem
väterlichen Freunde, dem du sicher alles vertrauen konntest, Trost gefunden, doch du schwiegst, und ich mag um so weniger in
dich dringen, als mich jetzt dein Geheimnis um einen Teil meiner Ruhe bringen könnte, die ich im heitern Alter über alles schätze.
Du hast oftmals, vorzüglich bei dem Altar der heiligen Rosalia, durch anstößige entsetzliche Reden, die dir wie im Wahnsinn zu
entfahren schienen, nicht nur den Brüdern, sondern auch Fremden, die sich zufällig in der Kirche befanden, ein heilloses Ärgernis
gegeben; ich könnte dich daher nach der Klosterzucht hart strafen, doch will ich dies nicht tun, da vielleicht irgend eine böse
Macht – der Widersacher selbst, dem du nicht genugsam widerstanden, an deiner Verirrung schuld ist, und gebe dir nur auf,
rüstig zu sein in Buße und Gebet. – Ich schaue tief in deine Seele! – Du willst ins Freie!« –
Durchdringend schaute Leonardus mich an, ich konnte seinen Blick nicht ertragen, schluchzend stürzte ich nieder in den Staub,
mich bewußt des bösen Vorhabens. »Ich verstehe dich,« fuhr Leonardus fort, »und glaube selbst, daß besser als die Einsamkeit
des Klosters die Welt, wenn du sie in Frömmigkeit durchziehst, dich von deiner Verirrung heilen wird. Eine Angelegenheit
unseres Klosters erfordert die Sendung eines Bruders nach Rom. Ich habe dich dazu gewählt, und schon morgen kannst du, mit
den nötigen Vollmachten und Instruktionen versehen,