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Hüben und Drüben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich


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Bestimmung zugeschafft wurde. Die beiden Forstleute schlenderten aber auf einem näheren Weg, von einem der Kreiser begleitet, der ihr „Jägerrecht"3 in einem Sack auf der Schulter mittrug, langsam nach der Forstei zurück.

      2.

      Die fremde Maid.

      Auf dem Heimweg an dem Nachmittag fuhr den beiden Forstleuten ein merkwürdig starker Rehbock über den Weg, /100/ aber so rasch und plötzlich, daß Keiner von Beiden im Stande war, auch nur die Büchse von der Schulter zu reißen. Wie ein Schatten sprang er über die schmale Schneuße und war auch im nächsten Moment schon in der dichten Tannendickung - einer jungen, aber schon ziemlich hohen und fast undurchdringlichen Anpflanzung - verschwunden.

      „Alle Wetter!" rief der Forstgehülfe ordentlich erschreckt aus; „hatte der aber auf. Das Gehörn allein wäre ja ein paar Karolin4 werth gewesen."

      „Ja," nickte der Alte, „es giebt hier oben ein paar Staatsböcke, ist ihnen aber verwünscht schwer beizukommen, denn so ein alter Racker ist schlau wie ein Fuchs, und auf's Blatt kommt er gar nicht, oder doch so scheu und vorsichtig, daß man ihn nie ordentlich zum Schuß kriegt. - Und den besonders, der uns da über die Schneuße setzte, den kenne ich ganz genau und bin ihm schon manchen schönen Morgen zu Gefallen gegangen. Freilich immer umsonst. Sie haben hier in den Dickungen drin zu gute Aesung und treten selten bei Tageslicht auf offene Schläge hinaus."

      Dem jungen Forstgehülfen ging aber der Bock den ganzen Abend im Kopf herum, er konnte das Gehörn nicht vergessen, denn solche Stangen hatte er an einem Rehbock noch gar nicht gesehen oder nur für möglich gehalten. Er beschloß auch deshalb, gleich am nächsten Tag einen Versuch zu machen, ob er den alten Burschen nicht vielleicht überlisten könne. Der war jedenfalls ein paar Gänge werth, und er durfte sich keine Mühe verdrießen lassen.

      Es war nicht so spät im Jahr, daß die Böcke nicht noch aufs Blatt5 gekommen wären, und gerade dort, wo er ihn gestern gesehen, begann er seinen Versuch, denn solche alte Böcke halten gewöhnlich ihr Revier und gehen selten weit von da fort, wo sie einmal ihren Aesungsplatz genommen. Aber er blattete vergeblich vier-, fünfmal an den verschiedensten Stellen. Der alte Bursche war entweder nicht in Hörweite, oder auch zu gescheidt und ließ sich nicht überlisten. Um aber nichts zu versäumen, blieb er nach jedesmaligem Blatten wohl /101/ noch eine Viertelstunde regungslos liegen und horchte, denn manchmal kommen sie angeschlichen wie ein Fuchs, und wenn der Jäger dann, in der irrigen Meinung, daß die Jagd vorbei sei, aufsteht und Geräusch macht, so hört er plötzlich das so heiß ersehnte Wild schrecken und in voller Flucht in das Dickicht hineinsehen, wonach er sich dann die Jagd auf lange Zeit verdorben hat.

      Mit dem Blatten war's nichts, das sah er endlich ein; der alte Bursche ließ sich nicht irre führen, und er versuchte es jetzt mit der Bürsche, wozu sich der Tag ganz besonders gut eignete. Es hatte die Nacht gewittert, und das Laub und Moos war noch feucht, so daß man den schleichenden Schritt des Jägers, wenn dieser nur vermied, auf trockenes Reisig zu treten, gar nicht hören konnte. - Aber es blieb Alles vergebens - zwei geringe Böcke hätte er allerdings schießen können, wollte sich indeß die Jagd auf seinen Bock nicht durch einen Schuß verderben und ließ sie laufen, was sie auch redlich thaten.

      So war er allmälig und ohne daß er es selbst recht wußte, wieder ganz in die Nähe der Stelle gekommen, wo er gestern den Hirsch geschossen hatte, und plötzlich stand er an der Steinwand des „Fuchsbaues" und sah sich auf's Neue dem geheimnißvollen Platz gegenüber, von dem ihm der alte Förster gestern so viel erzählt.

      Eigentlich war's ihm recht - nach dem langen Bürschgang that ihm ein wenig Ruhe wohl, und der Platz lag hier so kühl, heimlich und versteckt, daß er da recht gut eine halbe Stunde rasten konnte. Er warf sich, die Büchse neben sich, auf das schwellende Moos nieder, nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche, zündete sich dann die kurze Pfeife an und schaute, in dem behaglichen Gefühl ungestörten Alleinseins, in die wunderliche Schlucht vor sich hinab, die sich zu seinen Füßen ausdehnte.

      Also dort hatte einmal ein volkreicher Ort gestanden, der mit Mann und Maus, und ohne eine Spur zu hinterlassen, in die Tiefe gesunken sein sollte, und wie tief eigentlich, daß nicht einmal die vergoldete Kuppel des Kirchthurms mehr aus dem Moor hervorragte. - Und wenn man dort nun einmal /102/ nachgrübe nach der alten Herrlichkeit, was für wunderbare Alterthümer müßten da zum Vorschein kommen, und lohnen würd' es gewiß. Aber wer sollte graben? - das wäre jedenfalls eine Heidenarbeit gewesen, und stand dann nicht das Wasser an der selbst oben nassen Stelle? Man würde nur gewiß einen neuen See gebildet haben und hätte schon ein Dampfpumpwerk anlegen müssen, um nur des nassen Elementes Herr zu werden, und was kostete das?

      Und dort drunten sollte der wilde Jäger seinen Herd gehabt und Nachts seine Schaaren gesammelt haben und aus gefahren sein mit Halloh und Hussah und Rüdengebell! - Wer das einmal, so aus einem stillen Versteck, hätte mitansehen können!

      „Hol's der Henker!" brummte Raischbach vor sich hin, indem er sich mit seinem rechten Ellenbogen etwas tiefer in das Moos hineinbohrte, um bequemer zu liegen, „daß das Alles nur lauter Sagen sind und blos die Großväter und Urgroßväter etwas Derartiges mit erlebt haben! Wenn das doch Unsereinem auch einmal begegnen könnte, daß man später im Stande wäre, seinen Kindern etwas davon zu erzählen. - Ja, seinen Kindern," setzte er in den Bart brummend hinzu - „damit hat's auch noch Zeit - ein Forstgehülfe und heirathen. Ja, wenn einmal so ein hübsches Erdweible käm', wie vor alten Zeiten manchmal - und Einem eine Schürze voll goldener Tannenzapfen brächte!"

      Unwillkürlich griff seine Hand, ohne daß er mit dem Körper auch nur die geringste Bewegung gemacht hätte, nach der neben ihm liegenden Büchse, denn nicht weit von ihm knackte ein dürrer Zweig, als ob irgend ein schwerer Körper darauf getreten hätte. Herr Gott, wenn das „sein" Bock gewesen wäre, der hier oben am Rand der Schlucht vielleicht spazieren ging und ihm derart von selber in's Rohr lief! Der wäre jetzt recht gewesen, und im Nu hatte er alle anderen Gedanken vom wilden Jäger und Erdweible total vergessen und dachte nur an seine Jagd.

      Jetzt knackte es wieder - das konnte ein Stück Wild, aber auch recht gut der Bock sein, und leise und vorsichtig drehte er den Kopf zur Seite, um nur erst einmal einen Schimmer von dem Nahenden zu bekommen. /103/ „Alle Wetter!" brummte er aber im nächsten Augenblick, als er etwas Buntes durch die Zweige schillern sah und jetzt enttäuscht erkannte, daß das auf keinen Fall sein Bock sein konnte, denn der trug kein buntfarbiges Tuch um sein Gehörn, „ob Einem die verwünschten Beerensucher und Holzleser nicht jeden Bürschgang verderben!"

      Unwillig richtete er sich in die Höhe, um die Nahenden mit einem Wetter anzufahren, was sie hier zu suchen hätten, brachte aber keinen Laut über die Lippen, als plötzlich ein reizendes Mädchen von kaum siebzehn Jahren aus dem Gebüsch trat und bei seinem Anblick halb erschreckt halten blieb.

      Merkwürdig! sie war in eine ganz fremdartige Tracht gekleidet, wie er ihr wenigstens hier in den Bergen noch nie begegnet, und sah dabei so blaß und wachsähnlich aus. Aber was für wundervolle Augen sie hatte, und wie groß und erstaunt sie ihn dabei ansah! Fürchtete sie sich vor ihm?

      „Grüß Gott, Mädel!" sagte der junge Forstmann, halb verdutzt ordentlich von der lieblichen Erscheinung, und sein Blick flog über sie hin - aber das war keine Beerensucherin oder Reisigsammlerin; sie trug keinen Korb, weder am Arm noch auf dem Rücken, sondern ging sogar, mitten in der Woche, in ihren Sonntagsstaat gekleidet.

      „Grüß Gott!" sagte die Jungfrau leise, und ihr Blick flog dabei nach dem Grund hinab, als ob sie sich einen Weg zur Flucht suche - „wo - wo kommt Ihr da auf einmal her?"

      „Ja, das möcht' ich Dich fragen, Kind!" erwiderte der, „ich gehöre hierher - aber fürcht' Dich nicht, ich thu' Dir nichts.“

      „Ich fürcht‘ mich auch nicht“, sagte die Maid, aber mit einem ganz eigenen, fremdartigen Dialekt; „ich steh' überall in Gottes Hand; aber ich hatte den Weg im Wald verloren, und jetzt weiß ich erst wieder, wo ich daheim bin."

      „Wo Du daheim bist?" rief Bernhard - „aber wo bist Du daheim, Schatz, darf ich's nicht wissen?"

      „Und warum nicht! - im Bau bin ich daheim."

      „Im


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