Эротические рассказы

Professor Unrat. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Professor Unrat - Heinrich Mann


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meisten knickten über ihrem Heft zusammen und taten, als schrieben

      sie schon. Einige starrten entgeistert vor sich hin.

      »Sie haben noch fünfviertel Stunden,« bemerkte Unrat gleichmütig,

      während er innerlich jubelte. Dieses Aufsatzthema hatte noch keiner

      gefunden von den unbegreiflich gewissenlosen Schulmännern, die durch

      gedruckte Leitfäden es der Bande ermöglichten, mühelos und auf

      Eselsbrücken die Analyse jeder beliebigen Dramenszene herzustellen.

      Manche in der Klasse erinnerten sich des zehnten Auftritts im ersten

      Aufzug und kannten beiläufig die zwei ersten Gebete Karls. Vom dritten

      wußten sie nichts mehr, es war, als hätten sie es nie gelesen. Der

      Primus und noch zwei oder drei, darunter Lohmann, waren sogar sicher,

      sie hätten es nie gelesen. Der Dauphin ließ sich ja von der Prophetin

      nur zwei seiner nächtlichen Bitten wiederholen; das genügte ihm, um an

      Johannas Gottgesandtheit zu glauben. Das dritte stand schlechterdings

      nicht da. Dann stand es gewiß an einer andern Stelle oder ergab sich

      irgendwo mittelbar aus dem Zusammenhang; oder es ging gar ohne weiteres

      in Erfüllung, ohne daß man wissen konnte, hier ging etwas in Erfüllung?

      Daß es einen Punkt geben konnte, wo er niemals aufgemerkt hatte, das gab

      auch der Primus Angst im stillen zu. Auf alle Fälle mußte über dieses

      dritte Gebet, ja selbst über ein viertes und fünftes, wenn Unrat es

      verlangt hätte, irgend etwas zu sagen sein. Über Gegenstände, von deren

      Vorhandensein man nichts weniger als überzeugt war, etwa über die

      Pflichttreue, den Segen der Schule und die Liebe zum Waffendienst, eine

      gewisse Anzahl Seiten mit Phrasen zu bedecken, dazu war man durch den

      deutschen Aufsatz seit Jahren erzogen. Das Thema ging einen nichts an;

      aber man schrieb. Die Dichtung, der es entstammte, war einem, da sie

      schon seit Monaten dazu diente, einen »hineinzulegen«, auf das

      gründlichste verleidet; aber man schrieb mit Schwung.

      Mit der Jungfrau von Orleans beschäftigte die Klasse sich seit Ostern,

      seit dreiviertel Jahren. Den Sitzengebliebenen war sie sogar schon aus

      dem Vorjahr geläufig. Man hatte sie vor- und rückwärts gelesen, Szenen

      auswendig gelernt, geschichtliche Erläuterungen geliefert, Poetik an ihr

      getrieben und Grammatik, ihre Verse in Prosa übertragen und die Prosa

      zurück in Verse. Für alle, die beim ersten Lesen Schmelz und Schimmer

      auf diesen Versen gespürt hatten, waren sie längst erblindet. Man

      unterschied in der verstimmten Leier, die täglich wieder einsetzte,

      keine Melodie mehr. Niemand vernahm die eigen weiße Mädchenstimme, in

      der geisterhafte, strenge Schwerter sich erheben, der Panzer kein Herz

      mehr deckt, und Engelflügel weit ausgebreitet, licht und grausam

      dastehn. Wer von diesen jungen Leuten später einmal unter der fast

      schwülen Unschuld jener Hirtin gezittert hätte, wer den Triumph der

      Schwäche in ihr geliebt hätte, wer um die kindliche Hoheit, die vom

      Himmel verlassen, zu einem armen, hilflos verliebten kleinen Mädel wird,

      je geweint hätte, der wird nun das alles nicht so bald erleben. Zwanzig

      Jahre vielleicht wird er brauchen, bis Johanna ihm wieder etwas anderes

      sein kann als eine staubige Pedantin.

      * * * * *

      Die Federn kritzelten; Professor Unrat lugte, mit nichts weiter

      beschäftigt, über die gebeugten Nacken hinweg. Es war ein guter Tag, an

      dem er einen »gefaßt« hatte, besonders wenn es einer war, der ihm

      »seinen Namen« gegeben hatte. Dadurch ward das ganze Jahr gut. Leider

      hatte er schon seit zwei Jahren keinen der heimtückischen Schreier mehr

      »fassen« können. Das waren schlechte Jahre gewesen. Ein Jahr war gut

      oder schlecht, je nachdem Unrat einige »faßte« oder ihnen »nichts

      beweisen« konnte.

      Unrat, der sich von den Schülern hinterrücks angefeindet, betrogen und

      gehaßt wußte, behandelte sie seinerseits als Erbfeinde, von denen man

      nicht genug »hineinlegen« und vom »Ziel der Klasse« zurückhalten konnte.

      Da er sein Leben ganz in Schulen verbracht hatte, war es ihm versagt

      geblieben, die Knaben und ihre Dinge in die Perspektive des Erfahrenen

      zu schieben. Er sah sie so nah, wie einer aus ihrer Mitte, der

      unversehens mit Machtbefugnissen ausgestattet und aufs Katheder erhoben

      wäre. Er redete und dachte in ihrer Sprache, gebrauchte ihr Rotwälsch,

      nannte die Garderobe ein »Kabuff«. Er hielt seine Ansprachen in dem

      Stil, den auch sie in solchen Fällen angewendet haben würden, nämlich in

      latinisierenden Perioden und durchwirkt mit »traun fürwahr«, »denn also«

      und ähnlichen Häufungen alberner kleiner Flickworte, Gewohnheiten seiner

      Homerstunde in Prima; denn die leichten Umständlichkeiten des Griechen

      mußten alle recht plump mitübersetzt werden. Da er selber steife

      Gliedmaßen bekommen hatte, verlangte er das gleiche von den andern

      Insassen der Anstalt. Das fortwährende Bedürfnis in jugendlichen

      Gliedern und in jugendlichen Gehirnen, in denen von Knaben, von jungen

      Hunden -- ihr Bedürfnis zu jagen, Lärm zu machen, Püffe auszuteilen, weh

      zu tun, Streiche zu begehn, überflüssigen Mut und Kraft ohne Verwendung

      auf nichtsnutzige Weise loszuwerden: Unrat hatte es vergessen und nie

      begriffen. Wenn er strafte, tat er es nicht mit dem überlegenen

      Vorbehalt: »Ihr seid Rangen, wie's euch zukommt, aber Zucht muß sein«;

      sondern er strafte im Ernst und mit zusammengebissenen Zähnen. Was in

      der Schule vorging, hatte für Unrat Ernst und Wirklichkeit des Lebens.

      Trägheit kam der Verderblichkeit eines unnützen Bürgers gleich,

      Unachtsamkeit und Lachen waren Widerstand gegen die Staatsgewalt, eine

      Knallerbse leitete Revolution ein, »versuchter Betrug« entehrte für alle

      Zukunft. Aus solchen Anlässen erbleichte Unrat. Schickte er einen ins

      »Kabuff«, war ihm dabei zumute, wie dem Selbstherrscher, der wieder

      einmal einen Haufen Umstürzler in die Strafkolonie versendet und, mit

      Angst


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