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Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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       «Ja, krieg’ ihn einmal, wenn Du drüben in Amerika bist», sagte Brauhede ruhig. «Das ist ein verwünscht weiter und umständlicher Weg und – wenn man sich einmal hat anführen lassen, will man auch nicht gern noch dazu ausgelacht werden.»

       «Papperlapapp!» sagte Menzel. «Dafür hat jeder seine Augen, daß er sie offen hält, und ehe ich ihm mein gutes Geld gebe, werd’ ich mich schon sicherstellen, daß er mir nichts aufbindet.»

       Und die Männer schritten, jeder von jetzt mit seinen eigenen Gedanken über die nahe Auswanderung beschäftigt, langsam die Straße hinunter, während in seinem kleinen Büro, vergnügt die Hände zusammenreibend, Herr Weigel auf und ab spazieren ging, und sich im Geist die nächst zu ziehenden Summen zusammenaddierte, die er in kurzer Zeit, nach eifriger Aussaat, einzuernten hoffte. Die Geschäfte gingen vortrefflich; Lust zur Auswanderung hatte in der Tat ein Drittel der sämtlichen Bevölkerung, und es bedurfte nur manchmal wirklich einer leisen Anregung, die Leute zu etwas zu bewegen, zu dem sie schon halb und halb selber entschlossen gewesen waren.

       Herr Weigel war sehr guter Laune; er legte jetzt die Hände auf den Rücken und summte leise ein Lied vor sich hin, seinen Marsch dabei fortsetzend. Aber er sang falsch, er hatte keine Idee von irgendeiner Melodie, doch das schadete nichts, er m e i n t e wenigstens eine, und da er selber nicht hörte, w a s er sang, genügte es ihm vollkommen.

       Die Tür ging auf und der Tischler oder Schreiner kam herein, irgendetwas an dem Pult auszubessern – er hatte zweimal angeklopft, ohne daß der vergnügte Agent darauf geantwortet hätte.

       «Guten Morgen, Herr Weigel.»

       «Ah, guten Morgen, Meister – nun, können Sie endlich ? Ich hatte schon ein paarmal nach Ihnen hinübergeschickt.»

       «Ja, lieber Gott, Herr Weigel, ich war gerade drüben beim Herrn Geheimen Rat Bärlich beschäftigt – die Leute sind so eigen, wenn man von der Arbeit fortgeht.»

       «Sehen Sie, hier das Bein möcht’ ich gemacht haben; der Tisch wackelt da immer, und wenn man etwas darunter legt, verschiebt es sich doch jedesmal wieder. Können Sie es mir wohl bis heute Nachmittag in Ordnung bringen?»

       «Ja, gewiß», sagte der Mann, «das ist nur eine Kleinigkeit.»

       «Und wie ist es mit den Auswandererkisten, die ich bestellt habe – werden sie bis heute Abend fertig?»

       «Jawohl, Herr Weigel, sechs habe ich schon in das Gasthaus ,Stadt Breslau’, wie Sie mir sagten, abgeliefert.»

       «Nun, das ist gut, denn der ganze Zug wird noch heute Vormittag ankommen und will morgen früh wieder fort – es sind doch noch keine Auswanderer heute Morgen hier eingetroffen?»

       «Nicht, daß ich gesehen hätte – aber gestern Abend zogen viele durch.»

       «Ja, ich weiß – von Hessen herüber – die armen Teufel; denen wird’s einmal wohl drüben werden. Nun, wie gehen denn bei Ihnen die Geschäfte jetzt?»

       «Ih nu, gut, Herr Weigel, ich kann gerade nicht klagen, das Brot wird freilich immer teurer, aber man schlägt sich so durch. Kinder haben wir nicht, und was verdient wird, reicht eben ordentlich aus.»

       «Ich begreife nicht», sagte Herr Weigel da kopfschüttelnd vor dem Mann, der seine Mütze eben wieder aufgegriffen hatte und sich zum Fortgehen anschickte, stehen bleibend, «wie Ihr Leute Euch hier vom Morgen bis Abend plagt und schindet, eben nur das liebe Brot zu verdienen, wo Ihr in ein paar Wochen drüben sein könntet und so viel Dollars für Eure Arbeit bekämt, wie hier Groschen.»

       «Drüben, wo?»

       «Nun, in Amerika.»

       «Hm, ja», sagte der Mann, sich nachdenkend das Kinn streichend und einen leichten Seufzer unterdrückend. «Gedacht hab’ ich auch schon ein paarmal daran, aber – das geht nicht gut und – es ist auch so eine unsichere Sache mit da drüben. Hier weiß ich einmal, was ich habe und daß ich auskomme, und wie mir’s da drüben geht, weiß ich n i c h t.»

       «Aber, Freund», rief Herr Weigel verwundert, «ein Mann, der fleißig arbeitet, bringt es dort immer zu ‘was. Wetter noch einmal, Meister, Amerika ist gerade der Platz für Euch, wo Ihr Euch rühren und ausbreiten könntet – wenn Ihr dort wäret, ein geschickter Arbeiter, wie Ihr! In fünf Jahren hättet Ihr zwanzig Gesellen.»

       Meister Leupold nickte langsam mit dem Kopf und sah ein paar Sekunden still vor sich nieder, als ob das Bild mit der großen Werkstätte und dem regen Treiben sich vor seinem inneren Geist eben auszubreiten beginne, dann aber sagte er, jetzt herzhaft aufseufzend:

       «Und es geht doch nicht, Herr Weigel – ich habe die alte Mutter zu Hause, die ich unmöglich hier allein zurücklassen könnte… »

       «Hierlassen? Das fehlte auch noch!» rief der Agent. «Die nehmt Ihr mit, Mann – könnt Ihr der denn eine größere Freude machen, als wenn sie noch vor ihrem Ende sähe, wie gut es Euch geht auf der Welt und wie sich Euer Zustand mit jeder Woche, mit jedem Tag fast bessert ? – Muß sie hier nicht in Sorge und Kummer leben, daß Ihr einmal krank werdet und nichts verdienen könnt, und wie sieht’s dann aus?»

       «Wenn ich aber nun dort d r ü b e n krank werde?» sagte der Meister leise.

       «Wenn das nur nicht gleich die ersten Monate geschieht, und für ein Unglück kann niemand», war dagegen Herr Weigel ein, «so könnt Ihr Euch auch schon so viel gespart haben, das eine Weile ruhig mit anzusehen; und wenn Ihr n i c h t krank werdet, seid Ihr in ein paar Jahren ein wohlhabender Mann.»

       «Es ist eine verwünschte Geschichte mit dem Amerika», seufzte der Mann wieder, sich hinter dem Ohr kratzend. «Man hört so viel davon, und sieht eine solche Menge Menschen hinüberziehen, die alle voller Hoffnung sind, daß es ihnen gut geht – und möchte am Ende ebenfalls gern mit – wenn man nur erst so einmal hinübergucken könnte, wie es eigentlich aussieht.»

       «Dazu ist es ein bißchen zu weit», meinte Herr Weigel.

       «Ja nun eben», sagte der Tischler, «und so auf’s Geratewohl… »

       «Das könnt Ihr aber nicht auf’s Geratewohl nennen, wo wir alle Tage Briefe von drüben herüber bekommen, von denen einer immer besser lautet als der andere. Da – hier liegt gleich einer, der letzte, den ich bekommen habe, wo ein Deutscher, den ich selber hinüber befördert, und dem es jetzt ausgezeichnet gut geht, an mich schreibt, und einen oder zwei gute gelernte Schafknechte haben will, lesen Sie einmal den Brief.»

       Leupold legte seine Mütze wieder hin, nahm den Brief und las ihn aufmerksam durch, er nickte dabei mehrmals mit dem Kopf und sah dann wieder zu dem Agenten auf, der ihn indessen mit einem triumphierenden Lächeln betrachtet hatte.

       «Nun?» frug der Letztere, als jener das Schreiben beendet und wieder zusammenfaltete. «Wie klingt das?»

       « S e h r gut», sagte Leupold leise, «aber – es hilft mir doch nichts. Wenn ich jetzt mein kleines Häuschen, das ich mir mit Mühe und Not zusammengespart und aufgebaut, auch verkaufen wollte, fände ich erstlich keinen Käufer, und dann bekäm’ ich auch das nicht dafür wieder, was es mich selber gekostet. Wie gesagt, der Sperling in der Hand ist doch wohl besser, wie die Taube auf dem Dache.»

       «Bah, Taube», sagte Herr Weigel mürrisch, «wenn die Taube auf dem Dach eben so fest und sicher sitzen bleibt, bis man sie holen kann, wie Amerika ruhig liegt und auf die wartet, die hinüberkommen, so ist sie mir lieber wie ein erbärmlicher Sperling, zum Sterben zuviel und zum Leben zu wenig, aber – überlegt’s Euch – ah, da kommt der Briefträger – was für mich?»

       «Nun, guten Morgen, Herr Weigel», sagte der Tischler und wollte sich eben entfernen, während der Briefträger dem Agenten mehrere für ihn gekommene Briefe überreichte.

       «Siebzehn Silbergroschen, drei Pfennige», sagte er dabei.

       «Siebzehn Silbergroschen?» rief Herr Weigel verwundert. «Aha, da ist ein Amerikaner dabei – halt, wartet noch einmal einen Augenblick, Leupold – da ist vielleicht gleich noch was für uns, und was


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