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Affe ein Löwe ist. Hm!" setzte er dann hinzu, als er in den Brief hineinsah, „hübsch schreiben kann sie, das muß ihr der Neid lassen, aber es hilft ihr nichts - also zum Friedensrichter sollen wir? Na meinetwegen, daß das ewige Geschwätz doch einmal ein Ende nimmt. Mir ist's recht, und morgen, Mittwoch, haben wir Beide doch nicht viel zu thun - aber da müssen wir die beiden Schilder mitnehmen, Kathrine," setzte er lachend hinzu, „und wenn wir die zusammen auf einen Wagen thun, kratzen sich die beiden Bestien am Ende die Augen aus."
„Das ist nicht nöthig," sagte die Base, „der Friedensrichter mag nachher herüber kommen, dazu ist er da. Daß es Euch dann aber schlecht geht, Pechtels, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ihr habt die Frau eine gelbe Katze genannt - zehn Zeugen können wir bringen, wenn's verlangt würde, und Geld wird Euch die Geschichte kosten - viel Geld -"
„Und sie mich einen „gelben Affen", Kathrine, das hebt sich also; aber ich bin mit der Klage zufrieden, denn ehe ihr der Richter nicht einmal selber den Kopf zurechtsetzt, giebt die Frau da drüben doch keine Ruhe. Also um wie viel Uhr wollen wir dort eintreffen?"
„Um zehn Uhr, hat die Frau gesagt, so daß wir bis Mittag wieder zurück sein können."
„Und Ihr fahrt auch mit, Kathrine?"
„Das versteht sich, und einen Silber-Dollar zahl' ich in /43/ den Klingelbeutel, wenn sie Euch das Schild da oben vom Hause reißen, Pechtels, das kann ich Euch versichern. Es giebt keine bravere und fleißigere Frau in der Welt, als die Base, und keinem Kinde legt sie etwas in den Weg, Ihr aber habt sie so lange geärgert, bis ihr die Galle in's Blut getreten und sie ordentlich gelb geworden ist, und der Himmel mag's Euch vergeben, aber verdient hat sie's wahrlich nicht."
„Na," sagte Pechtels, den Kops ungeduldig herüber werfend, „geschwatzt haben wir nun genug, und krieg's selber satt. Wenn der Friedensrichter Eurer Frau den Kopf zurechtgesetzt hat, wird sie wohl wieder weiß werden, und nun sagt ihr, daß ich morgen um zehn Uhr ebenfalls in Karthago sein will; ich habe doch in der Nachbarschaft etwas zu thun; das paßt mir gerade," und ohne sich weiter um die Kathrine zu kümmern, drehte er ihr den Rücken zu und ließ sie stehen.
2.
Beim Friedensrichter.
Am nächsten Morgen, noch vor neun Uhr, sah Pechtels, daß gegenüber aus dem „goldenen Löwen" der kleine offene Wagen geschoben wurde, den die Frau Roßberg manchmal benutzte, wenn sie auswärts Besorgungen hatte, denn sich wie eine Amerikanerin auf ein Pferd zu setzen, hielt sie für unschicklich und würde cs nie gethan haben. Bald darauf wurden die beiden Braunen eingeschirrt - ein paar prächtige Pferde, die aber auch im Acker gingen, denn die Frau hatte eine kleine Farm dabei, und etwa zehn Minuten danach kam die Wirthin selber mit der alten Base hinter ihr drein; und was für eine Haube die Base trug und was für Schleifen daran - aber ohne ihren Sonntagsstaat wäre sie gewiß nicht in die Stadt gefahren.
Die Wirthin selber ging sehr sauber, aber in keiner /45/ Nationaltracht, sondern modern gekleidet. Es war noch eine ziemlich junge und ganz stattliche Frau, und hätte sich auch verschiedene Male wieder verheirathen können - aber sie wies alle Bewerber ruhig ab, weil sie erklärte, sie würde nie wieder zum zweiten Mal freien. Der erste Mann sollte sie nicht allein unfreundlich, sondern oft sogar roh behandelt haben, und sie wollte sich dem wohl nicht wieder aussetzen. Die Männer waren sich ja doch alle gleich, und sie befand sich so, als ihre eigene Herrin, viel besser und behaglicher.
Es war auch in der That eine brave und gutmüthige Frau und hatte bisher noch gegen Niemanden - selbst nicht gegen ihre verstocktesten Schuldner, Haß gezeigt; aber den „goldenen Affen" haßte sie trotzdem, und als sie an den Wagen trat und ihr Blick'auf das gegenüber befestigte Schild fiel, unter dem sich, wie zum Trotz, Pechtels ganz breit hingestellt und jetzt in spöttischer Ehrfurcht herüber grüßte, legte sich ein häßlicher Zug um ihre Lippen, und mit einem verächtlichen Blick auf den Frechen bestieg sie, ohne auch nur den Gruß zu erwidern, das Geschirr. Der Hannes, ihr Arbeiter, nahm die Zügel in die Hand, und fort rasselte der kleine leichte Wagen die Straße entlang, seinem Ziel entgegen.
Pechtels hatte einmal große Lust gehabt, sie allein fahren zu lassen und sich gar nicht weiter um die alberne Geschichte zu kümmern; einmal aber hatte er es versprochen - und sein Wort mußte er halten, - und dann hätte auch die Wirthin am Ende gar geglaubt, er fürchte sich, die Sache vor Gericht zu bringen. Lächerlich - kein Friedensrichter der Welt konnte ihn zwingen, sein Schild von der Thür zu nehmen, und wenn der in Karthago wirklich albern oder parteiisch genug sein sollte, etwas Derartiges anzuordnen, so war er fest entschlossen, sich dem nicht zu fügen, sondern höher hinauf zu gehen, und wenn es hätte bis zum Präsidenten selber sein müssen.
Nicht einmal zu spät wollte er kommen, ging also jetzt ohne Weiteres in den Stall, sattelte sich selber sein Pferd, zog sich dann an und folgte, etwa eine Viertelstunde später, in einem scharfen Trab dem vorangegangenen Geschirr. /46/ Das Ziel ihrer Tour hatte allerdings, wenigstens für unsere Ohren, einen etwas volltönenden Namen, Karthago, und der Europäer macht sich dabei vielleicht eine falsche Vorstellung. Es wird besser sein, es etwas näher zu beschreiben, noch dazu da Tausende ganz gleicher,,Städte" in dem weiten Lande mit ihren Namen Paris, London, Petersburg, Madrid u. s. w. den Fremden nicht selten überraschen.
Karthago war vor noch gar nicht so langer Zeit erst, und zwar in ziemlich günstiger Lage gegründet worden, denn dicht daran hin lief eine schon „abgesteckte" Eisenbahnlinie, und außerdem führte auch vom Ohiostrom aus der Weg nach dem Centrum des Staates und von da nach Chicago hinauf, so daß man fest darauf rechnen konnte, hier in späteren Jahren sogar eine Kreuzung zu bekommen.
Städte gründet man aber in den Wildnissen nicht eben durch Häuserbauen, wie es sich eigentlich vermuthen ließe, sondern nur durch Vermessen des Platzes und Auslegen oder Bezeichnen der verschiedenen Straßen. In der Prairie wurden dann in regelmäßigen Quadraten Pfähle eingeschlagen, und daran befestigte Brettchen trugen bald genug die Namen der für spätere Zeit beabsichtigten Straßen. Da las man denn auf einem Pfahl, der einsam in der Ebene stak, „Hauptstraße", auf einem andern „Marktstraße", „Washingtonstraße", „Illi- noisstraße" u. s. w., andere kleine Pfähle bezeichneten schon den Platz, wo einmal später das Postgebäude, das Theater, das Telegraphenamt, das Museum und der Gasometer hinkommen sollten, und nun versuchten die Eigenthümer des Ganzen, mit einem sauber gemalten Plan, in den Städten herum zu reisen und besonders Einwanderer abzufangen, denen sie sogenannte lots oder Baustellen in ihrer neuen Stadt verkaufen konnten.
Manchmal glückte auch eine solche Speculation ausgezeichnet, und Plätze, die eine vorteilhafte Stelle gefunden, wuchsen in rasender Schnelle zu großen Städten heran. Sehr häufig blieb aber auch eine solche Stadt nur einzig und allein auf dem Papier, und am „Marktplatz" stand vielleicht eine einzelne Logcabin mit ein paar niederen Maishütten, während hundert Schritt davon in Mainstreet oder der „Hauptstraße" ein Schenk-/47/laden stand, der an vorbeikommende Fremde Whisky, Kautabak und andere Delicatessen zu verkaufen suchte.
Ganz so traurig sah es nun allerdings in Karthago nicht aus, aber viel besser auch nicht, denn es war ja, wie vorerwähnt, nur eben erst im Entstehen, und da durfte man freilich seine Erwartungen nicht zu hoch spannen.
Die ganze Stadt bestand vorläufig noch aus sieben Häusern mit lauter amerikanischen Familien - einen einzigen Franzosen abgerechnet, der aber nur sehr wenig Ackerbau trieb und meistens von der Jagd lebte. Außerdem befand sich eine Schmiede und eine Grocerie oder eine Materialwaarenhandlung im Ort, d. h. ein Laden, in dem eben Alles zu haben war, was man nur in diesem abgelegenen Theil der Welt verlangen und gebrauchen konnte: Branntwein, Lebensmittel, Schuhe, fertige Kleider, Werkzeuge, Ackergeräth, Medicinen, Pulver, Blei, kurze Waaren, Schmucksachen, kurz Alles und Alles. Der Eigenthümer desselben, dem etwa die halbe Stadt gehörte, und möglicher Weise ein späterer Millionär, war auch zu gleicher Zeit Friedensrichter, Postmeister und Polizeidirector, und, einen Schreiber abgerechnet, der zugleich als Commis fungiren mußte und außerdem ein entfernter Verwandter und bucklig war, hatte er keine Hülfe und - brauchte keine.
Streitigkeiten kamen unter den wenigen Ansiedlern selten oder nie vor, Verbrechen gar nicht, denn wer sollte in einem Lande stehlen, wo er sich, mit nur einiger Arbeit, leicht sein Brod verdienen konnte, Briefe trafen ebenfalls nur