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Buntes Treiben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Buntes Treiben - Gerstäcker Friedrich


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sich dann noch Wochen lang auf den nahenden Lenz freute.

      Und auch der kam endlich - hier und da fing schon die Sonne an, von den ihren Strahlen am meisten ausgesetzten Rasenflccken den Schnee wegzuthauen. Mit wildem Poltern schurrten große Lawinen vom steilen Schindeldach der Kirche nieder - Finken und Rotschwänzchen ließen sich sehen, und die Buchenknospen quollen dick und glänzend auf. Und Blumen kamen, Schneeglöckchen und Primeln - auch aus dem Wald zog sich die Schneedecke weiter und weiter in Ravinen und Einschnitte zurück, und endlich, endlich brach er aus in grünen Blättern und Blüthen und lag so wundervoll auf dem herrlichen Walde, daß es eine wahre Lust und Freude war.

      Jetzt durften die Holzhäusler Bewohner auch wieder ihre Arbeiten draußen vornehmen, und besonders hatte Andreas schon lange auf die Zeit gewartet, wo er einen im vorigen Herbst gekauften und geschlagenen Baum, der aber den Winter durch tief im Schnee gelegen, in Angriff nehmen und die einzelnen Stücke in sein Haus führen konnte. Freilich mußte er sich die Zeit dazu förmlich abstehlen, denn unter der Hand hatten sie Nachricht bekommen, daß in ganz kurzer Zeit eine Schulvisitation zu Holzhäusel stattfinden solle. Der Kinderschaar mußte bis dahin noch eine unverhältnißmäßige Quantität von Wissen eingeprügelt werden, damit sie nicht mit Schimpf und Schande beständen und Andreas den gestrengen Herren einen schlechten Begriff von seiner Zucht beibrachte. Aber die Arbeit im Wald war ihm, nach dem langen Aufenthalt in der dunstigen Schulstube, fast mehr eine Erholung als eine Beschwerde, und er /10/ kam oft erst bei eingesetzter Nacht nach Hause zurück. Ja einmal, Sonnabends, als der Vollmond hell am Himmel stand, ging er sogar nach dem Abendbrod nochmals hinaus, um einen der Blöcke, den er zu einer besondern Arbeit brauchte, fertig zu behauen und so aufzuspalten, daß er die einzelnen Stücke auf seiner Schulter zum Hause tragen konnte.

      Es war eine wunderbar schöne Nacht; kein Lüftchen regte sich; drinnen im Busch klagte die Nachtschwalbe, und in einem kleinen Forellenteich in der Nähe quakten die Frösche; sonst unterbrach kein Laut die fast todtenähnliche Stille. Aber hell und klar stand der Vollmond an dem mit mattfunkelnden Sternen besäeten Himmel und warf die riesigen Schatten der Waldbäume auf eine kleine Lichtung, in welcher der von Andreas gefällte Baum lag.

      Thau war gefallen, und wie das im Mondenlicht spielte und glitzerte, wenn sich die Strahlen in den Milliarden Tropfen brachen, und wie das duftete von Harz und Waldmoos! Dem armen Schulmeisterlein ging das Herz ordentlich auf, denn hier genoß er etwas, was jetzt der reichste Städter, ja kein König mit ihm theilen konnte, das vollste, reinste Entzücken an dem Zauber dieser herrlichen Natur - und stille Einsamkeit und Ruhe in dieser Waldeseinsamkeit.

      Er legte sich erst eine ganze Weile auf das weiche, schwellende Moos, um den würzigen Duft mit vollen Zügen einzuathmen, und schaute dabei zu, wie der Mond so majestätisch dort am Himmel schwebte und einzelne kleine durchsichtige Wolkenschleier wie Schatten daran vorüberflogen. Aber lange durfte er sich diesem Genuß doch nicht hingeben, denn er kam sonst zu spät nach Hause, und seine Elise ängstigte sich nachher vielleicht über sein Ausbleiben. Rüstig ging er deshalb an die Arbeit, und so warm war es dabei hier oben schon geworden, daß er sogar seinen Rock ausziehen mußte, um sich nicht zu heiß zu machen.

      „Eigentlich ist es doch ein ganz sonderbares Gefühl," murmelte er, als er sich, um einen Moment zu ruhen, auf seine Axt stützte und den Blick dabei über die mondglänzende Lichtung warf, „so bei Mondschein im Wald zu arbeiten. Wie dumpf hallen die Schläge, und wie das dabei zischelt und flüstert im Wald - wenn Einer furchtsam wäre, könnt's ihn /11/ wahrhaftig ordentlich gruseln. Am Tag ist das freilich 'was Anderes. Da sieht man doch da und dort einen Vogel und hört sie in den Büschen drin zwitschern; auch vom Dorf dringt manchmal das Krähen eines Hahnes oder das Jubeln einer Kinderstimme herüber. Jetzt ist Alles wie ausgestorben, und man kommt sich fast so vor, als ob man allein auf der Welt übrig geblieben wäre und nun an seinem eigenen Sarge hämmerte. Aber jetzt bin ich ja auch gleich fertig und spare dafür morgen den Weg in der Sonnenhitze, statt dessen ich meine doch nur so kurze Mittagsruhe halten kann - den Klotz nehme ich heut Abend mit, und das Andere können mir die Jungen den Montag nach der Schule in dem kleinen Wägelchen in's Dorf fahren, das schadet ihnen nichts, und die Bewegung ist nur gesund."

      Wieder arbeitete er eine Zeit lang und fing dabei schon an müde zu werden, denn seine Arme waren den scharfen Dienst nicht gewohnt, aber er hatte sich einmal vorgenommen, den alten Klotz zum Gebrauch fertig zu behauen, und ließ deshalb auch nicht nach. Nur wenn er einmal ruhen mußte, warf er sich einen Augenblick auf das Moos nieder.

      So hatte er eben auch wieder eine Pause gemacht und schaute nach dem Mond hinauf, um danach die Zeit zu wissen. Alle Wetter, es war in der That spät geworden und mußte schon lange elf Uhr vorüber sein. Wie leicht sich das aber auch in der frischen Nacht arbeitete, viel besser als an einem warmen Tage, und viel schneller auch. Aber jetzt mußte er wirklich nach Hause - nur noch die letzte Seite wollte er zuhauen - er hatte ihn sich schon zurecht gestellt, und unwillkürlich warf er den Blick nach der Stelle, wo er lag, fuhr aber auch in demselben Moment erschreckt in die Höhe, denn - er war nicht mehr allein.

      Wo, um Gottes willen, kam denn der Mensch auf einmal her? Er hatte doch keine Seele kommen sehen, und auf dem mondbeschienenen Plan wäre das ja nicht anders möglich gewesen. Jetzt aber saß auf seinem eigenen Holz ein anständig gekleideter Herr, der fast selber wie ein Schulmeister aussah, mit einer solchen Ruhe, als ob er da schon eine Stunde verbracht und ihm zugesehen hätte. /12/ Im ersten Moment glaubte er, das Licht des Mondes täusche ihn nur, und was er da vor sich sähe, sei weiter nichts als der wunderlich gestaltete Schatten eines Baumwipfels, der gerade auf die Stelle fiele. Aber ein Blick nach dem Mond selber überzeugte ihn, daß das nicht möglich sein könne, denn dieser stand jetzt hoch am Himmel, und die Schatten der Bäume reichten gar nicht bis dorthin. Ueber die Wirklichkeit der Gestalt sollte er aber auch außerdem nicht lange in Zweifel bleiben, denn ehe er sich nur noch recht gesammelt hatte, sagte diese freundlich:

      „Guten Abend, Andreas. Noch so fleißig?"

      Der Schulmeister wußte wirklich nicht, wie ihm geschah. Jetzt, da er scharf hinblickte, konnte er selbst die Züge des Fremden deutlich erkennen, aber er erinnerte sich nicht, ihm je begegnet zu sein, und trotzdem redete ihn dieser mit seinem Namen an und hatte außerdem ein Antlitz, das man, wenn einmal gesehen, wohl schwerlich wieder vergessen konnte.

      Es war eine schlanke, edle Gestalt, schwarz, aber sehr sauber gekleidet, besonders mit schneeweißer Wäsche - etwas sehr Ungewöhnliches in Holzhäusel an einem Sonnabend Abend. Sein Gesicht schien allerdings bleich - wozu vielleicht auch das Mondlicht beitragen mochte, aber er hatte große, sprechende Augen und feingeschnittene Lippen, und ein weicher, pechschwarzer Bart kräuste sich leicht um sein Kinn.

      „Guten Abend, mein Herr," sagte der Schulmeister ganz verdutzt, indem er den Fremden so starr ansah, daß dieser ein leichtes Lächeln kaum unterdrücken konnte - „aber wo kommen Sie denn auf einmal her, woher kennen Sie mich?"

      „Ach, mein lieber Herr Pech," sagte dieser aber freundlich, „ich kenne Sie schon seit lange, und habe Ihnen oft mit Vergnügen zugehört, wenn sie sich Abends mit Bellermeier, dem Chaussee-Einnehmer, unterhielten."

      „Da haben Sie zugehört?" rief Andreas, die Augen weit aufreißend - „wie ist denn das möglich?"

      „Ja ja," lachte der junge fremde Herr herzlich vor sich hin. „Bellermeier ist ein komischer Kauz, und wie oft schon hat er mich eingeladen, ihn zu holen."

      „Sie hat er eingeladen, ihn zu holen?" rief Andreas, /13/ wirklich erschreckt, indem er in die Höhe sprang. „Ja, um Gottes willen, wer sind Sie denn eigentlich?"

      „Bitte, lieber Herr Pech," sagte der fremde Herr aber ganz ruhig, indem er ihm mit der Hand winkte, - „behalten Sie Platz und erschrecken Sie nicht. Sie haben nicht den geringsten Grund dafür. Ich bin blos der Teufel."

      „Der Teufel?" sagte Andreas und sank wirklich auf seinen Sitz zurück, fühlte aber auch, wie ihm das Herz ängstlich an zu klopfen fing - er mußte todtenblaß geworden sein.

      „Aber, bester Herr Pech," sagte der Teufel, „was schneiden Sie denn für ein trostloses Gesicht. Sie fürchten sich doch nicht vor mir? Das wäre ja rein kindisch und ist gegenwärtig ein vollkommen überwundener Standpunkt. Ich thue Ihnen nichts,


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