Geschichten aus der Murkelei. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.
»Läßt du uns alle morgen früh von deiner süßen Schleckermilch trinken«, sprach die kluge Ameise, »so wüßte ich schon einen guten Rat.« Da versprach die Katze dies der Ameise hoch und teuer, und so sagte die Ameise: »Wir wollen eine meiner Schwestern schicken, damit sie das Mäuseken ins Ohr beißt. So wird es einen Schreck bekommen, hervorlaufen, und du hast es!«
Wie gesagt, so getan. Die Ameise wurde ausgeschickt, die Katze aber setzte sich sprungbereit vor den Schrank und ließ ihre Augen mit voller Kraft leuchten, damit es auch hell genug wäre, und sie die Maus gleich sähe. Sie warteten – eine Minute – zwei Minuten – drei Minuten, sie warteten noch länger – schließlich kam unter dem Schrank hervor die ausgesandte Ameise. »I, du Faule!« rief die kluge Ameise wütend, »hast du denn die Maus nicht erwecken können? Besitzt du denn gar keine Kraft mehr in deinen Beißkiefern und keine Säure in deinem Leibe, daß du eine jämmerliche Maus nicht aus ihrem Schlafe zwicken und zwacken kannst –!?«
Die Ameise aber berichtete, daß sie nach Kräften gebissen und Säure gespritzt habe, die Maus aber sei nicht aufgewacht. Da wurden andere Ameisen ausgeschickt, sie alle aber gingen umsonst: das Mäuseken wachte nicht auf. Das kam aber daher, daß die Maus in ihrem Loche auf der Seite schlief, so daß sie nur an ein Ohr heran konnten. Das Ohr aber, das oben lag, war das Ohr, das die Katze einmal bei ihrem mörderischen Überfall zerbissen und zerrissen hatte, wovon das Mäuseken ja auch Wackelohr hieß. In diesem Ohr hatte die Maus gar kein Gefühl mehr, und die Ameisen konnten beißen, soviel sie nur wollten – Wackelohr spürte nichts, sondern träumte ruhig weiter von ihrem Mäuserich.
Schließlich ging die kluge Ameise selbst, aber sie konnte auch nicht mehr verrichten als die andern und ging umsonst. Da kam sie wieder und sprach zu der Katze: »Das Mäuseken läßt sich nicht wecken noch rühren, soviel man auch beißt. Aber ich weiß einen andern Rat. Gibst du uns von deiner süßen Schleckermilch, wenn ich ihn dir sage?«
Die Katze antwortete: »Wenn ich die Maus kriege, sollt ihr süße Milch schleckern dürfen, soviel ihr nur wollt.«
Damit war die Ameise zufrieden und sagte: »Morgen mit dem frühesten wird das Mäuseken in den Taubenschlag gehen, um auf dem Taubenrücken zum Mäuserich zu fliegen. Lege du dich nur auf die Lauer und fang sie ab, so hast du sie!«
»Das ist ein guter Rat«, sagte die Katze. »Ich muß die Maus aber noch vor dem Schlag fassen, denn in den Taubenschlag einzutreten, hat der Hausherr mir streng verboten, und schlägt mich wohl tot, wenn er mich bei seinen geliebten Tauben erwischt.«
»Nun, du hast ja alle Zeit, die Maus auf der Treppe zu fangen«, sprach die Ameise. »Gute Nacht.« Und damit gingen sie zur Ruhe. Die Katze suchte sich ein schönes Kissen auf einem Sofa und schlief ein. Die Ameise aber setzte sich auf die Treppe, damit sie die Katze gleich am frühen Morgen an die versprochene Schleckermilch erinnern könnte.
Am frühesten erwachte diesen Morgen der Hausherr und stieg gleich auf den Dachboden, seinen lieben Tauben den Schlag zu öffnen, damit sie draußen sich ihr Futter suchen könnten. Weil er seine Augen aber im Kopf und nicht außen auf den Schuhen hatte, sah er die kluge Ameise nicht, die auf der Stufe schlief, und trat sie auf den Leib. »Hi –!« sagte die kluge Ameise und war tot, und damit hatte sie ihre Strafe weg, daß sie das Mäuseken an die böse Katze verraten hatte.
Der Hausherr hatte gar nichts davon gemerkt, machte den Schlag auf, und alle seine Tauben flogen aus bis auf eine, die unruhig umherlief und gurrte: »Ruckediguck, wo bleibt die Maus? Guckediruck, ich möchte hinaus!«
Der Hausherr, der ihr Gurren nicht verstand, fragte verwundert: »Was ist dir?«
Indem kam schon die Maus mit fliegenden Beinen angesaust, denn die Katze war direkt hinter ihr. Die Katze bedachte in ihrem Jagdeifer nicht, daß sie nicht in den Schlag durfte, und lief ihr nach. Der Hausherr, der die Katze im Schlage sah, ergriff einen Knüppel und ließ ihn auf der Katze tanzen. Die Katze schrie, das Mäuseken sprang auf den Taubenrücken, die Taube klatschte mit den Flügeln und flog aus dem Schlag. Die Katze aber, um den Prügeln zu entgehen und das Mäuseken doch noch zu fangen, sprang hinter der Taube her, konnte aber ohne Flügel nicht fliegen und fiel durch die Luft auf die Erde, fünf Stockwerke tief, wo sie tot liegenblieb.
Das Mäuseken Wackelohr aber wurde von der Taube sanft auf das Dach des andern Hauses getragen, fand ihren Mäuserich, heiratete ihn, und sie bekamen so viele Kinder, daß beide nie wieder allein waren.
Geschichte vom Unglückshuhn
Es lebte einmal ein großmächtiger Zauberer, der hatte einen stolzen bunten Hahn und drei Hühner. Von denen konnte das eine Huhn goldene Eier legen, das andere silberne, das dritte aber gar nichts – nicht einmal gewöhnliche Hühnereier. Darüber wurde es sehr traurig, denn die andern Hühner lachten es aus und wollten nicht einmal mit ihm auf die Straße gehen, und der stolze Hahn, den es sehr liebte, sah es nicht einmal an und redete nie mit ihm. Fand es aber einmal einen schönen langen Regenwurm oder einen fetten Engerling, gleich nahmen ihm die andern den Bissen fort und sprachen: »Wozu brauchst du so fett zu fressen? Du kannst ja nicht einmal gewöhnliche Eier legen, geschweige denn goldene und silberne wie wir. Mach, daß du fortkommst, Nichtsnutz!«
Darüber wurde das Huhn immer verzweifelter, nichts freute es mehr im Leben, es sah trübsinnig in der Ecke und sprach zu sich: »Puttputtputt, ich wollte, ich wäre tot. Zu nichts bin ich nutze. Der stolze, bunte Hahn, den ich so sehr liebe, schaut mich gar nicht an, und so sehr ich auch drücke, es kommt kein einziges Ei aus meinem Leibe. Puttputtputt, ich bin ein rechtes Unglückshuhn.«
Der großmächtige Zauberer hörte, daß das Huhn so klagte, und er tröstete es und sprach: »Warte nur, was aus dir noch werden wird! Deine Schwestern können wohl goldene und silberne Eier legen, dich aber habe ich zu einem noch viel besseren Werke aufgehoben. Aus dir wird man noch einmal eine Suppe kochen, die Tote lebendig macht.«
Diese Worte des Zauberers hörte seine Haushälterin, ein kleines, böses Fräulein, das die Hexerei erlernen wollte, und sie dachte bei sich: ›Eine Suppe, die Tote lebendig macht, ist eine schöne Sache, damit könnte ich viel Geld verdienen.‹
Als nun der großmächtige Zauberer zu Besuch bei einem anderen Zauberer über Land gefahren war, fing sie das Unglückshuhn, schlachtete es, rupfte und sengte es, nahm es aus und tat es in einen Kochtopf, um die Lebenssuppe aus ihm zu kochen. Als das Wasser aber zu brodeln und zu singen anfing, klang das der Hexe geradeso, als riefe das tote Huhn im Kochtopf: ›Puttputtputt, ich Unglückshuhn! Puttputtputt, ich Unglückshuhn!‹
Da bekam die Hexe einen großen Schreck, sie tat alles vom Feuer, holte sich Messer, Gabel und Löffel und machte sich daran, das Huhn schnell aufzuessen. Denn sie dachte in ihrer Dummheit, wenn sie das Huhn erst im Leibe hätte, würde es nicht mehr rufen können, und so würde der Zauberer auch nichts von ihrer Untat erfahren.
Derweilen saß der Zauberer mit seinem Freunde in dessen Stube, und weil sie sich alles erzählt hatten, was sie wußten, fingen sie an, sich aus Langeweile einander ihre Zauberkunststücke zu zeigen. »Was hast du denn da an der Nase?« fragte der eine und zog dem andern einen Wurm aus dem Nasenloch. Der Wurm wurde immer länger und länger. »Nein, was hast du bloß für Zeugs in der Nase«, sagte der Zauberer. »Du solltest sie doch einmal ordentlich ausschnauben!« Und er warf den Wurm, der einen guten Meter lang war, zum Fenster hinaus.
»Und du?« fragte der andere Zauberer, »du wäscht dir wohl nie die Ohren? Wahrhaftig, da gehen schon die Radieschen auf! Sieh doch!« Und er griff ihm ins Ohr und brachte eine Handvoll Radieschen hervor. Danach eine dicke gelbe Rübe und zum Schluß gar eine grüne Gurke, die noch länger war als der Wurm.
»Nun laß es aber genug sein«, sagte der andere und hustete. Und von dem Husten flog das ganze Gemüse vom Tisch und einem auf der Straße vorübergehenden Weibe in den Korb. Das meinte, heute schneie es Radieschen, regne Gurken und hagele Rüben, und fing vor Schreck an zu laufen, daß seine Röcke flogen. Die beiden Zauberer aber lachten, daß ihnen die Bäuche wackelten.
»Jetzt will ich dir etwas zeigen, was du nicht kannst«, sagte der fremde Zauberer.