Amsterdam. Uwe HammerЧитать онлайн книгу.
ihn umgebender Lebensfreude belästigt wurde. Obwohl er es genoss die beiden Frauen zu beobachte, obwohl er das Gefühl hatte, ein Stück seines Lebensweges mit der jungen Frau zu teilen, vielleicht sogar ein Stück ihres Lebensglücks zu spüren, fühlte er sich bedroht, bedroht von etwas dass er in dieser Form nicht kannte, dass sich in aller Regel weit von ihm entfernt aufhielt, und dass ihn dazu zwang, sein eigenes Leben in Frage zu stellen.
Unverhofft schaute ihm die junge Frau auf einmal direkt ins Gesicht, und er spürte, wie ihr Blick kurz auf seinem Gesicht haften blieb. Für einen kurzen Augenblick wich das Lächeln aus ihrem Gesicht und sie sah ihn fast mitleidig an. Klar ging es Dieter durch den Kopf, für eine junge Frau war es eine unerträgliche Vorstellung so entstellt in der Öffentlichkeit herumlaufen zu müssen. Aber nur wenige Sekundenbruchteile später lächelte sie ihn kurz an, um sich dann wieder dem Gespräch mit ihrer Freundin zu widmen. Zum ersten Mal störte es ihn, dass sein Gesicht so entstellt war, gerne hätte er der jungen Frau ein ebenso freundliches Lächeln geschenkt, aber aufgrund seines derzeitigen Zustandes geriet jedes Lächeln unweigerlich zu einer Fratze.
Es tröstet ihn, dass es erkennbar war, dass sein augenblickliches Aussehen nur vorübergehend war und er bald seine alte Schönheit wieder zurückerlangen würde, die wenn er ehrlich war sehr im Auge des Betrachters lag, denn eine Schönheit war er nicht gerade. Bis dahin oblag es der Phantasie des Betrachters oder besser der Betrachterin sich auszumalen, wie er wohl ohne Schiene vor der Nase, blau unterlaufenen Augen und diversen Abschürfungen aussehen würde. Sicher hatte sich die junge Frau ausgemalt, dass er wie Brad Pitt aussehen würde, dass jedenfalls wünschte sich Dieter von ganzen Herzen. Leider standen die beiden jungen Frauen kurz darauf auf und begaben sich in Richtung Ausgang. Glücklicherweise taten sie ihm den Gefallen, dass sie sich in seiner Blickrichtung in Bewegung setzten, so hatte er noch die Möglichkeit den beiden Frauen nachzusehen ohne sich verrenken zu müssen, und bei dieser Gelegenheit den in der engen Jeans sehr vorteilhaft präsentierten Hintern der jungen Frau zu begutachten. Als die beiden Frauen ausgestiegen waren hinterließen sie ein Vakuum in Dieters Kopf, und er verbrachte den Rest der Fahrt mit dem Versuch Ordnung in seine Gedanken zu bringen, wozu die Fahrt aber eindeutig zu kurz war. Als er ausstieg war er und seine Gedanken immer noch sehr verwirrt, und er begab sich äußerst widerwillig in Richtung seiner Arbeitsstelle. Bevor er sein Büro betrat, um sich den Blicken seiner nicht allzu sehr geschätzten Kollegen und Kolleginnen auszusetzen, blieb er kurz stehen und überlegte ob er sich nicht einfach umdrehen sollte und wieder nach Hause gehen sollte. Dieser Vorgang wiederholte sich fast jedem Tage und wie jedes Mal entschied er sich, nicht nach Hause zu gehen, sondern seiner verdammten Pflicht nachzugehen.
Eines Tages und das schwor er sich ebenfalls jedes Mal, können sie ihn Alle den Buckel herunterrutschen um das Ganze etwas vornehmer auszudrücken, Er stellte sich vor, wie er einfach die Tür aufreißen, „Ihr könnte mich alle Mal„ den verstört dreinschauenden Kollegen und Kolleginnen entgegen rufen sich umdrehen und wieder nach Hause gehen würde, um nie wieder zu kommen. In der Hoffnung, dass ihn keiner seiner Kollegen und Kolleginnen sieht, begab er sich möglichst unauffällig in Richtung seines Schreibtischs, obwohl er wusste, dass es unumgänglich war früher oder später seinen Kollegen und Kolleginnen in die Arme zu laufen.
„Ah unsere Sportskanone“, schallte es Dieter bereits nach wenigen Sekunden entgegen.
Gott sei Dank dachte er bei sich als er die Stimmer erkannte. Es war Andreas Krüger, einer der wenigen Kollegen mit denen Dieter gut zu Recht kam. Andreas war fast so etwas wie ein Freund, auch wenn es diese Freundschaft nie in den privaten Lebensbereich von Dieter geschafft hatte, sondern es sich um eine reine Arbeitsplatzfreundschaft handelte, mochte er Andreas sehr gerne. Vor allem mochte er seinen Humor und seine lockere Lebenseinstellung. Andreas sah nicht alles immer so verdammt verbissen, wie die Anderen Kollegen und Kolleginnen und vor allem wie er selbst. Er war nicht immer nur am Schimpfen und beteiligte sich nur selten am allgemeinen Gelästert während der Frühstücks- und Mittagspause.
“Na lass dich mal ansehen“, sagte Andreas während er ihm den Arm um die Schulter legte um ihn übertrieben gründlich zu mustern.
„Man sieht ja fast nichts“, schloss er mit einem breiten Grinsen seine Begutachtung ab.
„Tut es denn weh?“
„Nur wenn ich lache. Ist der Alte schon da?“ wollte Dieter wissen.
„Ja der wartet schon auf dich, hat irgendetwas von einer Zwischenpräsentation gefaselt“
Bei dem Wort Zwischenpräsentation läuft es Dieter eiskalt den Rücken herunter.
„Verdammt die Präsentation habe ich ganz vergessen wann soll die vorgestellt werden?“
Dieter blickt ängstlich zu Andreas in der Hoffnung von der schlimmsten aller denkbaren Antworten verschont zu bleiben.
„Heute um 10:00 Uhr. Der Entwicklungsleiter Dr. Müllerstein ist auch schon im Haus, ich wusste gar nicht, dass der heute auch dabei ist. Ich glaube der hat eine verdammt schlechte Laune, jedenfalls hat der den Alten schon ziemlich zur Sau gemacht.“, antwortete Andreas mit einem mitleidigen Blick in Richtung Dieter.
Diese Antwort übertraf die von Dieter als die schlimmste aller denkbaren Antworten erdachte um ein erhebliches Maß, auch wenn er der Vorstellung, dass der Alte zur Sau gemacht wurde, durchaus etwas Positives abgewinnen kann. Dieter wurde schlagartig klar, dass er ein Problem hatte und zwar ein großes. Er besaß eine Rohfassung der Präsentation die allerdings noch so roh war, dass das Blut noch daraus tropfte und er hatte genau eine Stunde Zeit, diese so aufzubereiten, dass sie zumindest einigermaßen verdaulich war. Dieters Puls beschleunigte sich rasant.
„Verdammt ich muss sofort retten was noch zu retten ist, der Alter wusste doch, dass ich krank war, warum hat er den Termin nicht verschoben?“ schaffte Dieter seiner Verärgerung Luft während er sich schon auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz machte.
Die Präsentation
Der Alte war Joseph Bachmüller Dieters direkter Vorgesetzter, den Dieter, wenn er bezüglich Herrn Bachmüller positiv gestimmt war gerne als Arschloch titulierte, wobei diese Bezeichnung die charakterlichen Eigenschaften von Herrn Bachmüller wohl am trefflichsten wiedergab. Das einzige was Dieter an Herrn Bachmüller mochte war dessen Unsportlichkeit die er fast schon provokativ in Form eines enormen Hüftumfanges zu Schau trug. Ansonsten war er herrschsüchtig, ungehobelt, ungerecht, und eben das besagte Arschloch. Dieters Problem war, dass die Gefühle die Herr Bachmüller im gegenüber hegte in etwa deckungsgleich mit seinen Gefühlen Herrn Bachmüller gegenüber waren, allerdings und das fand Dieter schicksalsmäßig äußerst ungerecht, hatte Herr Bachmüller bedeutend mehr Möglichkeiten seiner Unsympathie Rechnung zu tragen. Was dieser auch mit großer Genugtuung in Form der Zuteilung von sehr unbeliebten Tätigkeiten praktizierte.
Auf Deutsch gesagt alles wozu keiner in der Abteilung Lust hatte oder was unvermeidlich dazu führte, sich bei den Kollegen und Kolleginnen unbeliebt zu machen landet bei Dieter. Dazu zählten unter anderem, die Terminverfolgung, die Überprüfung der Einhaltung des Budgets, das Sicherstellen der Produktqualität sowie dafür zu sorgen, dass von der Geschäftsleitung mutmaßlich willkürlich eingesetzte Arbeitsrichtlinien, heute kurz Prozesse genannt, in der vorgeschriebenen zeitlichen Reihenfolge eingehalten wurden, sowie die Verfassung von Begründungen wenn dies wie fast immer nicht der Fall gewesen war, und nicht zu vergessen die Erarbeitung von Präsentationen sowie das Vortragen der Selbigen, insbesondere wenn es sich um das Vorstellen von Misserfolgen handelte, was ebenfalls meist der Fall war. Positive Meldungen überbrachte Herr Bachmüller in der Regel persönlich, was allerdings eher selten vorkam. Bei der heutigen Präsentation ging es darum Herrn Müllerstein möglichst schonend beizubringen, dass die Entwicklung der neuesten Generation von Hochspannungsschaltern nicht ganz den gewünschten Erfolg gebracht hatte.
Zum einen vielen die Dinger bereits nach der Hälfte der vorgeschriebenen Schaltzyklen reihenweise aus, zum anderen hetzte man dem vorgegebenen Zeitplan bereits um 4 Monate hinterher, wobei dieser davon ausging, dass das Produkt zu diesem Zeitpunkt voll funktionsfähig war, was nach Dieters Ansicht von einer gewissen Weltfremdheit zeugte, und zu guter Letzt, war das Budget bereits um