Die Legende der Eiswölfe. Nicole SeidelЧитать онлайн книгу.
sage wir greifen sie an! Mögen sie uns auch in der Zahl um das Vierfache überragen, es sind doch nur Menschen. Allein ein Elf kann es leicht mit acht von ihnen aufnehmen", äußerte sich der hellblonde König Leboras. Der blonde Aensidhe hatte einst die Stadt Ban Lâvael beherrscht, bevor sein Volk 519 n. G. D. in die fruchtbaren Ebenen ins Amruner Nordtal hinab zog, war vom Blut vergießen zwar nicht wirklich angetan, stimmte aber auch für einen Angriff.
Die Gnome äußerten sich nur argumentlos mit einem "Nein, wir wollen keinen Krieg!" und zu aller Überraschung schlossen sich ihnen die Trolle mit einem "wollen wieder nach Hause gehen" an.
Der schwarzhaarige Ysengrím aep Gynvael nickte zum ältesten Elfenkönig herüber und ließ sein edles weißes Ross den Abhang hinunter schreiten. Ihnen folgte der blonde Leboras aep Lâvael, ebenfalls auf einem edlen Schimmel. Der Zwergenkönig und sein General und der Feldlord der Gnome rannten den Elfen hinterher. Auf halber Höhe des Niemandstreifens blieben die Verteidiger stehen.
Ihnen kamen die frischernannten Könige von Valdavien, Doriath, Amrun und Lanndun entgegen, gefolgt von weiteren Herzöge und Feldlords, so dass den sechs Verteidiger doppelt so viele Aggressoren gegenüber standen.
Es gab einen kurzen, aber heftigen Wortabtausch, indem Dunkelkönig Gil'galad die Herausgabe seines Sohnes forderte - was er zur obersten Bedingung der Friedensverhandlungen ansetzte.
Ein bärtiger hübscher Mann in rotgoldener Rüstung, der neben dem König von Doriath stand, hob seine behandschuhte Hand. Auf seinen Befehl hin, brachte ein orangegerüsteter Ritter den gefangenen Elfenprinzen herbei. "Auch mein Herz hat genug vom Krieg und Tod, sehnt sich nach der friedlichen Heimat. Ihr mögt uns zahlenmäßig unterlegen sein, aber ich zweifle nicht an dem Mut und der Ausdauer und der Gefährlichkeit von Elfen, Zwergen und - ich sehe auch Trolle in euren Reihen."
Der reitende Ritter zerrte eine schlanke Gestalt zu Fuß an einem Seil hinter sich her. Die edle schwarz-rote Gewandung des Gefangenen war zerrissen, sein sehniger Körper wies Spuren von Folterung auf. Schnittwunden ebenso, wie Prellungen und Peitschenhiebe - wer weiß, was sie ihm noch angetan haben, dachte der uralte Elfenkönig, jedenfalls hat seine Schwester Tage lang mitgelitten und vor Schmerzen geschrien.
Der Prinz Nuance Silver 'Elin hielt den Blick zu Boden gesenkt, sein weißes langes Haar hing ihm wirr vom Kopf. Nicht ein einziges Mal hatte er zu seinem Vater und König hinauf gesehen, dieser hingegen konnte keinen Lidschlag lang seinen Blick von der geschundenen Gestalt wenden.
"Unsere Forderungen sind folgende", setzte der rote König Elessar, vom Geschlecht der Tanelors, die Friedensverhandlungen fort. "Unverzüglich hat sich die Armee aufzulösen, jeder kehrt in seine Heimat zurück. Jeder Locthar meldet sich zur Unterzeichnung der Petition bei dem ihn vorstehenden König. Der Dunkelkönig und die Zwerge untersteht zukünftig Gereon von Doriath. Ihr, Locthar Ysengrím untersteht fortan dem Lannduner König. Amrun nimmt sich der Gnome und Trolle aus Loth an. Da sich die Aensidhe in alle Königreiche verstreut haben, muss Locthar Leboras mir den Treueeid schwören. Gibt es hierzu Einwände?"
Die Zwerge und Gnome grummelten etwas Undeutliches in ihre bärtigen Gesichter, die Elfenkönige senkten nur kurz schweigsam den Blick zu einem einstimmigen Nicken.
"Ich lade alle hier anwesenden edlen Herrschaften zu einem Fest nach Aedd-Tanelor ein. Dort werden auch alle Verträge unterzeichnet. Ach, ich vergaß", wandte der Valdavische König Elessar ein und winkte seinem Ritter, der ihm das Seil des Gefangenen übergab. "Er hat viele meiner besten Männer getötet, euer Sohn. Ich gebe ihn nur ungern wieder frei, da er eher auf einem Schafott Platz nehmen sollte. Seht es als mein guter Wille an, dass mir der Friede zwischen unseren Völkern dieses Opfer wert ist." Der hübsche König in roter Rüstung zog unerwartet und heftig an dem Seil, so dass der Elfenprinz nach vorn gerissen wurde und auf die Knie fiel. König Elessar übergab dem uralten Dunkelkönig das Ende des Taus ohne sein ernstes Gesicht wegen dieses Triumpfes zu verziehen.
Die beiden Zwerge eilten zu Nuance und durchschnitten ihm die Fesseln. Auf die Füße helfen ließ er sich jedoch von ihnen nicht. Er verbarg sein Gesicht weiterhin hinter dem wirren Haar, zeigte kaum Regung. Sein Vater ritt an ihn heran, bot ihm die Hand entgegen. Nur kurz blickte Nuance auf, ergriff die Hand, dann schwang sich der Prinz hinter seinen Vater aufs Pferd.
Die Elfen ritten mit stolzen Häuptern und wehenden Mähnen zurück auf die Anhöhe und gaben Befehl zum Abzug. Zwerge, Gnome und Trolle trotteten ebenfalls vom Feld. Die Menschen sahen ihnen mit eisigen Mienen nach.
"Werden sie unsere Verträge unterzeichnen und akzeptieren?" fragte Doriaths König Gereon.
"Wir müssen ihnen keine andere Wahl lassen", entgegnete Elessar de Tanelor.
Prinz Nuance gönnte sich keine Ruhepause, zog einen wärmenden Umhang über und ließ sich ein Pferd geben. "Ich will zu meiner Schwester, unverzüglich!"
Der alte Elfenkönig winkte einigen seiner blass-häutigen Krieger, die den Prinzen in die Heimat nach Ban Dúath - einer unterirdischen Stadt im Schwarzgebirge - begleiten sollten. Er wollte im gemächlicheren Tempo mit seinem Heer folgen. Seine beiden Kinder Nuance und Nuaja waren Zwillinge, die eng miteinander verbunden waren, nicht nur geistig, auch körperlich teilten sie ein Schicksal. Verletzte sich der eine, litt der andere mit. Jeder wusste was der andere fühlte, was er dachte und wo er sich aufhielt. Und doch waren sie sich so gegensätzlich, wie ihr Geschlecht.
Der geschundene junge Elfenkrieger streifte sich das weiße Haar aus dem Gesicht. Darunter kam das bleiche Antlitz mit dem Narbentattoo über der Wange und den gelben Augen und dunklen Lippen zum Vorschein. Er trieb das Pferd zum scharfen Galopp an und rief ihr "Telithon!" entgegen.
Jhil fuhr erschrocken aus dem Traum hoch. Ihre Nackenhaare stellten sich aus Furcht. Diesem Elfenprinz Nuance Silver 'Elin gehörte das weiße, unheimliche Gesicht. Diesem Prinz war in dem alten Buch ein eigenes Kapitel gewidmet, aber sie hatte dieses Kapitel nur mal kurz überflogen gehabt.
Den alten Folianten hatte sie aus dem unterirdischen Lager des Museum, in dem sie arbeitete, mitgehen lassen. Weil das Buch sie auf magische Weise angezogen hatte und weil sie eine der wenigen Menschen war, die diese alten verschnörkelten Elfenrunen zu entziffern vermochte. Das Erbe deiner Vorfahren, hatte ihre Großmutter einige Male geheimnisvoll verlauten lassen. Das Alte Blut kommt durch, weil ihr Zwillinge seid und es sich somit verstärkt, verriet ihr ihre Großmutter. Als Jugendliche fand sie es toll, etwas anders zu sein - aber nun mit sechsundzwanzig Jahren wollte sie nicht mehr so recht daran glauben.
Wieso offenbarte ihr das Elfenbuch gerade jetzt diese seltsame Kriegsoffenbarung? All das konnte doch nicht mehr existieren, war viele Tausend Jahre her.
Jhil schaute auf die Uhr, es war gerade mal halb Fünf Uhr morgens. Ihr blieben noch mindestens eineinhalb Stunden, bevor sie aufstehen musste. Aber der Schlaf wollte sich nicht mehr einfinden. Eine halbe Stunde später nach etlichem Herumwälzen, machte die Frau das Licht an und holte sich das alte Buch auf den Schoss und suchte das Kapitel mit dem Elfenprinz Nuance heraus und versuchte aus der Elfenerzählung schlau zu werden.
Jhil fand den Professor im abgesperrten hinteren Bereich des Museums. Er redete dort mit Joe Marley. Professor Eduard Higgins war ein stattlicher Herr, deren beste Jahre bereits hinter sich lagen, was ihn griesgrämig gegenüber seinen jungen Mitmenschen werden ließ. Als er Jhil auf sich zuschreiten sah, sprach er sie sofort an - an ihrem ernsten Gesicht hatte er schnell ihre Stimmung abgelesen. "Ah, Jhil, da sind sie ja endlich. Sie begleiten Joe zum Flughafen. Ihr Bruder wird sich freuen, sie zu sehen!"
Die Frau blickte mit funkelnd-grünen Augen kurz auf ihre Uhr, es war viertel vor neun - also war sie pünktlich. "Professor", zischte Jhil, "wann wollten sie mir mitteilen, dass Aleann kommt?"
Doch auf die Provokation ging der graumelierte Herr Professor nicht ein. "Joe, rufen sie Kurt und die Jungs an. Es wird ein zweiter LKW benötigt. Ich will nicht, dass sich irgendwelche Fremde mit der Fracht befassen."
"Schon geschehen, Professor." Joe Marley war ein kräftiger, rotblonder Shymier. "Er müsste jede Minute hier eintreffen."
"Bringen