Verloren und Gefunden. Мэри Элизабет БрэддонЧитать онлайн книгу.
gewiß,« antwortete Gervoise, »ich werde die Damen und Herren in meinem besten Styl malen.«
»Was wir bedürfen« fuhr Mr. Cadgers fort, »ist etwas Wohlfeiles, was Effect macht, und in Luft und Sonnenschein haltbar ist. Wir wollen jedesmal, ehe wir eine Stadt besuchen, einen Jungen mit den Bildern vorausschicken und sie in den Ladenfenstern aufhängen lassen. Sie werden die besten Anzeigen sein. Ueber den Preis werden wir wohl mit einander einig werden und Sie können mit uns leben, bis sie fertig sind.«
»Einverstanden,« rief der Maler, »und das Kind?«
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Nancy wird sich seiner annehmen. Es war sie, die es so eben in den Wagen getragen hat.«
So schlief Gervoise Gilbert diese Nacht ruhiger unter der blauen Decke des Himmels als er jemals in der verpesteten Atmosphäre von Purvis-Court geschlummert hatte. Er schlief ruhig, denn er hatte wenigstens die Hoffnung, daß er morgen und noch viele Morgen Brod haben werde, und der schwarze Schatten der Verzweiflung verschwand vor diesem Lichte der Hoffnung.
Bei Sonnenaufgang am folgenden Morgen verließ Mr. Cadgers’ Truppe Putney-Heath. Sie Frauen fuhren in dem Wagen, der mit den Gegenständen für den Circus, den Costümen und den häuslichen Bedürfnissen der Gesellschaft schwer beladen war. Mr. Cadgers fuhr. Der Rest der Gesellschaft ging auf der staubigen Landstraße einige Schritte vor dem Wagen her. Die Reise ging den innern Districten von England zu.
Die Fußgänger waren Gervoise Gilbert, Mr. William Stockes, gewöhnlich Masse Montmorency genannt, der Wirbelwind der Wüste, dessen wahrer Name Samuel Bolter war, und Herr von Volterschocker, der sich weigerte, seinen wirklichen Namen kund zu geben.
Er war ein ältlicher mürrischer Mann, mit sehr schwarzen Augen und in’s Graue spielenden Haaren, und es ließ sich kaum denken, daß er jemals selbst drollig sein, oder Andern Spaß gewähren könnte. Er war ganz verschieden von seinen Kameraden, welche sich zutraulich und mittheilsam zeigten, denn man sah ihn selten seine Lippen öffnen, wenn er nicht durch die gewöhnlichen Geschäfte des Lebens dazu genöthigt war. Er hatte das Aussehen eines Mannes, der mit einem düstern Geheimniß belastet und nie im Stande gewesen war, diese Bürde abzuschütteln oder sich von dem Gefühle der daraus entspringenden Verantwortlichkeit frei zu machen.
Gervoise, Stockes und Bolter marschirten auf der staubigen Straße neben einander, fröhlich mit einander plaudernd. Volterschocker dagegen ging hinter ihnen her, beständig rauchend und still wie das Grab.
»Ist er geschickt?« fragte Gervoise seine Begleiter« nachdem er sich einen Augenblick nach diesem Manne umgesehen hatte.
»Ungewöhnlich,« antwortete Mr. Bolter. »Er versteht sich vortrefflich auf allerlei Kunststücke; er kann Feuer und Messer verschlingen, einen Dolch nach einem Punkt an der Wand werfen und dergleichen mehr. Aber im Spaßmachen leistet er nichts und es überläuft mich immer kalt, wenn er lustig sein will.«
Gervoise Gilbert hielt in einer der Städte, durch die sie zogen, an, um mit einigem Gelde, das ihm Mr. Cadgers vorgeschossen hatte, Leinwand und Farben zu kaufen.
Um zwei Uhr an diesem Tage kamen sie zu einem Stück unbenutzten Landes am Saume eines Waldes und hier unter den Bäumen wurden die Pferde ausgespannt und die Wanderer setzten sich nieder, um etwas Brod und Fleisch zu essen, das Mrs. Cadgers unter sie vertheilte. Als Trank hatte man aus der letzten Schenke, an der sie vorüberkamen, eine reichliche Quantität Bier in einem großen steinernen Krug mitgebracht.
Die Pferde sollten hier mehrere Stunden ausruhen und nachdem Gervoise dies einfache Mahl getheilt hatte, holte er seine Pinsel und Palette hervor, mischte die Farben und setzte Alles für seine Arbeit in Bereitschaft.
»Wir wollen mit Ihrem Portrait beginnen, Herr von Volterschocker, wenn Sie nichts dagegen haben,« sagte er.
Der junge Mann traf diese Wahl, weil er durch eine Art Zauber zu dem schweigsamen Spaßmacher oder Clown hingezogen wurde.
Die andern Männer waren gutmüthige Menschen, alltäglich und uninteressant genug; aber dieser Mann hatte etwas Geheimnißvolles an sich, das Gilbert unwillkürlich anzog.
Der Clown hatte keine Einwendung dagegen, daß sein Portrait zuerst gemalt wurde. Er entfernte sich und kam nach etwa zehn Minuten in seinem grotesken Künstlercostüm zurück.
Dieser Anzug hing lose an seinem Körper und ließ seine dünnen muskulösen Arme vom Ellbogen abwärts entblößt.
Gervoise Gilbert blickte mit Ueberraschung auf diese langen nackten Arme. Sie waren vom Handgelenk aufwärts mit sonderbaren Figuren bedeckt, die mit Indigo und Zinnober eingeätzt, eine unvergängliche Dauer hatten.
Der Maler ging an seine Aufgabe und arbeitete fleißig bis Sonnenuntergang, bis zu welcher Zeit Herrn von Volterschockers Portrait beendigt war, zwar nachlässig, aber in einer Weise gemalt, welche den genialen Künstler verrieth.
Die Männer und Frauen kamen sämmtlich herbei, um das Portrait ihres Gefährten anzusehen. Alle hatten etwas daran zu loben; nur der Clown sagte nichts. Mit gefalteten Armen stand er da, den Maler und die lärmende Gruppe mürrisch ansehend.
Gervoise Gilbert redete ihn endlich an. »Glauben Sie, daß es ähnlich ist?« fragte er, auf das nasse Portrait deutend.
»Aehnlich genug,« antwortete der Clown, indem er über die Schulter des Malers auf das nasse Bild blickte, »ähnlich genug. Es ist nicht das erste Mal, daß mein Portrait gemalt wurde, aber ich hoffe, daß es das letzte Mal ist. Ich bin nicht so besonders schön, daß die Leute Ursache haben, sich meiner zu erinnern, wenn ich todt und fort bin.«
Gervoise Gilbert bemerkte, daß dieser Mann trotz seines mürrischen Tons in seiner Aussprache und Sprechweise eine höhere Bildung verrieth als seine Gefährten.
Der Mond war aufgegangen, als die Pferde wieder angespannt wurden und die Wanderer ihren Weg fortsetzten. Diesmal verließ Gervoise seine früheren Begleiter und begab sich an die Seite des Clowns. Herr von Volterschocker sah ihn mißtrauisch an.
»Sie würden besser daran thun, wenn Sie sich zu Ihren Freunden hielten,« sagte er, »Sie sind lebhafter als ich, und ich mache mir gar nichts aus Gesellschaft.«
»Ich will Sie nicht lange stören,« antwortete Gervoise; »ich werde sogleich zu ihnen zurückkehren; nur möchte ich Ihnen zuerst eine Frage stellen.«
»So fragen Sie denn,« sagte der Clown, ohne seine Pfeife aus dem Munde zu nehmen, »machen Sie es aber kurz.«
»Wie lange haben Sie diese Zeichnungen auf Ihren Armen?«
»Dreißig Jahre.«
»Haben Sie dieselben gemacht?«
»Nicht alle; einige wurden von einem Matrosen am Bord eines Schiffes mehr als tausend Meilen von hier gemacht, die übrigen habe ich selbst eingeätzt.«
»Wollen Sie mir einen Gefallen erweisen?«
»Das kommt darauf an, was es ist. Wenn es mir nicht viel Mühe macht, so werde ich’s vielleicht nicht ablehnen.«
»Der kleine Knabe, der im Wagen dort führt, ist mein einziges Kind und mir theuerer als irgend etwas in der Welt. Es giebt eine Person, die ihn sehr gern von mir wegnähme, wenn sie könnte« und in der ganzen vorigen Nacht wurde ich von dem Gedanken verfolgt, daß er mir entführt werden könnte. Wenn er mir jetzt in seiner ersten Kindheit entrissen würde, so könnte er sich wenn er zum Manne heranwächst, sehr leicht in einer Weise verändern, daß ich ihn, beim Wiederfinden nach jahrelangem Suchen nicht mehr erkennen würde. Mehr noch der Tag mag vielleicht kommen — ich sage nicht, daß er jemals kommen wird« aber er kann kommen, wo dieser Knabe der Erbe eines großen Vermögens sein wird. Sollte dieser Fall jemals eintreten, so wird es nothwendig sein, seine Identität zu beweisen. Ich wünschte, daß Sie seinen Arm mit einem Merkmal zeichneten, das niemals vergeht oder anders wird, sollte er sich auch so sehr verändern, daß ihn selbst das liebendste Auge nicht mehr zu erkennen vermöchte. Wollen Sie das für mich thun?«
»Ja,« antwortete Herr von Volterschocker, »es geschieht selten, daß ich Jemand eine