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Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Kaiserreich Trilogie, 3. Der Kopf - Heinrich Mann


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den Kopf wiegend: »Bin ich verrückt?« Und Terra, scharf: »Aha.« Darauf sahen sie einander an.

      Mit seinem angeborenem Lächeln nahm Elias die neue Wendung hin. »Wenn Sie von der Konkurrenz sind, was wollen Sie wissen und wieviel bieten Sie?«

      »Mindestens zwanzig Mark Gehaltsaufbesserung, wenn Sie mir sagen, wer Mohrchen ist.«

      »Herr Mohrchen«, den Kopf wiegend, »ist ein feiner Mann, er muß etwas wissen vom Herrn Direktor.«

      »Zahlt der Direktor freiwillig?«

      »Gott soll schützen. So oft sie in seinem Zimmer zusammen reden, kracht es gegen die Polstertüren, als ob sie werfen, und im Schallrohr können wir sie hören brüllen.«

      »Ich habe die Weisung, die Dinge aufzuklären«, sagte Terra und preßte die Lippen aufeinander. Elias erblaßte; er verließ seinen Stuhl, um einen Kratzfuß zu machen, worauf er sich artig wieder hinsetzte. »Zu Befehl, Herr Polizeirat«, sagte er sanft. Terra befahl:

      »Sobald Mohrchen wieder auftaucht, gehen Sie ihm nach, ich entschuldige Sie im Geschäft. Achten Sie darauf, wohin er das Geld trägt.«

      Hierauf verabschiedete er seinen Gehilfen, trank den Kaffee aus und kehrte in sein Bureau zurück. Am Schreibtisch kramte Jemand, eine grüne Jacke – »das Volk.« Beim Erscheinen Terras warf es die Papiere in die Schieblade zurück, sagte »Mahlzeit« und wollte gehen. »So haben wir nicht gewettet«, rief Terra. »Was treiben Sie hier?«

      »Das Volk verlangt Sicherheiten«, sagte »das Volk«, blond und frisch, und wippte auf den Absätzen.

      »Wofür?«

      »Daß unser Geld nicht flöten geht. Sie sind auch wieder einer.«

      »Einer, von welchen?«

      »Von der Judenbande, die das Volk um sein Geld bringt.«

      »Sie haben das Ihre wohl in der Generalagentur für das gesamte Leben angelegt? Ihnen kann geholfen werden.«

      »Das Volk hat schon zu oft das Nachsehen gehabt«, stellte »das Volk« fest und marschierte ab.

      Das Vorzimmer hatte sich seit Mittags noch nicht wieder gefüllt, gleichwohl war Seifert zu hören, als beschwöre er eine unsichtbare Menge. Terra fand ihn, gehetzt wie je, hinter seiner Schranke, die ihn nur ungenügend schützte gegen die Angriffe eines weiblichen Wesens. »Um Gotteswillen, Fräulein Alma!« flehte er. »Aus der Kasse kann ich die Alimente nicht nehmen. Woher also?«

      »Aus der Kasse«, verlangte die Dame unerbittlich. »Und dalli, sonst weiß man, was man zu tun hat.« Ohne weiteren Aufschub schrie sie »Vater!« und wollte die Schranke durchbrechen, ihr verregnetes Pelzwerk flog ihr voran. Da trat Vater Lange schon auf, »das Volk« und Elias stützten ihn, er war nahe am Versagen. »Alma, Kind,« jammerte er, »halte doch bloß den Rand, ich komme als alter Mann um meine Stelle.« Da sie aber nichts weniger als nachließ, erfaßte der Aufruhr auch ihn. »Haben Sie das nötig gehabt, Herr Seifert?« keifte er. »Nun sehen Sie sich Ihre Arbeit an, auf die Straße geht sie, nicht mal mehr ins Kaffee!« Seifert stand gebeugt und beide Hände ins Haar gekrallt, »das Volk« hatte seine Freude, Elias sah freundlich drein. Terra erhob die Stimme.

      »Mein Fräulein, würden Sie sich entschließen können, den Betrag für diesmal von mir entgegenzunehmen?«

      »Aber ja. Kleiner«, erwiderte sie und wollte ihm eine Karte winzigen Formates zustecken. Er machte ernst einen Schritt rückwärts. »Ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten, mein Fräulein, darf ich Sie um dieselbe Rücksichtnahme ersuchen.«

      »Aber ja«, wiederholte sie, erstaunt, und wollte gehen. Jetzt schritt aber der Vater, die Partei wechselnd, gegen sie ein, mit seinem Vaterfluch beförderte er sie hinaus. Als er gebrochen wiederkehrte, empfingen ihn die Herren: »Vater Lange, Alma wird schon wieder gut tun.« – »Das sagen Sie nur immerzu«, seufzte der Vater und zog schleppend in seine Dunkelkammer ab.

      Terra, mit dem Kassierer allein geblieben, sagte: »Seifert, Sie sind auch ein Unglückswurm.«

      »Ich brauche ein Mädchen nur anzusehen, schon hat es ein Kind,« sagte Seifert erschlagen. Terra beugte sich vertraulich über die Schranke. »In dieser unverschuldeten Notlage würde ich eine vorübergehende Inanspruchnahme der Kasse – ich will nicht sagen verstanden, aber fast verstanden haben.«

      Seifert hatte schon wieder die Finger in den Haaren. »Wenn ich das auch noch täte!«

      »Wo bliebe die Generalagentur für das gesamte Leben«, ergänzte Terra. »Denn Herr Mohrchen hat das Seine besorgt.«

      Da hielt Seifert in seinen Sprüngen ein. »Das haben Sie auch schon heraus?« Aus dem Kassenschrank brachte er eine Handvoll Zettel. »Statt Geld habe ich nichts, als seine Quittungen. Für sich holt er es zwanzigmarkweise, für den Direktor in Tausendern. Wo bleibt es Alles?«

      »Wir wollen hoffen, daß unser Direktor es in glänzenden Geschäften angelegt hat.«

      »Das können wir nur hoffen.«

      »Ich habe den untrüglichen Eindruck von ihm gewonnen«, sagte Terra. »Ich halte ihn für ein Genie der Spekulation.«

      »Damit ist er fein heraus. Aber ich kann hier die Leute vertrösten.«

      »Das ist freilich ein Hundeleben«, bestätigte Terra. Der Kassierer raunte bleich: »Heute hat Mohrchen siebzigtausend haben wollen.«

      »Sie haben ihn zum Kuckuck geschickt.«

      »Nachmittag kommt er wieder.«

      »Dann zeigen Sie sich als Mann.«

      »Dann meldet er dem Direktor, daß ich das Geld aus der Kasse nehme, das ich ihm leihe. Er macht mit dem Alten, was er will.«

      »Wir werden mit ihm selbst etwas machen, was sich seine Schulweisheit nicht träumen läßt«, behauptete Terra mit einer so unbezweifelbaren Sicherheit, daß Seifert, ohne weiter zu fragen, nur nach seiner Hand griff. Im nächsten Augenblick nahm das wiedererschienene Publikum ihn stürmisch in Anspruch.

      Das Vorzimmer war inzwischen stark besucht, und über die Stimmung konnte Niemand sich täuschen, man kam, sein Geld zu holen, und fürchtete, vergebens zu kommen. Terra durfte sich sagen, daß es nur noch einen Anstoß brauchte, um alle diese Leute elementar aufzubringen gegen den, der ihr Kapital fortgesetzt aus dem Hause trug, und um den Direktor von seinem bösen Dämon zu befreien. Der Direktor erschien ihm vertrauenswerter mit jedem Augenblick.

      Er ließ den Türgriff seines Arbeitszimmers wieder los und ging nochmals auf die Straße, denn das Erscheinen der »Lokalpresse« nahte. Der Börsenredakteur hatte das Sensationelle des Artikels sofort erkannt und wollte ihn schon im Abendblatt bringen. Gestrafften Schrittes durchmaß Terra die Friedrichstraße. Noch nicht einen Tag in Berlin, schon wußte er sich gestählt. Er sah in dem schnellen Durcheinander keinem ins Gesicht, aber er fühlte sie alle, wie das von ihren Tritten heiße Holzpflaster. Es galt zu handeln und den Erfolg im Sturm zu nehmen. Ringsum die Not, der Überfluß, die Hochstapelei waren im Recht, so eins wie das andere, denn sie waren im Kampf! Die Geschäftshäuser ließen Verkehr strömen, soviel sie irgend konnten, und verbrauchten die Kraft ihrer Angestellten, soviel die irgend hatten. Der Kampf geht weiter, trotz Deinen Schmerzen. Reiß' ihn an Dich, mach' Dich zum Führer.

      Als der erste Verkäufer ihm die Zeitung hinhielt, entfaltete er sie mit einer Art Rausch. Die Spalten überfliegend im Licht der Gaslaternen, ernüchterte er sich freilich schnell, der Handelsteil enthielt nichts. Erst später fand er seinen Beitrag im Feuilleton, unter dem Haustor der Generalagentur las er ihn durch. Hilf Gott, verpfuscht und verfahren! Der Redakteur mit seinem Scharfblick hatte alles aus dem Manuskript gestrichen, was irgend der Generalagentur nützen konnte: die Zulassung des Börsenpapieres samt der Tätigkeit der Generalagentur für das gesamte Leben, zugunsten der Oper von hoher Hand. Die übriggebliebene literarisch-musikalische Würdigung des Kunstwerkes war allerdings im Feuilleton am Platz.

      Terra erstieg die Treppen mit der Gewißheit: »Erste Abfuhr! Aber die


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