Bürde der Lust. Waldemar PaulsenЧитать онлайн книгу.
bin ich schon 45 Jahre, aber nicht unbedingt alt, nur ein bisschen länger jung als andere. Aber im Milieu ein altes Eisen. Mensch, wie die Zeit vergeht. Schon mit achtzehn bin ich im Rotlicht gelandet.
Zuerst war ich in einem Saunaclub in Hamburg-Rahlstedt als Domina tätig, schon in jungen Jahren. Polizeikontrollen gab es nie. War ja noch nicht einundzwanzig damals. Der Besitzer hätte sich strafbar gemacht, wenn die Polizei mich dort erwischt hätte.
Ich war immer experimentierfreudig, das machte eben das Verführerische aus, auf das meine Freier standen. Es weckte ausnahmslos die Neugier in ihnen.
In meinem Kabinett hab ich die Gäste mit Stromstößen gequält, hängte sie am Galgen auf und band ihnen nägelbespickte Peniskorsagen um. Gelegentlich spannte ich sie auf eine Streckbank oder setzte sie auf einen Nagelbock. Sie ließen sich mit einer siebenschwänzigen Knute züchtigen. Mein Kabinett glich einer mittelalterlichen Folterkammer. Ich habe riesig verdient. Alles weg, haben alles die Jungs geschnappt.
Sie waren alle bei mir… Die Vermögenden, die Armen, junge und alte Freier. Ihr höchstes Vergnügen war, dass ich ihnen erlaubte, vor mir winseln und betteln zu dürfen.“
„Hatten Sie denn kein Mitleid mit diesen speziellen Personen?“
„Ha, ha, Mitleid, das ich nicht lache…!
Wenn Sie sehen würden, wie bei denen der Schwanz stieg, wie sollte man da noch mitleidige Gefühle entwickeln? Sagen Sie es mir! Hätten Sie doch bestimmt auch nicht gehabt oder? Nach einigen Jahren hatte ich genug von diesen Psychos und habe für Hacker-Ted in der Herbertstraße angeschafft. Das machte mir mehr Spaß, war alles manierlicher dort. Dann landete ich im Eros-Center im C- Haus bei den Kölnern.
Aufgrund meiner großen Oberweite zog ich immer jede Menge Freier auf dem Kontakthof an. Sie müssen wissen, dass die Jungs den Hof unter sich aufgeteilt haben.
Jede der 28 Bordelleinheiten hat ihren festen Stellplatz. Es ist den Frauen untersagt, den Bereich ihres Salons zu verlassen.“
„Aha“, war der Kommentar von Max, der weiterhin aufmerksam zuhörte und sich Notizen machte.
„Man darf nur in einem bestimmten Sektor kobern, sonst gibt es richtig Zoff. Alle Kolleginnen achten argwöhnisch darauf, dass man die Grenzen nicht überschreitet.
Bei Verstößen, auch schon, wenn man nur mal einen Meter über die markierte Grenze kommt und einen Freier zu sich heranzieht, hauen sich die Frauen die Augen blau oder rennen wütend in den Puff. Dann kommt eine Heerschar Jungs und verlangt von der Gegenseite Schadenersatz, weil deren Frau mit einem lädierten Auge erst einmal ausfällt. Ich könnte mir vorstellen, dass es irgendwann einmal Tote geben wird in so einer aufgeheizten Atmosphäre.“
„Erzählen Sie ruhig weiter, Frau Schmidt.“
Augenzwinkernd fügte sie hinzu: „Ich war immer schlau. Kam meist doch noch an die Freier, die ich im Visier hatte, auch wenn sie außerhalb meines Gebietes standen.
Mein Trick war es, das ich stets ein kleines Spielzeugauto zum Aufziehen bei mir hatte und mit diesem beim Kobern spielte.
Ich hatte das Auto von meinem Stellplatz aus in die Richtung eines von mir auserwählten Freiers fahren lassen. Dann rannte ich blitzschnell hinterher, um wieder in den Besitz meines Autos zu kommen. Hatte sich die Feder des Autoantriebs entspannt und stand das Auto in unmittelbarer Nähe des Freiers, rannte ich blitzschnell dort hin und nahm es vom Boden hoch. Dabei blinzelte ich dem Freier freundlich zu und wackelte mit meinen Titten. Entschuldigung, war so. Dann ging ich wieder auf meinen Platz und der Freier folgte mir, als sei er von einem Magnet angezogen worden. Ich hatte ihn und wir gingen in meinen Salon.“
„Ganz schön clever, Biene!“
„Ja, kann man wohl sagen. Die anderen Frauen haben das lange Zeit gar nicht geschnallt.
Der Ted hat eine Mörderkohle mit mir verdient. Es war wohl meine laszive Art, meine Aura, die meine Freier begehrten und… na, Sie wissen schon. Ich weckte in ihnen ihre schlechten, verborgenen Seiten. Die standen alle auf mich. Die Kerle meinten, dass ich einen Körper wie die Sünde hätte - und wenn schon… ist das ein Fehler? Es ist doch alles nur ein Spiel, ein unterhaltsamer Zeitvertreib. Ich weiß es nicht...“
„Na, unterhaltsamer Zeitvertreib, Frau Schmidt? Ich weiß nicht so recht.“, schmunzelte Max.
„Ich lebe jetzt allein, habe erkannt, dass es einen guten Mann nicht gibt. Sie brauchten mich damals nur zu sehen und schon klingelte die Kasse. Mittlerweile hatte ich mich zur perfekten Schauspielerin entwickelt. Mal war ich vulgär, verspielt oder knallhart. Dann wiederum habe ich ein mädchenhaftes Verhalten vorgetäuscht; zeigte mich voller Ängste oder dominant. Hatte ich ja gelernt. Bei richtig vermögenden Freiern spielte ich natürlich die zärtliche Geliebte. Viele Männer wollen den außerehelichen Sex, scheuen aber den Aufwand einer Affäre. Von mir hatten sie keinen Stress zu erwarten. Bei mir brauchte sich kein Mann fremdschämen. Es ist doch wie immer nur die Scheiß Doppelmoral, die alles so kompliziert macht.
Woher kommt das ganze Dilemma, Herr Herbst?
Die ganze Scheiße über gut und schlecht. Wisst ihr eigentlich, was euch heiß macht? Ich sag es Ihnen, ist doch ganz einfach:
Das, was ich zwischen den Beinen habe.
Das ist doch des Rätsels Lösung. Verstehen Sie? Ich habe es auf eine Art gelernt und Sie eben auf eine andere. So ist es nun mal...
Jetzt arbeite ich ganz solide bei Karl-Heinz Bis im Club Marita als Bardame. Zwar immer noch oben-ohne. An der Reaktion der Gäste erkenne ich, dass es ihnen wohl recht ist. Auch Kalle ist mit mir zufrieden. Anschaffen ist nicht mehr.“
Biene Schmidt hatte die nötige sexuelle Erfahrung und war optisch immer noch eine Granate. Sie war jederzeit in der Lage, die lüsternen Freier heiß zu machen, vor allem, wenn sie mit ihren blanken, prallen Brüsten an der Bar arbeitete. Die gesamte Motorik ihres Körpers hatte sie auf die Bewegung ihrer Möpse abgestimmt, die sie gekonnt in Szene setzte. Es war schon zu einem Automatismus geworden und setzte die vor ihr sitzenden Freier in Rage, denen häufig die Augen so weit aus dem Kopf sprangen, dass man sie fast seitlich hätte abschlagen können.
Biene war der Meinung, dass viele Frauen der bei ihnen einkehrenden Freier glauben würden, sie seien schlanker und jünger, als sie tatsächlich waren. Auch dieser Irrtum trug dazu bei, dass sich deren Gatten mit zunehmender Dauer ihrer Lebensgemeinschaften auf Abwege begaben.
Kalle Bis hatte sie mit Bedacht eingestellt, auch wenn sie sich nur noch selten prostituierte. Es kam gelegentlich einmal vor, wenn sie den Freier äußerst attraktiv fand und sie dem angebotenen Dirnenlohn nicht widerstehen konnte.
Biene war von Puff-Kalle optimal gewinnträchtig eingesetzt worden. Er war von ihrem Einsatz begeistert.
„Sind Sie eigentlich vorbestraft?“, war die nächste Frage von Max.
„Hm, ist schon lange her... Damals, im Eros. Wohl ein- oder zweimal wegen Betruges auf sexueller Basis und dann soll ich mal einen Freier beklaut haben. Hatte ich aber nicht.
Sonst ist nichts.“
Wieder einmal maßlos untertrieben, dachte Max. Der Zähler in ihrer Kriminalakte zeigt zwölf Mal Betrug und Diebstahl auf sexueller Basis an und zweimal wurde sie wegen Urkundenfälschung verurteilt.
„Gut, Frau Schmidt. Kommen wir zum Tötungsdelikt Sabrina! Was können Sie dazu sagen?“
„Nicht viel, Herr Herbst, ich war ja an der Bar und habe nur mitbekommen, dass sie sich bei mir nach draußen zum Parkplatz abgemeldet hatte, um eine zu rauchen. Dann kam sie nicht wieder. Den Rest kennen Sie ja.“
„Ist ihr jemand gefolgt?“
„Nee, nicht von drinnen, draußen weiß ich nicht.“
„Wer könnte denn Ihrer Meinung nach der Täter sein?“
„Keine Ahnung, null!“
„Hatte Sabrina Streit mit jemandem? Vielleicht