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Im Schlaraffenland. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Im Schlaraffenland - Heinrich Mann


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      »Sie brauchen es nicht zu bereuen, diese scherzhafte Seite des Lebens unter Kollegen kennengelernt zu haben. Man muß dies tun, bevor man zu ernsteren Dingen übergeht. Nun wollen Sie aber Ernst machen?«

      »Aber wie?« fragte Andreas ohne große Zuversicht.

      »Oh, da gibt es verschiedene Wege, nämlich die Presse, das Theater und die Gesellschaft.«

      »Sie vergessen die Literatur.«

      »Durchaus nicht. Ich habe gesagt: das Theater, und eine andere Literatur gibt es bei uns nicht.«

      Andreas nahm eine überlegene Miene an, denn er ertappte Köpf auf dem Ärger eines, der keinen Erfolg hat.

      »Sie selbst schreiben doch wohl Romane?«

      »Oh!« machte der andere mit gespitzten Lippen. »Ich schreibe für meinen Privatbedarf, es fällt mir nicht ein, das Unglück eines armen Verlegers herbeiführen zu wollen, der mir nie etwas zuleide getan hat und der etwa auf meine Werke hineinfiele.«

      ›Atem holen!‹ dachte Andreas, dem es Spaß machte, Kopfs Schwäche zu beobachten.

      »Inmitten eines Volkes«, fuhr dieser fort, »das durch alle Prügel der Welt nicht dazu bewogen werden könnte, ein Buch in die Hand zu nehmen, werden Sie also am besten tun, sich an das Theater zu halten.«

       »Aber ich habe noch kein einziges Stück geschrieben!«

      »Ist auch gar nicht nötig«, versicherte Köpf leichthin. »Das Theater hat zweifellos auch eine literarische Seite, aber die gesellige ist wichtiger. Beim Theater hat man es stets mit Menschen zu tun, in der eigentlichen Literatur doch schließlich nur mit Büchern. In der eigentlichen Literatur braucht man eine Menge Ernst, Abgeschlossenheit und Rücksichtslosigkeit; alles Eigenschaften, die beim Theater nur schaden können. Hier kommt es vor allem auf die gesellschaftlichen Verbindungen an. Sie aber, mein Lieber, sind ein Gesellschaftsmensch. – Soll ich Ihnen sagen, welches sichere Zeichen ich hierfür habe?«

      »Bitte!«

      »Man hat Sie im ›Café Hurra‹ nicht ernst genommen.«

      Köpf sah mit seinem harmlosen Lächeln zu, wie Andreas zusammenzuckte.

      »Seien Sie nicht böse!« bat er darauf. »Ich werde Ihnen dafür noch manches Schmeichelhafte zu sagen haben. Was Ihre Freunde im ›Café Hurra‹ betrifft: hat Pohlatz Ihnen jemals Grobheiten gesagt?«

      »Nein, warum denn?«

      »Nun, sehen Sie wohl. Wenn er sie ernst genommen hätte, würden Sie alle Tage etwas an den Kopf bekommen haben. Sie glauben nicht, wie fein die Witterung dieser Leute ist, sobald sich ein Konkurrent blicken läßt. Sie, mein Lieber, sind keiner. Man hat gleich erkannt, daß sie eine viel zu heitere, offene Natur sind, um sich mit Ingrimm und Püffen durch Literatur und Presse hindurchzuschlagen.«

      »Ich glaube beinahe selbst«, bemerkte Andreas, der sich bemühte, blasiert auszusehen.

      »Sie haben so etwas Glückliches an sich, das Sie beim Theater, das heißt in der Gesellschaft ungemein rasch fördern wird. Man braucht dort nämlich nur glücklich zu erscheinen, um es sehr bald wirklich zu werden. Auch Ihre Harmlosigkeit, oder sagen wir, wenn Sie es lieber hören, Ihre scheinbare Harmlosigkeit wird Ihnen dort gut zustatten kommen. Man wird Sie in den reichen Salons ebensowenig ernst nehmen wie im ›Café Hurra‹, und es ist für Ihren Erfolg besonders wichtig, daß die Frauen Sie nicht ernst nehmen! Diese werden alles mögliche, was sie andern nicht bewilligen würden, bei Ihnen für harmlos und ungefährlich halten. Sie sind dafür geschaffen, viel Glück bei den Frauen zu haben, mein Lieber!«

      Diesmal blickte Andreas den andern mit offenem Argwohn an. Aber aus Kopfs freundlichem Gesicht, das allerdings eine verdächtig spitze Nase zierte, war niemals klug zu werden. Für alle Fälle zeigte Andreas sich übellaunig, um nur nicht zuzugeben, daß er sich geschmeichelt fühle. Sein Glück bei Frauen, das er sich übrigens zutraute, schien ihm doch noch bewiesen werden zu müssen. Er gedachte der herben Enttäuschungen, die er dem Wäschermädchen und dem Büfettfräulein verdankte.

      »Sie sagen mir eine Menge angenehme Dinge«, bemerkte er ziemlich trocken, »aber ich weiß noch immer nicht, wie Sie sich meine Karriere nun eigentlich denken. Was habe ich zu tun, wohin soll ich mich wenden?«

      »Nehmen wir hinzu«, fuhr Köpf ohne zu antworten fort, »daß sie als Rheinländer eine mehr heitere und ungezwungene Geselligkeit gewohnt sind. Inmitten der Furcht, sich lächerlich zu machen, die in Berlin Ursache aller Dummheit und Langeweile ist, werden Sie zunächst wohlwollend belächelt werden. Die Hauptsache ist, daß Sie auffallen.«

      »Was habe ich zu tun, wohin soll ich mich wenden?« wiederholte Andreas ungeduldig.

      »Wie? Das habe ich Ihnen noch nicht gesagt? Nun, ganz einfach: Sie gehen zum ›Nachtkurier‹, verlangen den Chefredakteur Doktor Bediener zu sprechen, und läßt er sie vor, so gehen sie nicht früher wieder weg, als bis er Ihnen unaufgefordert eine Empfehlung an Türkheimers gegeben hat.«

      »Ah, Türkheimer! Das ist doch der mit Lizzi Laffé.«

      »Sie kennen bereits die Verhältnisse?«

      »Natürlich«, sagte Andreas stolz.

      »Also Sie wissen Bescheid?« fragte Köpf, indem er dem jungen Manne zum Abschied die Hand schüttelte. »Unterrichten Sie mich doch vom Erfolge!«

       Andreas versprach dies, fragte sich aber im geheimen, warum er alle die zweifelhaften Komplimente eigentlich angehört habe. Es konnte wohl sein, daß Köpf sich seit dem Augenblick, wo er ihn kennengelernt hatte, fortwährend über ihn lustig machte. Es war Andreas unmöglich, dies zu erfahren. Übrigens war es ja gleichgültig, sobald nur auch sonst niemand davon wußte. In seiner Lage, bei seinen mannigfachen inneren Zweifeln und der geringen Aussicht, es auf eine andere Weise zu etwas zu bringen, war es nun wohl das beste, Köpfs Rat blindlings zu befolgen. Er ging schon am nächsten Morgen, mit einem kalten Gefühl im Unterleibe, doch hocherhobenen Hauptes, zum Doktor Bediener.

       Die deutsche Geisteskultur

      Auf der Treppe, die er zur Redaktion des »Berliner Nachtkurier« hinaufstieg, blendete den jungen Mann der ganz neue und doch bereits arg besudelte Teppich. Alles im Hause war reich und durch den regen Geschäftsbetrieb mitgenommen. Jünglinge mit kotbespritzten Beinkleidern, sonst sehr elegant, hasteten an dem Besucher vorüber. Droben in dem großen Wartezimmer schob sich eine beträchtliche Menschenmenge durcheinander. Andreas, der gegen die Wand gedrängt wurde, blickte durch eine Glasscheibe in einen langen, kahlen Saal hinein, wo ungefähr dreißig junge Leute an Pulten saßen. Einige lasen Zeitungen, andere plauderten, indes sie Bleistifte spitzten oder ihre Nägel pflegten.

      Eine Flügeltür ward aufgestoßen, und ein reich aussehender Herr mit rasierter Oberlippe und rotblonden Koteletten, den Hut in der Stirn, rief ins Vorzimmer hinein:

      »Kommt denn der Chefredakteur nicht?«

      Der herbeieilende Redaktionsdiener verbeugte sich:

      »Muß sofort da sein, Herr Generalkonsul!«

      »Endlich, mein lieber Doktor!« rief der Herr und streckte die Hand mit matter Anmut einem großen, eleganten Manne entgegen, der von der Treppe her eintrat und dem Diener Hut und Paletot zuwarf. Bevor die beiden hinter der Flügeltür verschwanden, hörte man den Generalkonsul fragen:

      »Sie waren im Auswärtigen Amt? Nun, was sagt unser Minister?«

      Andreas erschauerte vor Ehrfurcht, während er bedachte, welche Unendlichkeit von Macht und Ansehen diese Worte ahnen ließen. Wer hier im Vorzimmer des »Nachtkurier« stand, war gewissermaßen in den Bereich einer Organisation eingetreten, die es an Ausdehnung und Festigkeit selbst mit der des Staates aufnahm. Doktor Bediener ging im Palais der Wilhelmstraße aus und ein wie der Staatssekretär selbst. Sein Kollege war ein Minister des Innern, dem kein Wille im Lande leichtfertig zuwiderhandelte. Die Ämter


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