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Der Südstern. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Der Südstern - Jules Verne


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      Mit feuchtem Auge und wie festgewurzelt stand Cyprien noch immer an der nämlichen Stelle.

      Die Stimme entfernte sich, Alice ging offenbar nach der Farm zurück, und sie hatte bis dahin wohl kaum noch zwanzig Meter zurückzulegen, als der Schall eiliger Schritte sie veranlaßte, sich umzuwenden und stehen zu bleiben.

      Getrieben von unüberlegter, aber auch unwiderstehlicher Bewegung, war Cyprien im bloßen Kopfe aus seinem Häuschen geeilt und lief jetzt auf sie zu.

      »Fräulein Alice!...

      – Herr Méré?...«

      Im vollen Glanze der Morgensonne standen sie sich auf dem Wege an der Grenze des Grundstückes Aug' in Auge gegenüber. Ihre Schattenbilder hoben sich deutlich von der weißen Bretterumzäunung der Farm ab. Jetzt aber, als Cyprien sich dicht bei dem jungen Mädchen befand, schien er selbst erstaunt über sein Benehmen und schwieg halb verlegen still.

      »Sie hatten mir etwas zu sagen, Herr Méré, sagte sie mit Interesse.

      – Ich wollte von Ihnen Abschied nehmen, Fräulein Alice!... Ich reise noch heute ab!« antwortete er mit ziemlich unsicherer Stimme.

      Das leichte Roth, welches den zarten Teint der Miß Watkins belebte, war urplötzlich verschwunden.

      »Abreisen?... Sie wollen fortgehen ... nach? ... fragte sie ganz verwirrt.

      – Nach meiner Heimat ... nach Frankreich, erwiderte Cyprien. Meine hiesigen Arbeiten sind vollendet ... meine Mission ist damit erfüllt. Ich habe im Griqualande nichts mehr zu schaffen und bin deshalb verpflichtet, nach Paris zurückzukehren...«

      Während er so mit zögernder Stimme sprach, nahm er schon mehr den Ton eines Angeklagten an, der sich zu entschuldigen sucht.

      »Ah ... Ja ...! Ganz richtig!... Das geht ja nicht anders!...« stammelte Alice, ohne recht zu wissen, was sie sagte.

      Das junge Mädchen war wie vom Donner gerührt, diese Nachricht traf sie in ihrem unbewußten Glücke gleich einem Keulenschlage. Bald sammelten sich große schwere Thränen in ihren Augen und perlten an den langen, diese umschattenden Wimpern herab. Aber als ob dieser plötzliche Schmerz sie zur Wirklichkeit zurückführte, fand sie doch die Kraft, lächelnd zu sagen:

      »Also abreisen wollen Sie? ... Nun, und Ihre ergebene Schülerin wollen Sie einfach verlassen, bevor diese den angefangenen Cursus in der Chemie vollendet hat? Sie wollen, daß ich beim Sauerstoff stehen bleibe und mir die Geheimnisse des Stickstoffes ein Buch mit sieben Siegeln bleiben sollen? ... Das ist nicht hübsch von Ihnen, Herr Méré!«

      Wohl versuchte sie ihre Worte in scherzhaftes Gebilde zu kleiden, nur strafte sie der Ton ihrer Stimme Lügen. Unter diesem Scherze verbarg sich ein schwerer Vorwurf, der dem jungen Mann tief zu Herzen ging. In gewöhnlicher Sprache lautete derselbe nämlich:

      »Nun, und ich? ... Mich rechnen Sie also für nichts? ... Sie werfen mich einfach in die frühere Unwissenheit zurück! ... Sie wären nur hierhergekommen, um sich unter den Boers und den habgierigen Minengräbern als höheres, bevorzugtes, stolzes, interesseloses Wesen zu zeigen! Sie hätten mich in Ihre Studien und Arbeiten eingeweiht, hätten mir Ihr Herz und sein ehrgeiziges Streben eröffnet, Ihre wissenschaftlichen Schatzkammern und Ihre künstlerischen Keime gewiesen; Sie hätten mir nur die Entfernung hervorheben wollen, die sich zwischen einem Denker wie Sie und den anderen Zweihändern, die mich umgeben, aufthut! ... Das Alles hätten Sie gethan, um sich bewundern und lieben zu lassen, und wenn Ihnen das gelungen, dann erklären Sie ohne alle Umstände, daß Sie wieder weggehen, daß Alles zu Ende ist, daß Sie nach Paris zurückkehren und sich beeilen wollen, mich ganz zu vergessen? Und Sie glauben auch, daß ich eine solche Lösung bestehender Verhältnisse mit philosophischem Gleichmuth hinnehmen werde?«

      Ja, das Alles lag in Alices Worten, und ihr feuchtes Auge unterstützte es noch so deutlich, daß Cyprien sich fast versucht fühlte, auf diesen nicht ausgesprochenen und doch so beredten Vorwurf zu antworten. Es fehlte nicht viel, daß er ausgerufen hätte:

      »Es muß sein! ... Gestern hab' ich bei Ihrem Vater um Ihre Hand angehalten! ... Er hat mich zurückgewiesen, ohne mir nur ein Fünkchen Hoffnung zu lassen. Begreifen Sie nun, weshalb ich fortgehe?«

      Noch zur rechten Zeit erinnerte er sich aber seines gegebenen Versprechens. Er hatte sich ja verpflichtet, der Tochter des John Watkins niemals von dem schönen Traum zu reden, den er sich gewebt, und er hätte sich für verächtlich gehalten, wenn er ein gegebenes Wort brach.

      Gleichzeitig empfand er freilich, wie dieser Plan einer überstürzten Abreise, den er unter dem Drucke des erlebten Mißgeschicks gefaßt, doch etwas rücksichtslos erscheinen mußte. Es schien ihm nun unmöglich, das reizende Kind, welches er liebte, und das ihm – sah er's jetzt doch allzu deutlich – ebenfalls eine aufrichtige, tiefe Zuneigung entgegenbrachte, so ohne alle Vorbereitung, ohne Aufschub zu verlassen.

      Der Beschluß, welcher sich ihm zwei Stunden früher mit dem Charakter unbedingter Notwendigkeit aufgedrängt hatte, erschreckte ihn jetzt selbst, und er wagte nicht, ihn ganz auszusprechen. Ja, er verleugnete seine eigentliche Absicht jetzt gleich gänzlich.

      »Wenn ich vom Abreisen sprach, Fräulein Alice, so meine ich damit nicht diesen Morgen, auch nicht den heutigen Tag. Ich habe noch Verschiedenes aufzuzeichnen ... noch Vorbereitungen zu treffen ... jedenfalls werd' ich noch die Ehre haben, Sie wieder zu sehen und mit Ihnen über einen weiteren Studienplan zu sprechen!«

      Sich schnell auf den Fersen umdrehend, entfloh Cyprien nach diesen Worten wie ein Irrsinniger, stürmte in seine Hütte und warf sich hier in einen hölzernen Stuhl, wo er in tiefes Nachdenken versank.

      Sein Gedankengang hatte jetzt eine ganz andere Richtung angenommen.

      »Auf soviel Schönheit und Liebreiz verzichten, wegen Mangels an ein wenig Geld! murmelte er für sich. Den Kampf schon beim ersten Hinderniß aufgeben! Zeigt das soviel Muth, wie ich's mir dachte? Wär's nicht besser, einige Vorurtheile zu opfern und danach zu streben, ihrer würdig zu werden? ... So viele Leute erwarben schon durch Diamantgräberei binnen wenigen Monaten ein hübsches Vermögen; warum sollt' ich selbst das nicht versuchen? Wer hindert mich daran, auch einen Stein von hundert Karat zu finden, wie es Anderen geglückt ist, oder noch besser, gleich eine neue Fundstätte zu entdecken? Ohne Zweifel besitze ich mehr theoretische und praktische Kenntnisse, als die Mehrzahl jener Leute. Warum sollte mir die Wissenschaft nicht erreichen lassen, was Anderen durch rauhe Arbeit mit ein wenig Zufall geglückt ist? Alles in Allem wage ich ja bei dem Versuche nicht besonders viel! Selbst mit Rücksicht auf meine Sendung hierher erscheint es am Ende nicht nutzlos, selbst die Hacke zur Hand zu nehmen und das Geschäft als Minengräber zu versuchen. Und wenn es mir gelingt, wenn ich durch dieses einfache Mittel gar reich würde, wer weiß, ob John Watkins dann nicht mit sich reden und zum Widerrufe seiner ersten Entscheidung bewegen ließe. Der Preis verdient es wahrlich, das Abenteuer zu wagen! ...«

      Cyprien begann wieder in seinem Laboratorium auf und ab zu gehen; diesesmal aber blieben seine Hände unthätig – seine Gedanken allein waren in Bewegung.

      Plötzlich blieb er stehen, ergriff seinen Hut und ging hinaus. Nachdem er den Fußstieg erreicht, der nach der Ebene hinunterführte, wandte er sich schnellen Schrittes der Vandergaart-Kopje zu. In kaum einer Stunde traf er bei dieser ein.

      Eben jetzt strömten die Gräber in hellen Haufen nach dem eigentlichen Lagerplatz zum zweiten Frühstück zurück.

      Als Cyprien die vielen sonnverbrannten Gesichter an sich vorüberkommen sah, legte er sich die Frage vor, wer wohl im Stande sein möchte, die ihm nöthige Auskunft auf das, was er zu wissen wünschte, zu ertheilen. Da erkannte er unter einer Gruppe Männer das ehrliche Gesicht Thomas Steel's, des früheren Bergmanns von Lancashire. Zwei- oder dreimal schon hatte er, seit ihrer gemeinschaftlichen Ankunft im Griqualand, Gelegenheit gehabt, ihm zu begegnen und sich zu überzeugen, daß der wackere Mann sichtlich wohl gedieh, wie das seine heiteren Züge, der ganz neue Anzug und vor Allem der breite Ledergürtel bewies, den er um die Hüften geschlungen trug.

      Cyprien beschloß sich an diesen zu wenden und ihm seine Absichten mitzutheilen,


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