Die verborgenen Geheimnisse. Marc LindnerЧитать онлайн книгу.
meint er würde wieder ganz der Alte werden.“ Die Flammen nahmen sich rasch dem nachgelegten Holz an.
„Sieht ihm auch ähnlich sich einen Pferdekuss einzuhandeln, um ein paar Tage den faulen Lenz mimen zu können“, lachte Haman, ohne ganz seine Sorgen aus seinem Ton fernhalten zu können. „Und du durftest das dann auch noch ausbaden. Da hast du dir aber einen ungünstigen Tag ausgesucht.“
„Vater hat mir wieder eine Geldstrafe auferlegt“, murrte Ismar. Wie selbstverständlich ging Ismar hinter einen massives Pult und kletterte auf einen für ihn zu großen Hocker.
„Ah, das ist eine gute Idee“, zeigte sich Haman erleichtert. „Dann kann ich endlich weiter arbeiten.“
Ismar nahm sich der anstehenden Kundschaft an. Etlichen passte es nicht, von einem Knaben bedient zu werden, aber wenn sie sahen, wie Ismar die Bestellungen niederschrieb, gaben sie meistens Ruhe. Nur selten war es nötig, dass Haman bestätigte, was Ismar sagte, damit sich die vornehmere Kundschaft fügte. Ismar hatte für sich Preislisten angefertigt und konnte abschätzen, was Haman direkt erledigen konnte oder bis wann etwas fertig sein konnte. Wenn er sich nicht sicher war, fragte er Haman, der sich nun fast vollständig auf seine Arbeit konzentrieren konnte.
Besonders die Boten freuten sich über Ismars Anwesenheit, weil ihre Wartezeit deutlich verkürzt wurde. Auf Wunsch schrieb er ihnen sogar eine Bestätigung der Bestellung mit Preis und Datum der Fertigstellung. Diesen Dienst hätte Haman ihnen niemals gewähren können.
Ismar war froh diesmal im Sitzen arbeiten zu können und wurde sich abermals bewusst, warum es gut war, so viel zu lernen.
„Entschuldigen sie, werter Herr“, schmeichelte ein Mann in einfacher Arbeitskleidung Ismar.
Ismar blickte lächelnd auf. Es war längst Abend und der letzte Kunde war schon eine Weile weg und Ismar war dabei die Einnahmen abzuschätzen und die Bestellungen beiseite zu legen. Übermorgen, wenn der Markt vorbei war, würde er Haman alles vorlesen, weil dieser kaum schreiben und nur sehr schlecht lesen konnte.
„Wie kann ich behilflich sein?“ Ismar machte von seiner guten Erziehung gebrauch.
„Es ist ein wenig kompliziert“, sprach der Mann mittleren Alters um den heißen Brei. „Vielleicht ist es besser ich rede direkt mit Haman.“
Wahrscheinlich wollte der Mann einen Freundschaftsdienst, wollte aber gleichzeitig nicht derjenige sein, der Haman bei der Arbeit störte und hoffte, dass Ismar dies für ihn übernahm.
Ismar war das einerlei und so ging er mit dem Mann hinüber zum Amboss, wo Haman, völlig in seinem Element, auf ein Stück Eisen eindrosch.
„Haman, hier ist jemand der dich sprechen möchte.“
„Moment.“ Das Stück war noch rot glühend und ließ sich leicht formen, und er wollte die Hitze nicht vergeuden. Nach zweidutzend Schlägen legte er das Stück zurück in den Ofen und drehte sich mit von der Hitze gerötetem Gesicht um.
„Oh, Bechtol, altes Haus, dich habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wie laufen die Geschäfte?“
„Ehrlich gesagt, ging es schon besser. Jetzt da sie den Wald im Norden der Stadt roden, will kaum einer mehr das Holz aus dem Westen, wo ich die Lizenz zum Holzfällen habe. Es ist mit einem Tagesmarsch zu weit entfernt. Es lohnt nur für das gute Bauholz, da es besser ist als die jungen Bäume im Norden.“
„Und wie kann ich dir helfen?“
Ismar konnte Haman ansehen, dass sie gute Freunde waren.
„Ich musste mir einige zusätzliche Pferde zulegen, weil keiner mehr bereit ist, das Holz selbst holen zu kommen.“
„Dann brauchst du wohl Hufeisen?“, mutmaßte Haman.
„Ja, vier Tiere sind vom letzten Jahr und hatten noch gar keine und bei zwei weiteren sollten die Beschläge erneuert werden.“
„Das ist kein Problem. Ich nehme an du möchtest, dass ich deswegen zu dir komme, damit du mit diesen lahmen Gäulen nicht herkommen musst.“
„Das wäre prima aber nicht wirklich nötig. Mein Problem ist, dass ich kein Geld mehr habe. All mein Besitz steckt nun in den Tieren.“
„Aber Bechtol, du kannst jederzeit bei mir anschreiben, das weißt du doch.“
„Das werde ich dir nie vergessen!“ Bechtol war mehr als erleichtert und es war ihm anzumerken, dass er nur widerwillig zum Schuldner wurde.
„Warum so kompliziert?“, meldete sich Ismar zu Wort.
Bechtol sah Ismar verwundert an. Er war es wohl nicht gewohnt von einem Jungen im Gespräch unterbrochen zu werden, doch scheinbar machte es Haman nichts aus, und überrascht war er wohl auch nicht.
„Haman, bei den Unmengen an Holz die du brauchst, kann Bechtol dich gleich damit bezahlen.“
Bechtol machte große Augen. „Natürlich, daran hatte ich gar nicht gedacht.“
Auch Haman nickte eifrig und klopfte Ismar anerkennend auf den Kopf. „Oft scheinen die komplizierten Lösungen einfacher zu sein, weil es kompliziert ist, die einfachen Lösungen zu finden.“ Das war einer von Hamans Lieblingssprüchen, wenn er sich unnütz Mühe gegeben hatte.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zog Ismar von dannen. Es war Zeit, dass er zu Hause einkehrte, sonst würde es nochmals Ärger geben. Derweil blieb Bechtol bei Haman und ging ihm soweit er konnte zur Hand. Haman hatte ihm für die Nacht ein Quartier angeboten, aber er musste noch bis zum letzten Licht des Tages arbeiten, weil Morgen Einige ihre Bestellung abholten, bevor sie abreisen würden.
Bruder Johannes' Mission
Hönnlin ritt ohne Eile weiter nach Westen. Er hatte unterwegs viel erlebt und viel gelernt. Das Leben, das er früher geführt hatte und das nun auf ihn wartete, würde er nicht weiter führen können. Dort würden sie ihn Bruder Johannes nennen, doch den Namen hatte er irgendwo auf der Rückreise abgelegt. Zwar trug er noch sein Mönchgewand, doch hatte das eher praktische Gründe. Auf seinen Reisen hatte er seinen Glauben gefunden und gefestigt, aber das führte dazu, dass er sich von seiner Religion würde trennen müssen. Hönnlin wollte den Menschen dienen und seinem Glauben treu sein. Er wollte keine Lügen leben oder leere Worte predigen wie seine Brüder. Im Gegensatz zur Kirche wollte er sich fremden Wissen nicht verschließen. Wüsste die Kirche um sein Wissen und um seinen Besitz, soviel war gewiss, würde er als Ketzer brennen. Hönnlin wusste nicht alles, eigentlich war er sich bewusst, dass er recht wenig wusste, aber es reichte, um die Mechanismen der Kirche zu durchschauen. Sie diente sich selbst und nicht wie sie predigte Gott und erst recht nicht den Menschen, die sie dumm und abergläubisch zu halten pflegte. Hönnlin war auf seiner Reise viel Wirken seiner Kirche begegnet. Wirken, das schon lange vergangen war, und jenes, das noch andauerte.
Nein, Hönnlin war sich sicher. Die Wege seiner Kirche und der seine würden sich trennen, doch erst noch würde er in seine Heimat reisen. Dort würde er dann auf seine Weise Gott, und vor allem den Menschen dienen. Aber zuvor musste er noch etliche Tagesreisen hinter sich bringen und dabei wollte er den Schutz seines Ordens nicht aufgeben, schließlich hatte er die Reise auch in deren Interesse auf sich genommen. Bloß die Antworten, die er gefunden hatte, waren nicht die gewesen, die zu finden seine Mission gewesen war. Aber dies war nun einmal die Gefahr, wenn man nach Antworten suchte, und sicher nicht sein Fehler.
Bis Norditalien hatte er es bereits zurückgeschafft, doch die Spuren des Winters waren hier noch zu spüren. Deshalb hatte er es auch nicht eilig, da er wusste, dass er die Alpen erst mit Beginn des Sommers würde überqueren wollen. Deshalb wollte er am folgenden Tag auch ein Kloster aufsuchen und für wenige Wochen rasten.
Der Abend brach herein und so suchte Hönnlin sich ein geschütztes Plätzchen in einem Waldstück abseits des Weges.
An einer lichten Stelle grub er ein Loch. Dabei legte er die Erde auf einer Decke ab, da er keine Spuren hinterlassen wollte. Er vermied es, das Loch groß werden