Die verborgenen Geheimnisse. Marc LindnerЧитать онлайн книгу.
bedankte sich förmlich bei Wilbolt und drückte ihm eine Kleinigkeit in die Hand.
„Bitte geh mit einem großen Umweg nach Hause. Es ist besser für uns alle, wenn dich keiner mit Ismars Verschwinden in Verbindung bringt.“
Wilbolt bedankte sich mit einem Nicken. Er sah nachdenklich aus. Diese Miene hatte Ismar so noch nie bei ihm gesehen. Er stellte sich dicht neben die Eiche. Dort blieb er stehen bis die beiden Reiter außer Sicht waren. Erst dann wandte er sich ab und verschwand im Wald.
„Es tut mir leid, was passiert ist“, begann Wigandus nach einer Weile.
Ismar hatte geschwiegen, da ihm die Tränen gekommen waren und er nicht wollte, dass er es hörte.
„Wo ist Elisabeth? Wie geht es ihr?
„Ihr geht es gut und sie ist in Sicherheit. Einer der Wächter war gegenwärtig genug, sie zu verstecken.“ Wigandus erzählte daraufhin, was sich ereignet hatte.
Er hatte Elisabeth gleich mit zum Bischof genommen als er für sie zwei Schutz ersuchen wollte.
Der Bischof selbst war nicht zugegen gewesen, doch sein Stellvertreter hatte die Bedingungen ausgehandelt und schließlich akzeptiert.
Vom Mörder fehlte jede Spur, aber Wigandus hatte sich ohnehin keine Illusion gemacht, diesen zu erwischen und selbst wenn, wäre es wohl nur ein Handlanger gewesen. Wigandus hatte noch nicht gehört, dass jemand Ansprüche auf die Stadt stellte. Aber das war ohnehin zu früh, da es sonst verdächtig sein würde. Aber auch so wusste Wigandus, dass es besser für ihn war, nicht zu bleiben.
Ismars Vater war bei vielen Adligen unbeliebt. Er vertrat eine völlig andere Art zu regieren. Dementsprechend hatte er auch Leute um sich geschart, die ähnlicher Ansicht waren. Es war weithin bekannt, dass er die Sorgen seines ihm anvertrauten Volkes verstand und sich für sie einsetzte. Korruption und Machtmissbrauch gab es nur in kleinem Maße, dementsprechend viele fühlten sich um ihre Privilegien betrogen. Genau dafür würden all jene, die von ihm eingestellt worden waren, die Strafe zahlen müssen. Selbst in der Kirche hielt sich die Trauer in Grenzen. Das hatte Wigandus bereits zu spüren bekommen, als er den Preis für Ismar und Elisabeth ausgehandelt hatte.
„Du wirst ebenso wie deine Schwester bis zur Vollendung deines zwanzigsten Lebensjahres im Kloster bleiben.“
„Aber wie lerne ich das Kämpfen?“
„Du lernst lesen und schreiben.“
„Aber das kann ich schon. Warum können sie mich nicht weiter lehren?“
„Das geht nicht. Wir könnten nirgends sicher leben und ich muss für meine Familie sorgen.“
Ismar verfiel in Schweigen. Ihm gefiel es gar nicht, in einem Kloster zu leben, aber ihm blieb keine Wahl. Er wusste, dass sich Wigandus nicht umstimmen lassen würde. Ebenso war er sich bewusst, dass er nur sein Bestes wollte. Auch war Wigandus keiner der leichtfertig Entschlüsse fasste.
„Ich habe zwei Briefe von deinem Vater, die er mich gebeten hat aufzubewahren und dir im Falle seines Todes zu geben.“
Wigandus griff in seine Satteltasche und nahm zwei dicke Briefe hervor.
„Lese erst den. Den hat er mir gegeben, als du beinahe sieben warst.“
Ismar erkannte das Siegelzeichen seines Vaters. Er zögerte lange bis er es wagte das Siegel aufzubrechen. Was mochte das sein, was er ihm all die Jahre nicht gesagt haben konnte. Er las langsam und viele Stellen doppelt. Es war ihm unheimlich und in seinem Kopf hörte er seinen Vater ihm den Brief vorlesen. Mehr als einmal kamen ihm die Tränen. Das konnte nicht wahr sein. Nach einer Weile machte er sich nicht einmal die Mühe sie wegzuwischen.
„Du sagst nichts?“, fragte Wigandus nachdem Ismar den Brief eine Weile neben sich in der Hand hängen ließ.
„Wussten sie das?“
„Ja, dein Vater hat es mir gesagt, als er mir den Brief gab.“
„Aber er ist nicht mein Vater!“
„Unsinn, er ist dein Vater! Er hat dich groß gezogen und er hat dich geliebt, wie seinen eigenen Sohn. Das darfst du nie vergessen!“
„Aber wer ist denn mein wirklicher Vater? Kann ich nicht zu ihm?“
„Ich weiß nicht wer dein leiblicher Vater ist. Deine Mutter war bei deiner Geburt gestorben. Dein Vater war ein armer Bauer und verzweifelt. Reinhart war auf einer Reise und hörte die Schreie deiner Mutter und bot die Hilfe seines Leibarztes an, doch ihr Tod war unvermeidbar. Dein Vater hatte noch zwei weitere Kinder, doch beide waren noch sehr jung. Reinhart wusste es würde auch deinen Tod bedeuten, wenn du dort bleiben würdest. Und Reinhart hatte ein Problem. Nach langen kindlosen Jahren war Alheyt endlich schwanger, doch um ihr Leben stand es nicht gut und auf ein weiteres Kind konnte er nicht hoffen. Selbst wenn sie und das Kind es überleben sollte, wäre ein Junge ungewiss. Deshalb nahm er dich mit und gab deinem Vater reichlich Geld, damit er seine zwei älteren Söhne ernähren konnte. Als er mit dir ankam, war deine Schwester bereits zwei Tage alt und so wurdet ihr als Zwillingskinder vorgestellt. Nur der Leibarzt, eine Hebamme und eine Dienerin deiner Mutter wussten Bescheid. Wie es scheint haben sie bis heute alle Wort gehalten und darüber geschwiegen.
„Aber was ist mit meinem Vater passiert?“
„Ich weiß nicht viel mehr als im Brief steht. Nur, dass dein Vater als du zwei wurdest die gleiche Reise wiederholt hatte, um nach ihm zu suchen und ihm von dir zu berichten. Aber er fand nur ein verlassenes Haus und keiner in der Gegend konnte sagen, wo die Drei hin waren.“
„Das heißt er lebt noch?“
„Gut möglich, denn er hatte das Dorf im Herbst verlassen und alles mitgenommen, was er besaß. Keiner der ihn zuletzt gesehen hatte wusste zu berichten, dass er schwach oder gar krank gewesen wäre.“
„Wie heißt er denn?“
„Sie nannten ihn der arme Willi“, erzählte Wigandus. „Es hieß, er hätte oft Pech im Leben gehabt. Dein Vater hat in dem Dorf jedem eine Goldmünze versprochen, der dazu helfen würde ihn zu finden. Aber bis heute hat sich keiner gemeldet.“
Ismars Gedanken schossen kreuz und quer.
„Möchtest du nicht auch den zweiten Brief lesen?“
„Steht da noch etwas über meine Eltern darin?“
„Nein, dein Vater gab ihn mir vor drei Jahren. Damals hatte bereits einer versucht ihn zu töten und er wollte dir deshalb diesen Brief hinterlegen, für…“
„Davon weiß ich nichts!“, fuhr Ismar erschrocken dazwischen.
„Das wissen auch nur sehr wenige. Der Täter wurde erwischt und gezwungen sein eigenes Gift zu essen. Die Symptome damals wie diesmal waren die gleichen, weshalb ich denke, dass es der gleiche Auftragsgeber war.“
„Aber warum weiß ich das nicht?“
„Er wollte nicht, dass du in Angst aufwächst und es hätte sein Ansehen geschwächt, würden es alle wissen.“
Wigandus hob den zweiten Brief Ismar entgegen.
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube ich will den heute nicht mehr lesen.“
„Sicher?“
Ismar nickte und betrachtete den Brief in seiner Hand. Mehrmals während des Nachmittags setzte Ismar an etwas zu sagen, doch er brach jedes Mal ab. Das ergab alles keinen Sinn.
Erst als sie zur Nacht Rast einlegten, war er mit seinen Gedanken wieder einiger Maßen bei seiner gegenwärtigen Situation.
Wigandus war das Reisen nicht gewohnt und er machte daraus auch keinen Hehl. Andererseits reichte es ihm beim Feuermachen zuzuschauen. Rein theoretisch wusste er wie es ging, allein es fehlte ihm die Übung.
„Darf ich dir helfen?“, fragte Ismar und versuchte seine Belustigung zu verbergen.
„Ich