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Tom Jones. Henry FieldingЧитать онлайн книгу.

Tom Jones - Henry Fielding


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Molly betraf, völlig beruhigt; in Ansehung Sophiens aber war er von diesem Gemütszustande weit entfernt. Vielmehr ward er von dem heftigsten Kummer gequält. Sein Herz war jetzt, wenn ich die Metapher brauchen mag, völlig geräumt, und Sophie nahm davon unbestrittenen Besitz. Er liebte sie mit unbegrenzter Leidenschaft und sah ganz deutlich die zärtlichen Empfindungen, welche sie für ihn hegte. Dennoch konnte diese Vergewisserung weder seine Verzweiflung über den Punkt der unfehlbaren Weigerung ihres Vaters, noch das Grausen mindern, welches ihn überfiel, wenn er an irgend ein niederträchtiges oder verräterisches Mittel sie sich anzueignen dachte.

      Die Beleidigung, die er dadurch dem guten Junker Western zufügen würde, und der Kummer, der daraus dem würdigsten Herrn Alwerth erwachsen müßte, waren die Vorstellungen, welche ihn den Tag hindurch quälten und ihn des Nachts auf seinem Kopfkissen ängstigten. Sein Leben war ein beständiges Ringen zwischen Ehre und Liebe, welche wechselsweise über einander in seiner Seele siegten. Er entschloß sich oft, in Sophiens Abwesenheit ihres Vaters Haus zu verlassen und sie nicht wieder zu sehen, und eben so oft vergaß er in ihrer Gegenwart alle solche Entschließungen und nahm sich dann dagegen vor, sein Leben und alles was ihm noch teurer als dies war daran zu wagen, um zum Besitz seiner Sophie zu gelangen.

      Dieser Kampf begann bald sehr starke und sichtbare Wirkungen hervorzubringen, denn er verlor alle seine natürliche Munterkeit und Lebhaftigkeit, und ward nicht nur melancholisch, wenn er allein, sondern auch niedergeschlagen und zerstreut, wenn er in Gesellschaft war; ja, wenn er auch, um mit Junker Westerns Laune zu stimmen, sich Gewalt anthat munter zu scheinen, so war der Zwang so fühlbar, daß er gerade dadurch den stärksten Beweis von demjenigen gegeben zu haben scheint, was er durch diesen Zwang eben zu verbergen suchte.

      Es mag vielleicht eine Frage sein, ob die Kunst, die er anwendete, seine Leidenschaft zu verbergen, oder die Mittel, deren die ehrliche Natur sich bediente, sie zu offenbaren, ihn am meisten verrieten: denn während die Kunst ihn mehr als jemals gegen Sophie zurückhaltend machte und ihn abhielt, irgend eines seiner Gespräche an sie zu richten, ihn sogar die äußerste Sorgfalt lehrte, ihre Blicke zu vermeiden, war die Natur nicht weniger beschäftigt, seine Pläne zu vereiteln. Daher kam es denn, daß er bei ihrer Annäherung erblaßte, und wenn sich solche unerwartet fügte, zusammenfuhr. Wenn zufälligerweise seine Augen den ihrigen begegneten, schoß ihm das Blut in die Wangen, und sein Gesicht ward über und über scharlachrot. Wenn ihn die gewöhnlichste Höflichkeit einmal nötigte sie anzureden, zum Beispiel wenn er bei Tische auf ihre Gesundheit trinken mußte, so lief's gewiß nicht ohne Stammeln ab. Wenn er ihre Hand berührte, so zitterte die seinige, ja sogar sein ganzer Körper. Und wenn irgend das Gespräch auch nur noch so leise die Idee von Liebe anregte, so fehlte es selten, daß sich nicht ein unfreiwilliger Seufzer seiner Brust entstahl; und die Natur war wunderbar sinnreich, ihm dergleichen Zufälle tagtäglich in den Weg zu werfen.

      Alle diese Symptome entgingen der Aufmerksamkeit des Junkers, aber nicht der von Sophie. Sie ward dieser Gemütsunruhe an Jones sehr bald gewahr und war über ihre Ursache gar nicht zweifelhaft, denn sie durfte solche nur mit demjenigen vergleichen, was in ihrem eigenen Busen vorging. Und dieses Vergleichen ist, wie ich dafür halte, jene Sympathie, die man so oft an Liebenden wahrgenommen hat und woraus es sich zur Genüge erklären lassen wird, warum sie so unendlich viel scharfsichtiger war als ihr Vater.

      Jedoch, um die Wahrheit zu sagen, gibt es eine einfachere und näher liegende Methode, diese erstaunenswürdige Ueberlegenheit an Scharfsichtigkeit zu erklären, welche wir oft an einzelnen Menschen über das ganze übrige Menschengeschlecht wahrnehmen, und zwar eine Erklärung, die nicht nur in Liebesfällen, sondern in allen übrigen Stich hält. Denn woher kommt es, daß der Schelm fast durchgängig so schnell und scharfsichtig bei den Merkzeichen und Schlichen der Schelmerei ist, wodurch oft ein redlicher Mann von weit hellerem Verstande betrogen wird? Es herrscht doch gewiß keine allgemeine Sympathie unter den Schelmen, und sie haben doch auch nicht wie die Freimaurer ein allgemeines Erkennungszeichen? Die Sache steckt wirklich nur darin, daß sie einerlei Absicht im Kopfe haben und ihre Gedanken einerlei Richtung nehmen. Daher kann es uns nicht wundern, daß Sophie die deutlichen Merkmale der Liebe an Jones sah und Western nicht, wenn wir bedenken, daß die Idee von Liebe dem Vater niemals in den Kopf kam, seine Tochter hingegen zu dieser Zeit an gar nichts andres dachte.

      Seitdem Sophie fest von der Leidenschaft überzeugt war, welche den armen Jones quälte und nicht minder gewiß war, daß sie selbst der Gegenstand dieser Leidenschaft sei, ward es ihr außerordentlich leicht, die wahre Ursache seines jetzigen Betragens zu entdecken. Dies vermehrte ihre Neigung zu ihm um ein großes, und erweckte in ihrem Herzen zwei der vorteilhaftesten Bewegungen, die nur ein Liebender in seiner Geliebten zu erwecken wünschen mag. Diese waren Hochachtung und Bedauern. Nun sollte ich doch glauben, die entsetzlichste Rigoristin müßte sie entschuldigen, daß sie einen Mann bedauerte, den sie ihretwegen so viel leiden sah, ebensowenig könnte diese Rigoristin sie darüber tadeln, daß sie einen Mann hochschätzte, der so sichtbarlich aus den redlichsten Ursachen strebte, eine Flamme in seinem Busen zu ersticken, welche, gleich dem berühmten spartanischen Diebstahl, an seinen eigenen Eingeweiden nagte. Daher seine Blödigkeit, seine Entfernung, seine Kälte und sein Stillschweigen seine eifrigsten, fleißigsten, wärmsten und beredtesten Sachwalter wurden und so heftig auf ihr zärtliches und sanftes Herz wirkten, daß sie bald alle die milden Empfindungen für ihn fühlte, welche in einer tugendhaften und erhabenen weiblichen Seele stattfinden können. – Kurz alles, was Hochachtung, Dankbarkeit und Mitleiden einer solchen Person gegen einen angenehmen Mann einflößen – in der That alles, was die reinste Delikatesse erlaubt – mit einem Wort – sie war in ihn verliebt bis über die Ohren.

      Eines Tages begegnete sich dies junge Paar von ungefähr im Garten am Ende von zwei Gängen, welche beide auf den Kanal stießen, in welchem Jones ehemals fast ertrunken wäre, als er den Vogel wieder fangen wollte, den Sophie da verloren hatte.

      Die letzte Zeit her hatte Sophie diese Gegend sehr fleißig besucht. Hier pflegte sie mit einer Mischung von Schmerz und Vergnügen über einen Zufall nachzudenken, der, so geringfügig er an und für sich selbst sein mochte, doch vermutlich den ersten Samen der Liebe ausgestreut hatte, die jetzt in ihrem Herzen zu solcher Reife gediehen war.

      Hier also begegnete sich das junge Paar. Sie waren einander fast ganz nahe gekommen, ehe eines vom andern das geringste wahrgenommen hatte. Ein Zuschauer würde in beiden Gesichtern Zeichen genug von Verwirrung entdeckt haben. Sie fühlten aber selbst zu viel, um die geringste Beobachtung zu machen. Sobald als Jones sich ein wenig von seiner ersten Bestürzung erholt hatte, näherte er sich dem Fräulein mit den gewöhnlichen Begrüßungsformeln, welche sie auf eben die Art erwiderte, und ihre Unterredung begann ganz alltäglich über die Lieblichkeit und Schönheit des Morgens. Von da gingen sie über zu der Schönheit des Platzes, über welchen Jones in treffliche Lobsprüche ausbrach. Als sie an den Baum kamen, von dem er ehemals in den Kanal gepurzelt war, konnte Sophie nicht umhin, ihn an jenen Zufall zu erinnern, und sagte: »Ich sollte denken, Herr Jones, Sie müßten einen kleinen Schauder fühlen, wenn Sie das Wasser da sehen.« – »Ich versichre Ihnen, gnädiges Fräulein, die Betrübnis, die Sie über den Verlust Ihres kleinen Vogels fühlten, wird mir beständig der wichtigste Umstand in jener Begebenheit bleiben. Das arme kleine Tömchen! das ist der Ast, auf dem er saß. Wie konnte der kleine Narr so thöricht sein, aus dem Zustande der Seligkeit hinwegzufliegen, zu welchem ich die Ehre hatte ihm zu verhelfen? Sein Schicksal war eine gerechte Strafe für seine Undankbarkeit.« – »Auf mein Wort, Herr Jones,« sagte sie, »Ihre herzhafte Gefälligkeit hätte Ihnen um ein Haar ein ebenso hartes Schicksal zugezogen. Wirklich, das Andenken daran muß Ihnen rührend sein.« – »Wirklich, gnädiges Fräulein,« antwortete er, »wenn ich irgend Ursache habe, mich nicht mit Freuden daran zu erinnern, so ist's vielleicht deswegen, daß das Wasser nicht ein wenig tiefer war, wodurch ich manchem bittern Leiden entgangen wäre, welches mir das Schicksal noch scheint aufgehoben zu haben.« – »Pfui! Herr Jones,« erwiderte Sophie, »gewiß, das kann nicht Ihr Ernst sein! Diese affektierte Verachtung des Lebens ist bloß eine Aeußerung der Höflichkeit gegen mich. Sie möchten gerne die Verbindlichkeit verringern, die ich gegen Sie habe, daß Sie es zweimal für mich aufs Spiel setzten. Aber nehmen Sie sich fürs drittemal in acht!« Diese letzten Worte sagte sie mit einem unaussprechlich sanften Lächeln. Jones antwortete mit einem Seufzer: Er fürchte, die Warnung komme bereits zu spät. Und drauf,


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