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Verlogenes Versprechen. Ute DombrowskiЧитать онлайн книгу.

Verlogenes Versprechen - Ute Dombrowski


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      „Ah, das ist sicher ein aufregender Job. Wissen Sie, jetzt verstehe ich auch, warum Sie so ruhig sind. Sie haben wohl öfter mit Menschen zu tun, die neben der Spur sind?“

      Bianca nickte. Der Mann straffte sich und stand auf.

      „Ich habe es nicht mehr weit. Danke, dass Sie auf mich aufgepasst haben. Vielleicht mache ich wirklich, was mein Arzt gesagt hat: mich amüsieren, so lange es noch geht.“

      Bianca nickte erneut und wünschte dem Mann alles Gute. Sie schaute ihm hinterher, als er sich mit schlurfenden Schritten in Richtung Weinberge entfernte.

      2

      Bianca lief wie jeden Abend am Rhein entlang. Sie musste sich ablenken, denn Eric war noch nicht wieder zurück. Er wollte sein Leben ordnen und dazu gehörte seine Ehe mit der Frau, die mit einem lauten Knall in Biancas Leben eingedrungen war.

      Mit klopfendem Herzen musste sie an den Moment denken, wo er ihr entgegengeschleudert hatte: „Ich bin verheiratet.“

      Sie hatten sich gestritten und das hätte man wohl wieder in Ordnung bringen können, doch dieser eine Satz hatte Bianca den Boden unter den Füßen weggerissen. Später hatten sie sich ausgesprochen und Eric hatte versprochen, alles zu klären. Nach der Lösung des letzten Falles, der alle an ihre Grenzen geführt hatte, hatte er Urlaub genommen und war an die Nordsee gefahren.

      Das war vor zwei Wochen gewesen. Sie telefonierten ab und zu und er machte einen gelösten Eindruck. Aber Bianca spürte, dass ihr Freund das nur vorspielte. Morgen endlich wollte er zurückkommen. Sie hatten beim Telefonieren kein Wort über die Frau gesprochen, die wie eine bedrohliche Gewitterwolke über Biancas Leben hing. Darum war sie jeden Abend gerannt, als ginge es um ihr Leben.

      Als sie heute den Mann getroffen hatte, der auf einer Bank zusammengebrochen war, wollte sie eigentlich noch eine Weile am Rhein sitzen und ihren Gedanken nachhängen. Das Wetter war alles andere als winterlich, es war mild und oft schien die Sonne.

      Im Nachhinein war sie über die Ablenkung froh gewesen. Schon auf dem Friedhof, wo sie wie immer stille Zwiesprache mit Michael gehalten hatte, hatte sich eine große Unruhe in ihr breitgemacht und sie war angespannt. Der Mann, der sich als Janosch vorgestellt hatte, hatte sie aus ihren Grübeleien geholt. Er tat ihr wahrhaftig leid, wie er sich so dahingeschleppt hatte und dann kraftlos auf die Bank gesunken war. Erst hatte sie gedacht, dass er betrunken war, aber seine ausgemergelte Gestalt mit dem glänzenden kahlen Schädel ließ erahnen, dass er nüchtern, aber schwer krank war.

      Jetzt hatte sie geduscht und dachte über den Mann nach, der den Tod schon direkt vor sich sah. So nah, dass er bereits seinen Atem spüren konnte. Er musste verzweifelt sein, schwach, voller Schmerzen und hatte allen Grund dazu. Was waren dagegen schon ihre eigenen läppischen Probleme?

      „Morgen“, murmelte sie zu ihrem Spiegelbild. „Eric wird kommen und mich in den Arm nehmen. Ich vertraue ihm.“

      Der skeptische Blick, den sie im Spiegelbild entdeckte, sagte etwas anderes. Sie schüttelte die letzte Unsicherheit ab und ging ins Bett. Mit der Hand auf Erics Kopfkissen versuchte sie zu schlafen. Es war Freitag und sie konnte morgen ausschlafen. Die Verbrecher waren gnädig gewesen und hatten Eltville verschont, nur Kleinigkeiten waren vorgefallen und so genossen Bianca und Hannes eine ruhige Zeit.

      Ferdinand war seit einer Woche wieder zuhause und musste sich weiter erholen. Die Zwangspause machte ihn unruhig, er wollte endlich wieder arbeiten, aber alle waren froh, dass der Schuss keine tödliche Wunde hinterlassen hatte. Wie gut, dass die Täterin nicht die Absicht gehabt hatte, ihn zu erschießen. Bianca hatte ihn aus dem Krankenhaus abgeholt und viel mit ihm über den Fall geredet, der nicht so ausgegangen war, wie sie wollten. Wenn Bianca Ferdinand im Krankenhaus besucht hatte, war sie auch immer zur Intensivstation gegangen, wo Mia, die Frau, die Ferdinand angeschossen hatte, um ihr Leben kämpfte.

      Sie nahm ihr Handy und rief den Freund an.

      „He, Ferdinand, Lust auf Pizza?“

      „Kannst du nicht schlafen?“

      „Nein, ich habe einfach keine Ruhe. Hast du Zeit?“

      „Ach, Bianca, natürlich habe ich Zeit, für dich doch immer.“

      „Gut, ich bringe eine Tiefkühlpizza mit, schmeiß schon mal den Herd an.“

      Bianca schlüpfte aus dem Bett, zog sich ihre Jogginghose und den dicken Lieblingspulli an. Sie öffnete den Tiefkühlschrank, um die Pizza herauszunehmen. Mit einem Lächeln machte sie sich auf den Weg zu Ferdinand.

      Der Kommissar saß zuhause im Sessel, sah fern und dachte an Bianca. Der Kuss kam ihm in den Sinn, aber es fühlte sich an, als wäre es ein anderer gewesen, der die Kollegin und Freundin geküsst hatte. Nein, das war ich nicht, dachte er und lauschte in sich hinein. Freundschaft, nicht mehr, war das, was er fühlte. Zufrieden nickte er.

      Als es klingelte, öffnete er und Bianca lief an ihm vorbei in die Küche. Sie nahm die Pizza aus der Schachtel, löste die Folie ab und schob sie in den vorgeheizten Backofen.

      „Salamipizza, wenn es in Ordnung ist.“

      Ferdinand winkte ab und holte das große runde Brett aus dem Schrank. Sie setzten sich an den Küchentisch und schauten sich an.

      „Schieß los!“

      Bianca strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lachte.

      „Du kennst mich ziemlich gut, oder? Ich werde gerade verrückt vor Angst, obwohl Eric morgen zurück­kommt. Die ganze Zeit war ich relativ ruhig, aber jetzt ist mir wirklich schlecht. Vorhin war ich bei Michael, doch der konnte mich nicht beruhigen. Ich habe ein ganz merkwürdiges Gefühl.“

      „Habt ihr denn die ganzen zwei Wochen nicht miteinander telefoniert?“

      „Doch, aber ich hatte nicht den Mut zu fragen und Eric hat auch nichts gesagt. Heißt das, er hat jetzt reinen Tisch gemacht? Oder heißt das, er hat sich wieder in sie verliebt? Hat er womöglich niemals aufgehört sie zu lieben?“

      „Jetzt mach dich nicht verrückt! Er ist wegen euch dorthin gefahren, nicht wegen ihr. Du musst ihm vertrauen!“

      „Ich weiß, aber das Warten ist verdammt schwer. Ich schäme mich, weil ich denke, ich bin nicht gut genug für ihn. Was, wenn er sich für sie entschieden hat? Sie haben eine Menge zusammen durchgemacht.“

      „Ich kann verstehen, dass du Angst hast, aber ich denke, das ist unnötig.“

      „Mein Bauchgefühl …“

      „… kann auch mal falsch sein.“

      Bianca seufzte, dann dachte sie an Janosch.

      „Es ist so albern, dass ich mir um so einen Kram Gedanken mache.“

      Dann erzählte sie von der Begegnung auf ihrer Joggingrunde.

      „Weißt du, dagegen fand ich meine Sorgen und Nöte lächerlich. Stell dir vor, du musst sterben und das ganz sicher.“

      „Ich stelle mir das furchtbar vor. Wenn ich solch ein Schicksal hätte, wüsste ich nicht, was ich mache.“

      Bianca dachte an Alexander, der den alten Mann von seinem Leiden erlöst hatte, aber jetzt schossen ihr die Tränen in die Augen. Ferdinand ließ sie weinen, denn er ahnte, dass Bianca gerade vollkommen durchein­ander war. Er kannte die Geschichte, die zwei Kollegen das Leben gekostet hatte. Wenn ich todkrank wäre, dachte er, dann würde ich selbst bestimmen wollen, wie es endet.

      „Ich würde kämpfen, bis es nicht mehr geht“, sagte Bianca leise.

      Dann war die Pizza fertig und sie aßen schweigend. Zwei Stunden später fuhr Bianca heim und eine bleierne Müdigkeit senkte sich über sie. Sie schloss die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf. Nach langer Zeit träumte sie wieder von Alexander und der Explosion, doch dieses Mal rettete sie Michael und Benedikt, indem sie Alexander erschoss, bevor er das Haus in die Luft sprengen konnte.


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