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Kleine Novellen. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Kleine Novellen - Уилки Коллинз


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sie so in die Falle der Wirtin geraten waren, blickten sich die beiden Opfer in bedeutsamem Schweigen einander an. Ohne hinreichende Zeit, um den Rat eines Rechtskundigen einzuholen, ohne Freunde auf dem Lande und ohne die Möglichkeit, Offiziere ihres Ranges auf dem Schiffe anzusprechen, hatten sie allerdings nur die Wahl zwischen einer Heirat und dem Verderben.«

      Stein machte einen Vorschlag, der eines Helden würdig war.

      »Einer von uns muss heiraten« sagte er. »Ich bin bereit, mich dafür herzugeben.«

      Cosway kam ihm an Großmut gleich.

      »Nein« antwortete er. »Ich war es, der dich hierher brachte und dich zu diesen höllischen Ausgaben verleitete. Ich muss dafür büßen und ich will es auch.«

      Ehe noch Stein Einwendungen machen konnte, waren die fünf Minuten vorüber. Pünktlich erschien Frau Pounce wieder in der Tür.

      »Nun?« fragte sie, »wer soll es sein, Cosway oder Stein?«

      Cosway trat so sorglos wie immer vor und bot ihr seinen Arm.

      »Nun denn, Fettklümpchen« sagte er, »komm und lass dich heiraten!«

      In weiteren fünfundzwanzig Minuten war Frau Pounce eine Frau Cosway geworden, und die beiden Offiziere befanden sich auf dem Weg zum Schiffe.

      Zweiter Zeitabschnitt in Cosways Leben

      Vier Jahre waren verflossen, ehe die »Albicore« nach dem Hafen zurückkehrte, aus dem sie ihre Fahrt angetreten hatte. In der Zwischenzeit waren Cosways Eltern gestorben. Der Rechtsanwalt, der während seiner Abwesenheit von England seine Geschäfte besorgt hatte, benachrichtigte ihn, dass die Erbschaft aus seines verstorbenen Vaters »Besitztum« sich auf ein jährliches Einkommen von achthundert Pfund belaufe. Seine Mutter hatte nur die lebenslängliche Nutznießung ihres Vermögens besessen; sie hatte ihm ihre Juwelen, sonst nichts, hinterlassen.

      Die Erfahrungen, welche Cosway als Seeoffizier im Auslande gemacht hatte, hatten ihn in seinen Erwartungen vollständig getäuscht, denn er besaß keinen politischen Einfluss, der seine Beförderung hätte beschleunigen können. Er entschloss sich daher, vom Dienste zurückzutreten, sobald das Schiff »außer Dienst gestellt« sei.

      Zum Erstaunen seiner Kameraden hatte er indessen keine Eile, von dem ihm bewilligten Urlaub aufs Land Gebrauch zu machen. Der treue Stein war der einzige Mann an Bord, der da wusste, dass er seiner »Frau« zu begegnen fürchtete. Dieser gute Freund erbot sich, in den Gasthof zu gehen und die notwendigen Erkundigungen mit aller Vorsicht anzustellen.«

      »Vier Jahre sind eine lange Zeit, in ihrem Alter« sagte er. »Vieles kann sich in vier Jahren zutragen.«

      Eine Stunde später kehrte Stein zum Schiffe zurück und machte seinem Kameraden an Bord eine schriftliche Mitteilung in den Worten: »Packe deine Sachen sogleich ein und komme zu mir ans Land.«

      »Was für Nachrichten?« fragte der Ehegemahl besorgt. Stein blickte bedeutsam nach den Müßiggängern am Landungsplatze »Warte« sagte er, »bis wir allein sind.«

      »Wohin gehen wir?«

      »Zur Eisenbahn-Station.«

      Sie begaben sich in einen leeren Wagen, und Stein benahm seinem Freunde sogleich jede weitere Besorgnis.

      »Niemand kennt das Geheimnis deiner Heirat, als wir beide« fing er ruhig an. »Ich meine, Cosway, du hättest nicht nötig, traurig zu sein.«

      »Du willst doch nicht sagen, dass sie tot ist!«

      »Ich habe einen Brief von ihrem eignen Anwalt gesehen, der ihren Tod meldet« erwiderte Stein. »Er war so kurz, dass ich glaube, ihn Wort für Wort wiederholen zu können: —

      ,Werter Herr! Ich habe Nachricht von dem Tode meiner Klientin erhalten. Bitte, zahlen Sie die nächste und letzte Rate des Kaufschillings für den Gasthof an die Testamentsvollstrecker der verstorbenen Frau Cosway.« Das war der Brief. Mit den Worten ‚Werter Herr‘ meinte er den gegenwärtigen Inhaber des Gasthofes. Dieser erzählte mir in einigen Worten die frühere Lebensgeschichte deiner Frau. Nachdem sie ihr Geschäft mit gewohnter Klugheit länger als drei Jahre fortgeführt hatte, wurde sie kränklich und ging nach London, um einen Arzt zu befragen. Dort blieb sie unter dessen Obhut. Das nächste war, dass ein Agent erschien, der mit Rücksicht auf die schwankende Gesundheit der Wirtin den Auftrag hatte, das Geschäft zu verkaufen. Nimm nun noch den späteren Tod hinzu — und du hast den Anfang und das Ende der Geschichte Fortuna schuldete dir eine glückliche Wendung, Cosway — und Fortuna hat ihre Schuld entrichtet. Empfange meine besten Glückwünsche.«

      In London angekommen, begab sich Stein sogleich zu seinen im nördlichen Teile wohnenden Verwandten. Cosway ging auf das Bureau des Herrn Atherton, des Anwaltes der Familie, der während seiner Abwesenheit seine Interessen vertreten hatte. Sein Vater und Herr Atherton waren Schulkameraden und alte Freunde gewesen. Er wurde herzlich aufgenommen und eingeladen, am nächsten Tage dem Rechtsanwalte in seinem Landhause zu Richmond einen Besuch abzustatten.

      »Sie werden London nahe genug sein, um Ihre Geschäfte im Marineministerium zu besorgen« sagte Herr Atherton, »und in meinem Hause eine Besucherin antreffen, die eins

      der reizendsten Mädchen in England ist — die einzige Tochter des hochangesehenen Herrn Restall. Guter Himmel! Haben Sie nie von ihm gehört? Mein werter Herr, er ist einer der Teilhaber der berühmten Firma Benshaw, Restall und Benshaw.«

      Cosway war verständig genug, diesen letzten Teil der Auskunft als ganz selbstverständlich hinzunehmen. Am nächsten Tage stellte ihn Frau Atherton dem reizenden Fräulein Restall vor, und Frau Athertons unvermählte Tochter, die in ihrer Kindheit seine Spielgenossin gewesen war, flüsterte ihm, halb im Scherz, halb im Ernste zu: »Benutze deine Zeit aufs beste; Fräulein Restall ist noch frei.«

      Cosway schauderte bei dem bloßen Gedanken an eine zweite Heirat innerlich zusammen. War Fräulein Restall die Frau, die seine Zuversicht wieder aufrichten konnte? Sie war klein und zierlich und hatte dunkles Haar — ein anmutiges, wohlerzogenes, recht verständiges Mädchen, und sie hatte eine Stimme, die außerordentlich lieblich und einnehmend war. Ohr, Hand und Fuß waren bewunderungswürdig, und sie hatte den jetzt bei Frauen höchst seltenen Reiz eines ganz natürlichen Lächelns.

      Ehe noch Cosway eine Stunde im Hause war, fand sie, dass seine lange Dienstzeit im Auslande ihm eine Unterhaltungsgabe verliehen hatte, die vorteilhaft gegen das gewöhnliche Geschwätz abstach, das sie von anderen Männern gehört hatte.

      Cosway wurde bald ihr Liebling, wie Othello seinerzeit ein solcher geworden war.

      Die Damen des Hauses freuten sich alle des Erfolges des jungen Offiziers mit Ausnahme von Fräulein Restalls Gesellschafterin, einer Frau Margery, die vermutlich gegen hohen Lohn Mutterstelle bei ihr versah.

      Zu vorsichtig, um sich durch Worte bloßzustellen, drückte diese Frau Zweifel und Missbilligung in ihrem Blicke aus. Sie hatte weißes Haar, eisengraue Augenbrauen und geschwollene Augen; ihr Blick war ungewöhnlich scharf. Eines Abends erwischte sie den guten Herrn Atherton allein und befragte ihn vertraulich über Cosways Einkommen. Dies war die erste Warnung, die dem braven Rechtsanwalt über die Art der zwischen seinen beiden Gästen bereits bestehenden ‚Freundschaft‘ die Augen öffnete. Er kannte Fräulein Restalls hochangesehenen Vater sehr wohl und fürchtete, dass es bald seine unangenehme Pflicht werden könnte, dem Besuche Cosways ein Ende zu machen.

      Als an einem Sonnabendnachmittag Herr Atherton noch darüber nachdachte, wie er es Cosway am freundlichsten und rücksichtsvollsten beibringen könne, dass es Zeit sei, sich zu verabschieden, kam ein leerer Wagen im Landhause an.

      Herr Restall sandte Frau Atherton ein Billet, in dem er mit vollendeter Höflichkeit für die seiner Tochter erwiesene Güte dankte. »Umstände« fügte er hinzu, »machen es notwendig, dass meine Tochter heute nachmittag noch nach Hause zurückkehrt.«

      Die ‚Umstände‘ bezogen sich vermutlich auf eine Gartengesellschaft, welche von Herrn Restall in der folgenden Woche veranstaltet werden sollte. Aber warum


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