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Die goldene Harfe. Gerhart HauptmannЧитать онлайн книгу.

Die goldene Harfe - Gerhart Hauptmann


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Waldemar. Sie hat recht gesehn. Und wer sind wohl die Herren?

      Komtess Juliane. Du fragst mich zuviel. Ich wüßte nicht, wann sich mein Gedächtnis mit zwei besonderen Kavalieren beschäftigt hätte.

      Reichsgraf Waldemar. O doch, Juliane, sinne nach.

      Komtess Juliane. Meinst du, daß ich diesen beiden irgendwo schon begegnet bin? Dann müßte das wohl recht weit zurückliegen.

      Reichsgraf Waldemar. Du meinst, bevor dein eingezogenes Leben begann. Allerdings, du bist noch ein Kind gewesen. Und doch haben dir diese beiden Jünglinge damals den tiefsten Eindruck gemacht. Du hast bitterlich um sie geweint und geklagt, Juliane: du mußtest noch einmal aus dem Bett genommen und zu deiner Mutter gebracht werden.

      Komtess Juliane wird bleich, faßt nach dem Herzen. Dann können es nur die beiden Grafen von Saltern gewesen sein, bevor sie zusammen mit Heinz-Herbert ins Feld zogen.

      Reichsgraf Waldemar. Ja, ebendie. Zwei schöne sporenklirrende Jünglinge, kühn wie dein Bruder und todgeweiht. Sie waren Lützows Freischar verschworen.

      Komtess Juliane. Friedrich-Alexis! Friedrich-Günther! und Bruder Heinz!

      Reichsgraf Waldemar. Du kannst dir denken, daß Mama glücklich ist.

      Komtess Juliane. Und mich, Papa, macht dieser Besuch, der mich vollkommen überrascht, fassungslos. Irgendwie waren die beiden für mich nur, wie Heinz-Herbert, als längst Dahingeschiedene vorhanden.

      Reichsgraf Waldemar. Du wirst dich sogleich überzeugen, wie sprühend heiter, wie sprühend lebendig sie sind.

      Komtess Juliane. Erst muß ich mich sammeln. Ihr müßt mir Zeit lassen. Nämlich, Papa, – sie geht unruhig auf und ab – gerade weil du sagst, daß sie sprühend lebendig sind, empfinde ich den Verlust Heinz-Herberts, als ob du erst eben die Nachricht davon gebracht hättest.

      Reichsgraf Waldemar. Ich wollte dir ganz gewiß einen Schmerz nicht zufügen. Im Gegenteil wollte ich dich erfreuen, denn die beiden Freunde unseres geliebten Toten sind wirklich die allererfreulichste Gegenwart. Du wirst dich sammeln, du wirst dich ermannen – es tut mir unendlich leid, wenn ich vielleicht ein wenig unüberlegt in das Heiligtum deiner still versponnenen Welt eingedrungen bin.

      Komtess Juliane, wie vorher. Sieben Jahre und mehr sind durch deine Worte hinweggenommen. Ich sehe vor mir drei heiter lachende, sporenklirrende Jünglinge und weiß zugleich, daß sie Opfer sind, weiß, sie reiten davon, in die Schlacht, in den Tod. Und nun – Heinz-Herbert hebt mich zuerst empor – ich schluchze und weine unter glühenden Küssen. Der zweite, der dritte tut ebenso, und ich weine und schluchze am Halse des einen, am Halse des andern, wie ich am Halse des Bruders geschluchzt habe. Und dann sind sie fort und bleiben fort und – »Heute noch auf stolzen Rossen, morgen durch die Brust geschossen«, singt ein Gärtner, der unter meinem Fenster Rosen okuliert ...

      Reichsgraf Waldemar nimmt sie an sich, streichelt sie. Sei ruhig, beruhige dich, mein Kind: ich werde dich vorderhand entschuldigen. Er küßt sie auf die Stirn und geht ab. Komteß Juliane erliegt fassungslosem Weinen.

      Jutta, indem sie zu ihr fliegt. Es ist eine heilsame Krise, Komteß. Glauben Sie mir, die Wiederkehr dieser beiden Brüder ... ich ahne, wieviel sie für Ihr Gemüt bedeuten wird. Hat nicht Ihr Bruder, haben nicht diese Männer kühn dem Tod ins Gesicht gesehn? – Tun Sie das gleiche mit dem Leben!

      Komtess Juliane. Kleine Jutta, ich fürchte mich ...

      Zweite Szene

      Ein Saal im gleichen Schloß. Zweiflügelige, weitgeöffnete Glastüren verbinden mit einer Terrasse. Bemooste Sandsteinplastiken, Barockstil, schmücken die Balustrade. Dahinter die Baumwelt des alten Parks.

       An einem Pianoforte sitzt Gherardini. Ihm zur Seite steht Graf Friedrich-Alexis. Reichsgräfin Anna lehnt in einem Sessel am Teetisch. Graf Friedrich-Günther hat in formeller Art in ihrer Nähe Platz genommen. Gräfin Ludmilla besorgt den Teetisch. Sulzer dienstbereit im Hintergrund.

      Graf Friedrich-Alexis, von Gherardini auf dem Pianoforte begleitet, singt mit schönem Bariton das Lied.

      Du Schwert an meiner Linken,

       was soll dein heitres Blinken?

      Reichsgräfin Anna, nach Beendigung des Vortrags. Sie nennen eine wirklich herrliche Stimme Ihr eigen, teurer Graf.

      Gherardini. Und diese Schule und Verve zugleich! Nur der Freiheitskämpfer von einst kann diese Körnerschen Schlachtengesänge so vortragen.

      Reichsgräfin Anna, indem sie Tee schlürft. Ist nicht der arme Dichter auch gefallen?

      Graf Friedrich-Günther. Bei einem Dorfe unweit Gadebusch, und wahrscheinlich durch eine deutsche Kugel.

      Reichsgräfin Anna. Armes Deutschland – nicht wahr, meine liebe Ludmilla? –, wie zersplittert, wie zerrissen, wie zerfallen es doch noch immer ist! Wofür haben wir unsre Kinder geopfert, unsre Söhne dahingegeben, diesen korsischen Usurpator verjagt, wenn Bruderkriege Deutscher gegen Deutsche noch immer drohen, noch immer möglich sind?! – Wann sahen Sie Heinz-Herbert zum letztenmal?

      Graf Friedrich-Günther. Neben mir, mit gezücktem Säbel, zu Pferde. Es war in. der gleichen Gegend, bei Gadebusch. Dann verlor ich ihn aus den Augen.

      Gherardini rezitiert pathetisch.

      Vater, ich rufe dich!

       Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze ...

      Reichsgräfin Anna. Können Sie mir sagen, liebe Gräfin, wo der Reichsgraf bleibt?

      Gräfin Ludmilla. Ich glaube, Seine Erlaucht wollten Komteß Juliane persönlich von dem Besuch unterrichten, der gekommen ist.

      Graf Friedrich-Alexis, mit Frische. Wir sind Philosophen, mein Bruder und ich. Wir haben einander das Wort gegeben, uns dem Leben mit entschlossenem, ja mit heiterem Mut zu stellen, wie und wo es immer ist. So trauern wir auch nicht um Kameraden, die dem Leben den Zoll des Todes gezahlt haben. Aber wir leben mit ihnen in der Erinnerung. Wir wollen Ihnen erzählen, Erlaucht, und immer wieder Ihnen erzählen, wie viele frohe und glückliche Stunden wir mit Heinz-Herbert verbracht haben. Damit leisten wir seiner Mutter, der Mutter eines Helden, und diesem selbst am besten den Zoll der Dankbarkeit.

      Graf Friedrich-Günther. Wir sind drei Jahre fern von der Heimat gewesen: seit wir wieder deutschen Boden unter den Füßen haben, ist unser Kamerad mehr als sonst um uns. Als die Extrapost uns durch das badische Ländchen trug, in der Ferne zur Linken das Vogesenblau, unter uns die Rheinebene, der Frühling und diese unendlichen Wiesen, darüber das weiße Gewölk der Obstblüte, da fühlte ich, fühlten wir: jeder Grashalm spricht deutsch, jeder Grashalm ist eine deutsche Zunge! Und da spürten wir wieder doppelt, was die große und bunte Welt da draußen vielleicht ein wenig übertäubt haben mochte: warum und wofür wir uns eingesetzt hatten.

      Graf Friedrich-Alexis. Günther hat recht, es ist ein Mysterium. Die Seele ... es ist nicht wahr! sie ist nicht Luft: sie hat nicht nur Flügel, sie hat auch Wurzeln. Es klingt paradox, aber sie verlernt das Fliegen, Erlaucht, wenn sie ihre Wurzeln aus der Muttererde nimmt.

      Gherardini, mit Klavierbegleitung, forsch. Und darum sangen wir damals, als man uns diese Muttererde geraubt hatte und wir sie zurückerobern wollten – singt.

      Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!

       ins Feld, in die Freiheit gezogen.

      Reichsgraf Waldemar tritt ein und erhebt, das laute Wesen beschwichtigend, die Hand.

      Reichsgräfin Anna, in die entstandene Stille. Was ist mit Juliane?

      Reichsgraf Waldemar. Ich fand sie bei ihrer goldenen Harfe, die ja im Augenblick, wie du weißt, ihr ein und alles ist.

      Reichsgräfin Anna. Ich dachte, Liebling, du würdest sie mitbringen.

      Reichsgraf Waldemar. Ich bekenne, ich habe das gleiche gedacht. Er wendet sich zu den Grafen. Aber unsere Tochter, müssen Sie wissen, ist ein Wesen von unendlicher Güte


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