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Reisen Band 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich


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- sie scheinen eine Vorliebe für dies Vergnügen zu haben, weil Blut dabei fließt - und die beiden Correos ver-/93/gaßen im ersten Augenblick wirklich die Indianer, um nun erst die verschiedenen Tugenden und Eigenschaften der Hähne zu besprechen und zu bewundern. Dann aber ging es natürlich auch auf los Indios über, und der junge Correo erzählte meinem Alten, daß die Pampas-Indianer kürzlich Desaguadero überrumpelt, von den Männern aber Niemanden erwischt und nur eine alte Frau zu Hause gefunden hätten. Sie schienen sich jedoch dort ziemlich gut benommen, oder wenigstens nichts mehr gestohlen zu haben, als was sie gerade für ihren eigenen Bedarf brauchten.

      Für uns war das allerdings keine tröstliche Nachricht, denn Desaguadero lag gerade in unserem Weg; doch hatten wir ja auch den Beweis, daß der erst getroffene Omnibus von den Wilden ebenfalls nicht gesehen worden und glücklich durchgekommen war. - Glück muß der Mensch haben, und wir rechneten etwas darauf.

      Ich schrieb den Abend etwas an meinen Notizen, und stand am nächsten Morgen mit Tagesanbruch auf, um meinen mir versprochenen Landsmann zu besuchen. - Der Correo gab mir zu diesem Zweck einen der jungen Burschen aus dem Gasthaus zum Führer mit, und durch ein paar enge Gassen und über die Plaza hingehend, erreichte ich bald darauf das Haus. Hätte ich aber fünf Meilen deshalb marschiren müssen, der Mann wäre mir nicht zu theuer erkauft gewesen.

      Es war ein kleines, ausgetrocknetes Männchen mit einem dünnen melancholischen Gesicht und hellblauen müden Augen. - Er trug einen schwarzen alten Seidenhut - Schraube, wie ihn die Matrosen nennen - und einen sehr schmutzigen rothen Poncho - die Cheripa wie die Argentiner statt der Hosen, und nicht einmal Unterkleider darunter, denn die nackten dünnen Waden schauten aus dem Faltenwurf der letzten wie mit leisem Vorwurf heraus, und die ebenfalls nackten Füße staken in einem Paar gerade so abgetragenen rindledernen Schuhen. Der Mann hieß Hüter und war aus der Gegend von Mainz gebürtig. Früher Steinhauer gewesen, hatte er das Geschäft aber in den Pampas, wo es nur höchstens an einigen Flüssen Kieselsteine gab, nicht fortsetzen können, die Hutmacherei angefangen, und natürlich /94/ eine Frau genommen. Mit der Frau bekam er eine unbestimmte Anzahl von Kindern und ein kleines Materialgeschäft, eine Art Kramladen, mit dem er aber auch noch als Zweiggeschäft eine Art Speisehaus zu verbinden schien. Selbst während ich dort war, kamen mehrere Soldaten herein, und verzehrten gleich am Ladentisch ein Stück Wurst und Brod.

      In einer Reihe von siebzehn Jahren, die er jetzt im Lande lebte, hatte er sich aber ein sehr schlechtes Mainzer-Spanisch und nebenbei noch all' die Unreinlichkeit der Eingeborenen angeeignet. Es sah wahrhaft greulich bei ihm aus, und wenn ich auch für die frühe Morgenstunde etwas Entschuldigung gelten lassen will, so könnte das doch nicht all' den entsetzlichen Schmutz subtrahiren. Das Eigenthümliche dabei war, daß der Mann fast gar kein Deutsch mehr sprechen konnte. Deutschland war ihm ebenfalls ganz fremd geworden, und Nachrichten von dort schienen ihn wenig zu interessiren. Wunderbarer Weise hatte auch er schon davon gehört, daß in Deutschland eine Revolution gewesen sei, er glaubte es aber noch nicht so recht. Ueberhaupt schienen seine Ansichten über deutsche Verhältnisse etwas verworren. Nur an Mainz erinnerte er sich noch ziemlich deutlich, und sagte kopfschüttelnd, als ich ihm versicherte, auch dort seien Unruhen ausgebrochen, „Mainz wäre eine gute Stadt und die könnten sie nicht sogleich nehmen".

      Trotzdem übrigens, daß er doch nach so langem Aufenthalt in den Pampas von Südamerika und durch seine Familie hier ganz eingebürgert war, schien es ihm keineswegs so gut zu gefallen, als sich das vermuthen ließ. - Das Land war, wie er mir versicherte, gut, aber die Leute bauten hier nichts, weil, wie er sich ausdrückte, zu viele „schlechte hombres" (Menschen) in der Nähe wären, welche die Producte viel schneller wegstählen, als sie wachsen könnten. Er selbst hatte früher etwas gebaut, es aber auch wieder aufgegeben, er mochte nicht „für die Spanier" arbeiten. - In Buenos-Ayres sei es jetzt wohl ruhig, man könne aber nie wissen, wie lange das dauern werde, und stürbe Rosas einmal, dann sei es auch wieder eine Frage, wer an die Ober-/95/herrschaft käme, und ob die überhaupt gleich wieder Jemand, und sicher, in die Hand nähme.

      Diese Furcht schien mir im Lande der Hemmschuh jedes vernünftigen und sonst gewiß schon aus sich selber entstehenden Fortschritts, und daß sie nicht unbegründet ist, beweist schon ihre Allgemeinheit. Obgleich Rosas jetzt gestürzt ist und eine andere, anscheinend mildere Regierung an der Spitze steht, wird das diese Furcht nicht heben. Wer weiß, wie lange es dauert, und das Volk der Gauchos ist eine wilde, schwer zu bändigende Menschenrace, die wie die Lava der arbeitenden Vulkane wohl eben eine harte, scheinbar kalte Rinde anzusetzen gestattet, innerlich aber fortwährend kocht und gährt und einmal über Nacht wieder Alles, was sich ihr anvertraut, über den Haufen wirft.

      Das gesellige Leben hier war, wie der alte Mann weiter erzählte, nun gar erst trüb' und traurig. Zwischen all' den Spaniern lebte er seine Tage still und einförmig hin, und sein einziger Wunsch sei, wieder einmal nach Deutschland zurückkehren zu können. Dazu gehörte aber Geld, baares Geld, und das könne man sich hier nur ungemein schwer verdienen. Andere Deutsche lebten nicht, weder in seiner Nachbarschaft noch sonst in der Nähe, und wenn ja einmal einer dort kleben geblieben wäre ( e r sah wirklich so aus), so hätte er es doch nie lange ausgehalten.-- Bei ihm wäre das aber 'was Anderes, er hätte Frau und Kinder, und müsse wohl.

      Trotzdem schien es mir nicht, als ob er sich wirklich speciell nach Deutschland zurücksehnte - er wollte nur fort von Südamerika. In einer Sache freute ich mich aber auch wieder, einen ächten Deutschen in ihm gefunden zu haben. - Die Ursache nämlich, weshalb er mich gestern Abend nicht aufgesucht hatte, war niemand Anderes als die Polizei gewesen, vor der er sich gefürchtet. - Es lagen in dem Nest nämlich, der draußen herumspukenden Indianer wegen, eine Menge Soldaten, und die Polizei hatte derentwegen den Befehl erlassen, zu später Stunde nicht mehr in den Straßen herumzuschwärmen. - Nun ging das allerdings gar nicht auf ihn, die Polizei hätt' es aber doch vielleicht /96/ übel nehmen können, wenn er draußen gesehen würde, und mit der mochte er's nicht gern verderben.

      Leider durfte ich nicht so lange mit ihm plaudern, als ich es wohl gewünscht hätte, denn der Correo stand schon wieder zum Abmarsch gerüstet, und wir nahmen Abschied von einander. Er sagte, als er mir die Hand reichte, ,,es kämen wohl manche Deutsche in die Gegend, sie gingen aber immer wieder gleich fort, wie ich, und dann bleibe er wieder mit den Spaniern allein;" so erfuhr er denn auch sehr wenig von Dem, was in „Allemanje" vorfiel.

      Der Ritt am 27. ging fast den ganzen Tag durch eine jetzt wirklich traurige Einöde. Das Steppengras stand überall gelb und welk, und der Winter übte hier augenscheinlich seine Macht aus. Vor uns hatten wir dabei die starren, von keiner Vegetation bedeckten niederen Hügelkuppen, die weiterhin mit den Cordobabergen in Verbindung zu stehen schienen, und nicht einmal Wild fand sich in dieser trostlosen Steppe. Die ganze Natur war wie ausgestorben, und eine entsetzlich lange Station ermüdete die armen Thiere noch außerdem bis zum Niedersinken. Endlich erreichten wir die ersten Felsklippen, die wahrlich nicht aussahen, als ob sie einen freundlichen Wechsel in der Scenerie hervorbringen könnten. Wild übereinander geworfenes Gestein starrte uns eben so monoton entgegen, und die einzige Abwechselung schien die, aus einer sandigen in eine steinige Wüste gekommen zu sein. Als wir aber darüber hinritten, befanden wir uns plötzlich in einem Thal, das, in diese Einöde wie hineingezaubert, einen wirklich überraschenden Eindruck auf mich machen mußte. Draußen die ganze Natur verdorrt, eine fast erstorbene Vegetation, kein Grün, das dem Auge einen einzigen Ruhepunkt geboten, kein lebendes Wesen zu hören und zu sehen, als die schnaubenden Thiere unter uns und ein einsamer kreisender Falke - hier dagegen, wie aus dem Boden heraufbeschworen, blühende Bäume; und saftiges Laub, weicher Rasen und reges Leben, denn selbst eine Menge von Hausthieren gab es hier, Truthähne, Hühner, ja selbst zahme Strauße. Es war ein so freundliches Plätzchen, wie man es nur auf der Welt finden konnte.

      Von hier ab ging der Weg, mit frischen Pferden, durch /97/ kühle, mit Schilf und Buschwerk bewachsene Schluchten eine weite Strecke lang hin, und ein murmelnder Bach folgte unserer Bahn. Den Bach muß ich übrigens denunciren - er hat Gold. - Damals ritt ich allerdings daran hin, ohne auf solche böse Gedanken zu kommen; seit ich aber die californischen und australischen Berge gesehen habe, bin ich ziemlich fest davon überzeugt, denn selbst damals fielen mir die großen schönen und schneeweißen Quarzblöcke auf, die überall daran hin zerstreut lagen. Nicht weit davon entfernt sind auch, wie ich später erfuhr, die Carolina-Goldminen,


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