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Lourdes. Emile ZolaЧитать онлайн книгу.

Lourdes - Emile Zola


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Bannmeile bewohnte, wo er sich mit gefährlichen Studien über Sprengstoffe beschäftigen sollte. Man fügte hinzu, er habe jedes Band zwischen sich und seiner frommen und ehrbaren Mutter dadurch gelöst, daß er in wilder Ehe mit einer Frauensperson lebte, von der man nicht wußte, woher sie stammte. Seit drei Jahren hatte ihn Pierre, der in seiner Jugend Guillaume wie einen älteren väterlichen und guten, lustigen Freund verehrt hatte, nicht wiedergesehen.

      Der Tod der Mutter war der nächste schwere Kummer seines Lebens. Es war ein ganz unerwarteter Schlag. Nach einer nur dreitägigen Krankheit war sie plötzlich verschieden. Er hatte sie eines Abends, als er weggelaufen war, um einen Arzt zu holen, bei seiner Rückkehr tot wiedergefunden. Während seiner Abwesenheit war sie gestorben, und seine Lippen hatten noch den erkalteten Hauch ihres letzten Kusses bewahrt. An das übrige erinnerte er sich nicht mehr, weder an die Totenwache noch an die Vorbereitungen, noch an die Beerdigung. Alles dies verschwand in dem Dunkel seines Schmerzes, der so wild sich aufbäumte, daß er beinahe daran gestorben wäre. Bei der Rückkehr vom Friedhof hatte ihn ein heftiger Schüttelfrost befallen, ein Fieber stellte sich ein, und drei Wochen schwebte er, unaufhörlich phantasierend, zwischen Leben und Tod. Sein Bruder war gekommen und hatte ihn gepflegt. Dann hatte Guillaume sich mit der Erbschaftsangelegenheit beschäftigt und nach der Teilung des kleinen Vermögens ihm das Haus und eine kleine Rente überlassen, während er seinen Anteil in barem Gelde mitnahm. Als er ihn außer Gefahr gesehen hatte, war er wieder gegangen und in sein Dunkel zurückgekehrt. Pierre hatte nichts getan, um Guillaume zurückzuhalten, denn er sah ein, daß zwischen ihnen eine weite Kluft sich gebildet hatte. Anfangs hatte er unter der Einsamkeit schwer gelitten. Dann aber hatte er sich in der tiefen Stille der Zimmer, die der Lärm der Straße nicht störte, und unter dem verschwiegenen Schatten des kleinen Gartens sehr wohl befunden. Sein Zufluchtsort war vor allem das alte Laboratorium seines Vaters, das seine Mutter zwanzig Jahre sorgfältig verschlossen gehalten hatte, gleichsam als wollte sie auf diese Weise dort die Vergangenheit mit ihrem Unglauben und ihrer Verdammnis einmauern. Vielleicht wäre sie trotz ihrer Sanftmut und ihrer andächtigen Verehrung für den Gatten doch noch eines Tages zur Vernichtung der Bücher und Papiere geschritten, wenn der Tod sie nicht überrascht hätte. Pierre hatte die Fenster wieder öffnen, den Schreibtisch und die Bücher abstauben lassen, sich in dem großen Lehnstuhl niedergelassen und verbrachte dort köstliche Stunden. Wie neugeboren durch seine Krankheit und in die Tage seiner Jugend zurückversetzt, genoß er durch die Lektüre der Bücher, die ihm unter die Hände kamen, ein ihm unbekanntes geistiges Behagen.

      Während dieser zwei Monate langsamer Wiedergenesung hatte er, soviel er sich erinnerte, nur den Doktor Chassaigne empfangen. Das war ein alter Freund seines Vaters, ein gediegener Arzt, der sich bescheiden auf seine Eigenschaft als Praktiker beschränkte und nur den einen Ehrgeiz besaß, seine Kranken zu kurieren. Vergebens bemühte er sich um Frau Froment, aber er durfte sich rühmen, den jungen Priester aus einer schlimmen Lage gerettet zu haben. Von Zeit zu Zeit besuchte er ihn, plauderte mit ihm und suchte ihn zu zerstreuen. Er erzählte ihm von seinem Vater, dem großen Chemiker. Er wußte reizende Anekdoten von ihm zu berichten und rührende Einzelheiten einer innigen Freundschaft. So hatte sich der Sohn während seiner langsam fortschreitenden Erholung von seinem Vater ein Bild von verehrungswürdiger Einfachheit, Güte und Liebenswürdigkeit gebildet. Das war sein Vater, wie er wirklich war, und nicht der Mann der strengen Wissenschaft, wie er sich ihn früher nach den Erzählungen seiner Mutter vorgestellt hatte. Sie hatte ihn allerdings niemals anderes als aufrichtige Verehrung und Hochachtung des teuren Verstorbenen gelehrt. Aber war er nicht der Ungläubige, der Mann der Verneinung, der die Engel weinen machte, der Helfershelfer der Ruchlosigkeit, die sich gegen Gottes Werk richtete? So war er eine düstere Schreckenserscheinung gewesen, ein Verdammter, der als Gespenst im Hause umging, während er jetzt zum hellen, freundlichen Licht wurde, als ein von heißem Verlangen nach Wahrheit beseelter Arbeiter, der niemals anderes erstrebt hatte als die Liebe und das Glück aller. Doktor Chassaigne, ein Sohn der Pyrenäen, geboren in einem Dorfe, wo man noch an Hexen glaubte, würde sich noch eher der Religion zugewendet haben, wenn er auch seit den vierzig Jahren, die er in Paris lebte, seinen Fuß niemals in eine Kirche gesetzt hätte. Er war der felsenfesten Überzeugung, daß Michel Froment, wenn es irgendwo einen Himmel gäbe, sich dort befände und auf einem Throne zur Rechten des lieben Gottes säße.

      Und Pierre durchlebte noch einmal in wenigen Minuten die entsetzlichen zwei Monate, in deren Verlauf ihn eine schwere Krisis heimgesucht hatte, nicht etwa, weil er in der Bibliothek Bücher antireligiösen Inhalts gefunden hatte, sondern es war nach und nach ganz gegen seinen Willen in ihm eine wissenschaftliche Klarheit aufgestiegen, ein Ganzes von bewiesenen Phänomenen hatte sich gebildet und die Dogmen zerstört und in ihm nichts von all den Dingen übriggelassen, an die er glauben sollte. Er kam sich nach der Krankheit wie neugeboren vor, es schien, als ob er noch einmal anfinge zu leben und zu lernen in dem angenehmen körperlichen Befinden des Wiedergenesenden, in jenem noch nicht ganz gekräftigten Zustande, der seinem Verstande eine durchdringende Klarheit verlieh. Im Seminar hatte er unter dem Einflusse seiner Lehrer seinen nachgrübelnden Geist, seinen unstillbaren Wissensdurst im Zaume gehalten. Was man ihn lehrte, das überraschte ihn wohl. Aber er kam doch dahin, seine Vernunft der Lehre zum Opfer zu bringen. In jener Zeit wurde der mühsame Bau des Dogmas durch eine Empörung der siegenden Vernunft gestürzt, die ihr Recht forderte und nicht mehr zum Schweigen gebracht werden konnte. Die Wahrheit brach sich mit so unwiderstehlicher Gewalt Bahn, daß er einsah, er würde niemals wieder den Irrtum in seinem Geiste von neuem zur Herrschaft bringen können. Es war der vollständige Zusammenbruch des Glaubens. Wenn er es vermocht hatte, das Fleisch in sich zu töten, indem er auf den Traum seiner Jugend verzichtete, wenn er so sehr Herr über seine Sinnlichkeit war, daß er aufgehört hatte, Mann zu sein, so wußte er jetzt doch, daß ihm der Verzicht auf seine Vernunft unmöglich sein würde. Und er täuschte sich nicht. Es war sein Vater, der in seinem Innern wieder erstand, und der schließlich in diesem ererbten Dualismus über die Mutter den Sieg davontrug. Sein langes Gesicht mit der hohen Stirn seinen sich noch verlängert zu haben, während das feine Kinn und der weiche Mund immer mehr zurücktraten. Und doch empfand er Trauer darüber, daß er nicht mehr glaubte, und das heiße Verlangen, noch glauben zu können, überwältigte ihn immer wieder, wenn sein gutes Herz, sein Bedürfnis nach Liebe wach wurde in stillen Dämmerstunden. Dann mußte erst die Lampe kommen, er mußte wieder Helligkeit in und um sich sehen, um die Energie und die Ruhe seiner Vernunft wiederzufinden, die Stärke des Märtyrers, den Willen, alles für den Frieden seines Gewissens zu opfern.

      Schließlich hatte sich die Krisis gelöst. Er war Priester und glaubte nicht mehr. Wie ein unendlicher Abgrund tat sich diese Erkenntnis vor ihm auf. Das war das Ende seines Lebens, der Zusammenbruch von allem. Was sollte er tun? Gebot ihm nicht die Ehrlichkeit, die Soutane von sich zu werfen und wieder in die Welt zurückzukehren? Aber er hatte schon genug abtrünnige Priester gesehen, und hatte sie verachtet. Ein verheirateter Priester erfüllte ihn mit Abscheu. Das war ohne Zweifel ein Überbleibsel seiner langen religiösen Erziehung. Er hielt noch fest an der Unverletzlichkeit des Priestertums, an dem Gedanken, daß der, der sich Gott geweiht hatte, sich nicht wieder frei machen könnte. Vielleicht hielt er sich auch schon für zu sehr gekennzeichnet, für so verschieden von den anderen Menschen, daß er fürchten mußte, von ihnen als ein Fremder in ihrer eigenen Welt angesehen zu werden. Da man ihn seiner Männlichkeit beraubt hatte, wollte er auch in seinem schmerzensreichen Stolze für sich bleiben. Und nach langen qual und angstvollen Tagen, nach unaufhörlich wiederkehrenden Kämpfen, in denen sich sein Verlangen nach Glück und die Kraft seiner wiedergewonnenen Gesundheit stritten, faßte er den heroischen Entschluß, Priester zu bleiben, und zwar ein ehrbarer Priester. Da er sein Fleisch ertötet hatte, wenn es ihm auch nicht gelungen war, seine Vernunft zum Schweigen zu bringen, so war er sicher, daß er das Gelübde der Keuschheit halten würde. Und das Leben, das er lebte, war nach seiner festen Überzeugung ein reines und rechtschaffenes. Was bedeutete es für ihn, daß er zu leiden hatte, wenn nur niemand auf der Welt den erloschenen Vulkan in seinem Herzen ahnte, die Nichtigkeit seines Glaubens, die entsetzliche Lüge, an der er sich zu Tode quälte! Sein fester Halt würde seine Unbescholtenheit sein, er würde sein Priesteramt als ehrbarer Mann ausüben, ohne eines der Gelübde zu brechen, die er getan hatte. Er wollte fortfahren, nach den Kirchenvorschriften seine Pflichten als Diener Gottes auszuüben. Er würde predigen, er würde am Altar das Hochamt abhalten, er würde an die Gläubigen das Lebensbrot austeilen. Wer würde wagen,


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