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Vier Jahre für Lincoln. Stillwell LeanderЧитать онлайн книгу.

Vier Jahre für Lincoln - Stillwell Leander


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verfügbar war, besserte sich unser Speiseplan wieder. Ich werde wohl niemals wieder Fleisch essen, das so gut schmeckt wie der damalige gebratene Schweinebauch mit "Flapjacks" und reichlich gutem, starkem Kaffee. Wir hatten den regulären Drillbetrieb noch nicht aufgenommen, der Wachtdienst war nicht anstrengend und generell wurde alles nicht so genau genommen. Dazu kam noch das angenehme Klima. Wir hatten gerade den wolkenverhangenen, frostigen Norden hinter uns gelassen, wo es kalt und trostlos war, während die Luft hier so mild und warm war wie der späte Mai in Illinois. Das grüne Gras schoss aus der Erde, die Veilchen blühten, die Bäume schlugen aus und die Wälder wimmelten von gefiederten Sangeskünstlern. Es gab da einen Rotkardinal, der sich jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf der großen Schwarzeiche bei unserer Kompaniestraße niederließ und etwa eine Stunde lang sein lebhaftes, lärmendes Liedchen übte, welches, so deutlich wie nur irgendein menschliches Kommando, auszurufen schien: "Heda, Jungs! Aufstehen, Jungs! Aufstehen!" Unter uns ging das Gerücht um, er sei ein unionstreuer Rotkardinal, der sich dem Regiment angeschlossen habe, um uns den morgendlichen Weckruf zu trällern.

      Auf diese Weise verlebten wir eine angenehme Zeit bis zu jenem ereignisreichen Sonntagmorgen am 6. April 1862. Gemäß dem Almanach der "New York Tribune" für jenes Jahr ging die Sonne an diesem Morgen in Tennessee um 05.38 Uhr auf. Ich besaß keine Taschenuhr, bin mir jedoch sicher, dass die Sonne bereits anderthalb Stunden am Himmel stand, als die Kämpfe an unserem Abschnitt der Linie losbrachen. Wir waren bei Sonnenaufgang aufgestanden, hatten den Morgenappell abgehalten und unser Frühstück zubereitet und verzehrt. Anschließend bereiteten wir uns auf die allsonntagmorgendliche Inspektion vor, die um 09.00 Uhr stattfinden sollte. Die Jungs trieben sich auf den Kompaniestraßen und vor dem Appellplatz herum, polierten ihre Musketen oder reinigten ihre Schuhe, Jacken, Hosen und sonstige Kleidung. Es war ein wunderbarer Morgen. Die Sonne schien hell durch die Bäume und es fand sich kein Wölkchen am Himmel. Es war wie ein Sonntag auf dem Lande zuhause. An den Wochentagen herrschte an der Anlegestelle ein unablässiges Kommen und Gehen von Armeewagen und das Knirschen ihrer Räder, die Rufe und Flüche der Fuhrleute, das Knallen der Peitschen, das Brüllen der Maultiere, das Wiehern der Pferde, die Kommandorufe der Offiziere bei den Drillübungen, das lärmende Treiben in den Lagern, das Schmettern der Signalhörner und die rollenden Wirbel der Trommeln – all dies vermengte sich zu einer ständigen Geräuschkulisse, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang andauerte. Jener Morgen jedoch war seltsam still. Die Wagen gaben keinen Laut von sich, die Maultiere kauten in aller Ruhe ihr Heu und die Fuhrleute verschonten uns mit ihrem Lärm. Ich lauschte interessiert den klagenden Lauten einer Trauertaube in einem nahen Gehölz, während auf dem toten Ast eines im Lager stehenden großen Baumes ein Specht seinen "Trommelwirbel" veranstaltete. Er klang exakt wie seine nördlicheren Brüder, die ich schon tausendmal zuhause in Otter Creek in den Bäumen gehört hatte.

      Plötzlich ertönte in einiger Entfernung zu unserer Rechten, aus Richtung der Shiloh-Kirche, ein dumpfes, kräftiges "Bumm!", dann ein weiteres und noch eines. Wir alle sprangen auf, als hätten wir einen elektrischen Schlag erhalten und starrten einander verblüfft an. "Was ist das?" fragte ein jeder, aber niemand vermochte eine Antwort zu geben. Das Donnern wurde heftiger und erfolgte in kürzeren Abständen und schon wenige Sekunden nach jenem dumpfen, unheilvollen Grollen aus dem Südwesten wurde ein leiseres, gedämpftes, andauerndes Brausen hörbar. Dieses Geräusch war unverkennbar. Das war kein Trupp von Wachtposten, die nach ihrer Ablösung ihre Waffen leerfeuerten; das war das stetige Prasseln tausender Musketen. Nun wurde uns bewusst, dass eine Schlacht losgebrochen war.

      Was ich gerade geschildert habe, ereignete sich innerhalb weniger Sekunden und nahezu zeitgleich mit dem Prasseln der Musketen ertönte in unserem Lager der Trommelwirbel. Es folgte eine Szene verzweifelter Hast, wie ich sie zuvor niemals gesehen hatte und auch danach nie wieder sehen sollte. Inmitten all dieser Hektik und Verwirrung, während die Jungs sich ihre Patronentaschen umschnallten und noch bevor wir in Kompanien angetreten waren, kam ein berittener Staboffizier von rechts her die Linie entlang herangaloppiert. Er stoppte direkt in unserer Kompaniestraße, indem er scharf die Zügel seines Pferdes herumriss, wobei dessen beschlagene Hufe den kleinen Haufen blechernen Kochgeschirrs zertrampelten, von dem meine Messe am Morgen ihr Frühstück gegessen hatte. Dem Pferd lief der Schaum von den Flanken und seine Augen und Nüstern waren rot wie Blut. Der Offizier blickte sich gehetzt um und rief aus: "Herr im Himmel! Das Regiment ist noch nicht gefechtsbereit! An der Rechten wird schon seit über einer Stunde gekämpft!" Er riss sein Pferd herum und verschwand in jene Richtung, wo das Zelt des Colonels stand.

      Ich weiß, dass die Schlacht an jenem Morgen gemäß der Geschichtsschreibung gegen 04.30 Uhr begann, dass sie von einem Erkundungstrupp eröffnet wurde, den General Prentiss am frühen Morgen ausgesandt hatte und dass General Shermans Division an der rechten Flanke frühzeitig vor dem Nahen der Rebellen gewarnt wurde und sich in aller Ruhe darauf vorbereiten konnte. Ich habe diese Dinge in Büchern gelesen und bestreite sie nicht. Ich erzähle lediglich, wie die Situation sich einem einfachen Soldaten an der Linken von Prentiss' Linie gegen 07.00 Uhr an jenem Morgen darstellte.

      Die Kompanien traten an und wir marschierten auf den Appellplatz, wo sich das Regiment in Gefechtslinie formierte. Es ertönte der Befehl: "Ohne Kommando laden!", doch dies hatten wir bereits vorhergesehen und die meisten von uns hatten ihre Musketen instinktiv schon vor dem Antreten in Kompanien geladen. Während all dessen kam der Lärm zu unserer Rechten näher und wurde lauter. Unser alter Colonel kam herangeritten, bezog vor dem Zentrum der Regimentslinie Aufstellung und rief: "Bataillon, Achtung!" Unser aller Augen waren auf ihn gerichtet und wir waren gespannt, was jetzt wohl kommen mochte. Es folgte die leidenschaftliche Ansprache des alten Herrn, die uns auf die Schlacht einstimmen sollte.

      "Gentlemen," sagte er mit einer Stimme, die jedermann im Regiment hören konnte, "denken Sie an Ihren Heimatstaat und tun Sie am heutigen Tage Ihre Pflicht wie tapfere Männer!"

      Das war alles. Ein Kriegsjahr später hätte uns der alte Herr zweifelsohne als "Soldaten" angesprochen und nicht als "Gentlemen" und zudem hätte er wohl die Nennung des "Heimatstaates" unterlassen, da diese unangenehm an die Beweggründe der Rebellen erinnerte. Er war jedoch ein überzeugter Demokrat im Sinne von Stephen Douglas und seine Gedanken kreisten wohl noch um die Schlacht von Buena Vista im Mexikokriege, wo sich angeblich ein Regiment aus einem westlichen Staate schändlich betragen und das Ansehen jenes Staates so schmählich besudelt hatte, dass es nur im Wüten des jetzigen Bürgerkrieges wiederhergestellt werden konnte. [Anm. d. Übers.: Stephen Arnold Douglas war ein erfolgloser Kandidat der gespaltenen Demokratischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1860. Er setzte sich für die Rechte der Einzelstaaten ein und verurteilte sowohl die Abolitionistenbewegung in den Nordstaaten als auch die Sezessionsbestrebungen in den Südstaaten. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs hielt er zur Union, starb jedoch bereits im Juni 1861.] Nach der kurzen Anstachelung durch unseren Colonel marschierte das Regiment unverzüglich über das bereits erwähnte kleine Feld und nahm seinen Platz in der Kampflinie ein. Vor uns befand sich der Wald und hinter uns das freie Feld. Wir richteten uns an unserer Fahne aus und warteten, Gewehr bei Fuß, auf den Angriff. Der Lärm zu unserer Rechten war inzwischen ohrenbetäubend. Die Rebellenarmee verbreiterte ihre Front und die Schlacht rollte unaufhaltsam auf unsere Position zu. Zwischen den Bäumen an unserer rechten Flanke konnten wir bereits bläuliche Rauchringe aufsteigen sehen und der beißende Geruch verbrannten Schwarzpulvers hing in der Luft. Während das Prasseln von rechts her die Linie entlang auf uns zu brauste, erinnerte es mich an ein heftiges Sommergewitter, dessen Regen über dem ausgedörrten Boden eines Stoppelackers niederging, nur war es etwa eine Million Mal lauter.

      Hier standen wir also stillschweigend am Rande des Waldes und warteten darauf, dass der Sturm über uns hereinbrechen möge. Ich weiß noch exakt, an was ich in jenem Moment dachte. Vor meinem inneren Auge sah ich das kleine Blockhaus, weit entfernt, im Hinterlande des westlichen Illinois. Ich konnte meinen Vater sehen, wie er auf der Veranda saß und in der dünnen Lokalzeitung las, welche am Abend zuvor mit der Post gekommen war. Meine Mutter war auch da und machte meine kleinen Brüder ausgehfein für die Sonntagsschule. Unser alter Hund döste in der Sonne. Die Hühner stolzieren gackernd in der Scheune umher. All diese Dinge und noch hundert weitere teure Erinnerungen durchfluteten meinen Geist und ich schäme mich nicht, einzugestehen, dass ich alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen militärischen Ehren bereitwilligst hergegeben hätte, wäre ich dafür durch irgendeine


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