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Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard SchielЧитать онлайн книгу.

Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel


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schrieb ich, daß ich gern alles vergesse, was vorgefallen ist und bitte ihn nun, eine neue Freundschaft zu schließen, die übers Grab hinausgeht, so war uns Gott helfe. Am Montag versammelte Herr Diete uns vom Verein. Die Mitglieder der Jugendwehr sind in seinem Zimmer. Keiner wußte warum. Vorne mußten wir uns aufstellen, wie Herr Diete es verlas. Mir kam die ganze Sache immer noch rätselhaft vor. Dann sagte uns aber Herr Diete, daß wir alle uns zusammenschließen und treu zusammenhalten müßten. Als äußeres Zeichen schlägt er vor, daß möglichst jeder einen Wandervogel-Anzug trägt. Diese würden bei einem Geschäft für alle bestellt werden. Dann soll jeder seine Vereinsnadel tragen. Herr Diete liest uns die Leitsätze der Berliner Pfadfinder christlicher Vereine vor. Wir mußten ihm in die Augen sehen und die Hand geben, indem wir versprachen, jeder für sein Teil dazu beizutragen, daß wir treu zusammen arbeiten und vermeiden, daß jemand ohne triftige Gründe aus unserem Verein austritt. Dann verkündete er, daß wir nunmehr eine Abteilung der Pfadfinder des Vereins bilden. Sonnabend findet dann gleich die erste Veranstaltung statt, ein Nachtmarsch. Wenn ihr also am Sonnabend ins Feld geht, vergesse nie, auch wenn Strapazen kommen, Deinen Gott. Denke daran, daß auch ich für Dich bete! Und nun Waffenheil und gottbefohlen

      Dein Otto

      VON WILLI PUCHERT (17)

      Jüterbog, 10.10. 1914

      Lieber Otto!

      Heute abend erhielt ich Deinen Brief vom 8/10. Etwa 6 Stunden vor der Abreise. Heute Nacht um 12 Uhr geht es fort. Allem Anschein nach Richtung Antwerpen. Feldmarschmäßig ist schon alles. Tornister ist fertig gepackt. Er hat eine anständige Schwere. Als Liebesgaben erhielten wir 1 Hemd, 1 Unterhose, Pulswärmer, 1 Magenbinde, Kopfwärmer und 3 Paar Strümpfe. Dazu die eigenen Sachen, die eiserne Portion, bestehend aus Erbskonserven, Fleischkonserven, 1 Brot, 2 Beutel Zwieback, 2 Dosen Kaffee, 1 Dose Salz, 1 Beutel Reis, die Schnürschuhe. Alles in allem eine ganze Menge. Du kannst Dir wohl vorstellen, was das zusammen wiegt. Dazu 180 scharfe Patronen. Die Knarre und das Seitengewehr sowie Schanzzeug. "Mit Gott für König und Vaterland!" So ziehen auch wir hinaus in den Kampf für die Ehre und Freiheit unserer Deutschen Nation. Mit Gott! Er soll unser Führer und Leiter in den kommenden schweren Wochen sein. Auf ihn will ich mich verlassen. Er soll mein Schirmherr sein. Ob auch Tausend fallen zu meiner Rechten und Zehntausend an meiner Seite, so wird es mich nicht treffen. Wenn Strapazen kommen, will ich mich aufrichten in dem Gedenken an unseren Herrn und Heiland, der um unseretwillen den Tod erlitt. Mit ganzem Herzen teile ich Deine Freude über Alfred Meißners Verhalten. Hoffen wir, daß die Freundschaft, neu gestärkt und geschmiedet, noch reiche Früchte tragen wird. Das Soldatenleben und der Krieg edelt den Charakter; er wird auch Alfred formen, daß er seine kleinen Fehler aufgibt. Auch ich hoffe, als Mann wiederzukommen. Nun zu Deinen Neuigkeiten. Also eine Pfadfindergruppe habt ihr gegründet. Es wird gut sein. Der Wert dieser Truppe wird sich ja bei längerem Bestehen herausstellen. Der Krach mit dem Röhrenmeister ist ja was Dolles. Den Vers, den ich schrieb, könnt ihr singen, wo und an welcher Stelle ihr es für richtig haltet. Besonders gut ist er nicht. Wenn Du lernen möchtest, Mandoline zu spielen, so wird es mir eine Freude sein. Mein Instrument stelle ich Dir gerne zur Verfügung. Werdet ihr im kommenden Winter wieder Elternabende veranstalten? Liebe Grüße an Deine Eltern und Geschwister.

      Nun Gottbefohlen und auf Wiedersehen

      Dein Willy

      AN WILLI PUCHERT (18)

      Stralsund, 13.10.1914

      Lieber Freund!

      Herzlichen Dank für Deinen erhaltenen Brief. Es war der schönste von denen, die ich bisher erhielt. Wenn Du meinen Brief bekommst, werdet ihr doch schon in Feindesland sein, denn Dein Brief ist doch während der Fahrt dorthin abgesandt. Neustadt liegt an der Bahn Berlin-Hamburg, etwa 70 km von Berlin, nicht wahr? Daß das Regiment 209 reichlich mit Wollsachen versehen ist, las ich in der Zeitung. Es ist ja sehr erfreulich, daß ihr so viel an eiserner Ration erhalten habt. Jedenfalls werden Dir die Konserven einmal besser schmecken als den Russen der Sand, der sich in ihren Dosen befand. Wegen des Regens wurde der geplante Nachtmarsch nichts. Wir versammelten uns im Heim zu einer gemütlichen Tafel. Es wurde Kakao eingeschenkt und Kuchen gereicht. Unsere Hauskapelle spielte auf und wir unterhielten uns sehr nett. Die zwölften Schläge der Kirchturmuhr waren eben verhallt, als Herr Diete sich erhob und wir nun eigentlich erst den Grund unseres langen Zusammenseins erfuhren. Herm. Wulff hatte gestern Geburtstag, und der Tag seiner Geburt begann für R. Will eben nach Zwölf. Wir beglückwünschten beide und erfuhren auch, daß beide die Kosten des Abends trugen. Sonntagmorgen sitze ich zu Hause mit unserem Telephon, da kommt ein Kamerad (Barnekow) von der Sanitätskolonne und teilt mir mit, um 1/2 11 Uhr antreten, es kommen 150 Verwundete. Ich renne nun los, denn es ist bald an der Zeit. Der Bahnhof ist von Menschen umlagert. Auf dem Bahnsteig erfahren wir, daß Franzosen und Belgier ankommen. Pünktlich läuft der Zug ein. Was sehe ich da: Rothosen, waschechte Rothosen mit blauem Frack und rotem Käppi. Aber dies ist lange nicht alles. Es war eine richtige Völkerschau: Franzosen, Belgier, Engländer, ja sogar Turkos und Zuaven. Auch französische Offiziere habe ich gesehen. Diese machten gar keinen schlechten Eindruck. Die Turkos sehen jämmerlich aus und haben gefroren. Sie haben blaue Pluderhosen und Jacken mit Goldborte besetzt. Dazu schwarze Tuchgamaschen und Schnürstiefel (mit Nägel beschlagen). Der Gesichtsausdruck ist schrecklich. Die Franzosen müßten sich schämen, solche Elemente auf den europäischen Kriegsschauplatz zu führen. Wir trugen Franzosen von der Bahn zum Krankenhaus. (Städtisches) Hier fünf Treppen hoch. Dann nahmen wir sie von der Trage herunter und setzten sie aufs Bett. Die Franzosen waren immer höflich und bedankten sich mit ihrem Merci oder auch Danke. Ein sehr gutes Licht, wie die Gefangenen in Deutschland behandelt werden, wirft folgendes: der Verwundetentransport wurde von Soldaten hier her geleitet. Als wir die Schwerverwundeten fortschafften, verabschiedeten sich Franzosen und unsere Soldaten in ganz kameradschaftlicher Weise. Ein deutscher Soldat sagte noch zu dem Franzosen, den ich trug: "Wünsche gute Besserung, Kamerad!" Freundlich nickte der Feind, um bald von uns fortgetragen zu werden. Heute kamen Landwehrleute mit 1 russischem Hauptmann und einem Lieutnant durch die Straßen. Endlich merkt man auch hier etwas mehr vom Krieg. - Nach Aussage Herrn Dietes werden wir bald wieder einen Elternabend veranstalten. Sonntag haben wir 4 Mitglieder aufgenommen. Hans verbringt seine Ferien bei Onkel und Tante in Gehlsdorf bei Rostock. Mutter und Trude, auch Lieselotte waren von Mittwoch bis Sonntag auf Besuch in Lüssow. W. Zenk ist abgeschwommen und tut auf der Straße, als hätte er Herrn Diete nie gekannt. Am Sonnabend war Großfeuer in der Brauerei von Rubarth, Mönchstr. Rotbarth ist kein Soldat mehr, da er sich beim Marschieren die Knochen aus den Gelenken trat. Aber nun behüt Dich Gott. Alle Zeit zeige Deinen Feinden deutsche Keile, aber auch unsere Großmut.

      Dein ewig treuer Otto

      AN ALFRED MEISSNER (19)

      Stralsund, 13.10.1914

      Mein lieber Alfred!

      Du wirst schon in Feindesland sein, wenn Dich meine Karte erreicht. Herzlichen Dank für das Bild und die lieben Zeilen. Auch Willi Puchert teilt mit ganzem Herzen die Freude über Dein Verhalten. Sonntag um 11 Uhr lief ein Zug mit 190 Verwundeten hier ein. Es war die reinste Völkerschau. Engländer, Belgier, Franzosen, Turkos und Zuaven. Die Franzosen haben tatsächlich noch ihre roten Hosen und den blauen Frack. Auch französische Offiziere waren darunter. Die Schwarzen sahen jämmerlich aus. Sie froren auch, was sich ja denken läßt. Die Franzosen sind aber freundlich. Sie grüßten die deutschen Offiziere und Schutzleute und bedankten sich, als wir sie von den Tragen aufs Bett setzten, mit ihrem Mersi oder auch Danke...Wir behandeln sie als Kriegs-kameraden und die französischen Zeitungen berichten von deutschen Barbaren? Versetzt den Feinden deutsche Keile, aber auch unsere Großmut. Nächstes Mal berichtet mehr

      Dein getreuer Otto

      AN MINNA REINIGER (20)

      Stralsund, 15.10.1914

      Mit Deiner Karte vom 6/10. hat Du mich sehr erfreut. Ich dachte, Du hättest mich schon vergessen. Wenn ich noch mal eine Karte von Dir haben soll, dann schreibe doch bitte etwas früher. Aber Kanonenfieber habe ich noch lange nicht. Bin bereits als Krankenpfleger ausgebildet und Mitglied der Sanitätskolonne vom Roten Kreuz. Da man aber von 17 Jahren an militärpflichtig ist, kommt man


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