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Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard SchielЧитать онлайн книгу.

Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel


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alle Vereinsbrüder vielmals

      Mit Gott Dein Willy

      AN WILLI PUCHERT (14)

      Stralsund, 2.10.1914

      Lieber Willi!

      Zuerst will ich hoffen und wünschen, daß die Taschenlampe-bald hätte ich geschrieben, heil und gesund - heil und ganz angekommen ist und daß alles nach Deinen Wünschen erfolgte. Deine Geldangelegenheiten bei Herrn Diete habe ich geregelt. Ich sollte doch auch Walters Beiträge bezahlen? Deine Tante aber war der Meinung, die 20 Pf. Monatsbeitrag könnte Walter selbst bezahlen, von Deinem Geld kann sie nichts für diesen Zweck hergeben. Schreib Du bitte, was Du wünschst. Wie ich schon mitteilte, bin ich nun auch Mitglied der Jugendwehr. Sonntag hatten wir eine Übung im Gelände, nachdem Marschübungen und Schwärmen, usw. Der Vereinsabend war dann wieder sehr nett. Als Gäste waren 7 Oberrealschüler anwesend. Herr Diete erzählte uns etwas über das Kriegs-und Verkehrswesen. Am Mittwoch hatte ich Unterrichtsstunde der Jugendwehr bei Herrn Dr. Schmidt, Oberlehrer. Besprochen wurde das Telephon. Auch unsere Fellmützen mit einem blauen Streifen, statt rot, erhielten wir. Wie ich Dir ebenfalls schon mitteilte, war ich an dem Sonntag vor 14 Tagen im Hause der Großeltern. Der Vetter meines Vaters war Radfahrer. Am Freitag vor der Mobilmachung wurde er bereits eingezogen und kam hin zur Grenzüberwachung an die russische Grenze. Der führende Leutnant dieses Trupps erhielt vom Hauptmann Befehl, nicht über die Grenze zu gehen, sondern sie nur zu bewachen. Als aber der Krieg an Rußland erklärt war, geht der Leutnant des Nachts über die Grenze, wo eine Kaserne steht. Unsere Grauen kriechen unter die Fenster und hauen den Russen die Gewehre aus der Hand. Da es zu schwierig ist in die Kaserne einzudringen, wird sie angezündet und nun strömen die 79 Russen heraus. Der erste wird gleich vom Leutnant runtergehauen. Die anderen nimmt man gefangen. Dann wird die Gegend nach dem Posten abgesucht, d.h. mit Laternen. Aus einem Gebüsch kommt er dann ohne Waffe heraus und wird vom Leutnant gelobt: "Junge, Du bist ein braver Jünger, daß Du nicht geschossen hast, sondern einfach weggelaufen bist." Mit 79 Russen kommen dann unsere Braven zurück. Der Hauptmann meint dann: "Aber Leutnant...wie konnten Sie über die Grenze gehen?" - - -"Ja, Herr Hauptmann", entgegnete der, "von Drüben ist ein Schuß gefallen, dann ging ich hinüber." - Wieder ein Zeichen für die Angriffslust unserer Truppen. Er erzählte auch folgendes: sie liegen vor einem Wald, als eine Abteilung meldet, Russen im Anzug. Schnell wird der Wald besetzt. Ahnungslos kommen die 1200 Russen ohne jede Sicherung auf den Wald zu. Als sie auf die günstigste Entfernung heran sind, wird das Feuer von uns eröffnet. Nur kurze Zeit später brauchen 8 Maschinengewehre und paar hundert Mann, um von 1200 Russen etwa 900 kampfunfähig zu machen. Später stellte sich heraus, daß nicht ein einziger Offizier dabei war. Diese halten sich fast immer im 4. oder 5. Schützengraben auf. Österreicher und Deutsche kämpfen Schulter an Schulter. Die eroberten Stellungen wurden durch Landwehrleute besetzt und so kam mein Vetter wieder zurück nach Stettin und wurde dem Regiment 290 zugeteilt. Gestern abend um 11 Uhr fuhren 150 Mann unserer 42-er ins Feld. Unter ihnen auch Hans Runge, Leo Zanke, Hans Wiechmann, Günther Krenz, und der kleine Baumann. Alles war munter und guter Dinge. Ich war auf dem Bahnhof und verteilte Blätter. (einliegend) Ganz famos war die Stimmung der Soldaten. Der Posten machte Hallotria mit seinen Unteroffizieren und Feldwebeln. Diese spaßten auch wieder. Offiziere verabschiedeten sich durch Händedruck von gemeinen Soldaten und wünschten Glück im Felde. Als sich der Zug in Bewegung setzte, wurden auch die Stralsunder begeistert. Die Spielleute spielten auf, Vaterlandslieder wurden gesungen, Hochs und Hurras gerufen und mit Hüten, Tüchern und Händen gewinkt. Und zum Schluß zwei Schuß mittels Feuerwerkskörper abgeknallt. Die Verlustliste der 42-er ist heraus. Gerhard sagte mir, es wären etwa 9 Seiten. Am Sonntag ist Abschlußprüfung vom roten + vor dem Herrn Regierungspräsidenten. Wünschend und betend, daß Gott Dich beschützen möge, verbleibe ich

      Dein Otto

      VON WILLI PUCHERT (15)

      Jüterbog, 4.10. 1914

      Lieber Otto!

      Für die Übersendung der Taschenlampe sage ich Dir den besten Dank. Dieselbe brennt tadellos. Ich kann sie gut gebrauchen. Das Geld laß Dir von Tante Minna geben. Ich habe es ihr schon geschrieben. Wir tragen auf unseren Achselklappen die Nr. 209. Mit den 42-ern haben wir vorläufig nichts zu schaffen. Es geht die Rede, daß wir Sonnabend weiter kommen sollten. Gestern ist hier ein Flieger gelandet. Bei unseren Übungen überflogen schon verschiedentlich Flieger den Platz. Das Flugzeug, welches gestern landete, war ein Doppeldecker der Albatros-Serie. Mit einem Fahrer und einem Beobachter. Beides junge Kerle von ca. 18-20 Jahren. Der Motor war defekt. Den ganzen Nachmittag murksten die Flieger beim Motor herum. Beide verstanden anscheinend noch nicht viel von der Sache. Gegen Abend ließen sie das Flugzeug in einen Schuppen transportieren und nahmen hier den Motor auseinander. Heute Mittag, nach einigen vergeblichen Versuchen, gelang der Aufstieg. In einer Höhe von 800-1000 Metern machten die Flieger einige elegante Kurven und sausten Richtung Johannisthal ab. Gestern ist fast 3/4tel der Komp. auf Urlaub gefahren. Einige auch nach Stralsund. Diese fuhren schon am Vormittag. Wir kamen erst Mittags vom Dienst, da hatte es wenig Zweck, noch zu fahren. Es ist still in der Kaserne geworden. Gestern nachmittag machten wir es uns gemütlich. In unserer Stube waren noch ca. 15 Mann. Heute, am Sonntag, ist hier regnerisches Wetter. Wir sitzen in der Stube. Neben uns spielen 4 Mann Canaster. Wir erzählen uns mit den Alten, lassen uns erzählen aus ihrer Dienstzeit, manche heitere, aber auch ernste Begebenheit. Soldatenlieder schreiben wir auf. Einen neuen Vers für: "Ist es denn nun wirklich war" kann ich Dir jetzt schon schreiben. Die neuen Lieder nächstens. Jetzt ist es draußen ruhiger geworden. Vielleicht gehen wir noch los. Wie geht es so in Stralsund? Ist noch alles gesund. Was macht der Verein? Besucht Ihr noch immer gemeinsam die Kriegsgebetsstunde? Wieviel Mann sind es? Unsere Brüder draußen in Belgien kommen vorwärts, bei Paris steht die Schlacht wohl noch, abgesehen vom rechten Flügel. Jetzt möchte ich schließen. Grüße bitte Deine Eltern und Geschwister herzlich von mir. Sie sind doch hoffentlich alle gesund? Grüße bitte alle Vereinsbrüder und Herrn Diete! Gottbefohlen Dein Willy

      Kommt ein junger Offizier, spricht, wir sind verloren, alle jungen Musketier, sind im Schnee erfroren.

      AN WILLI PUCHERT (16)

      Stralsund, 8.10.1914

      Lieber Willi!

      Deinen Brief vom 4/10 habe ich erhalten. Als Du diesen geschrieben hast, hattest Du wohl meinen Brief noch nicht? Am 6/10 erhielt ich eine Karte von W. Neels aus Barhöft. Er ist beim Wachkommando. Am Sonntag beendeten wir unseren Kursus mit einer Prüfung vor Herrn Regierungspräsidenten. Zum Schluß sprach er seine Anerkennung aus über die schönen Leistungen unserer Kolonne und hoffte, daß diejenigen, die zur Etappe kommen, die an sie gestellten Anforderungen genügen würden. Jetzt haben wir wöchentlich 1 Übestunde. Im Verein las Herr Diete einen Brief von seinem Bruder und einen von dem jungen Ingenieur. Der Ingenieur ist durch eine Heldentat der Franzosen in Kriegsgefangenschaft geraten. Er wurde nämlich verwundet und samt einem ganzen Feldlazarett gefangengenommen und nach Toulouse gebracht. Jetzt hat er Herrn Diete über die Schweiz einen Brief gesandt. Danach geht es ihm ganz gut, und Fritze Schlamm ist nun wieder ins Feld. Otto Päglers Bruder ist hier als Verwundeter in Stralsund. Er hat eine Verletzung am Finger. Otto erzählte, daß er ein französisches Seitengewehr mitgebracht hatte, das er aber für 10 Mark verkaufte. Ich hätte es trotz der 10 Mark nicht getan. Leutnant Zülke hat das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten. Die beiden Fliegerschuppen in Stralsund sind mit dem großen Sturm weggesegelt. Der Besuch der Kriegsgebetsstunde ist leider gering, da am Mittwoch Kriegsjugendwehr ist. Aber Herr Diete geht stets hin, und wenn wie neulich nur Walter Radüge mitkonnte. Es scheint, als ob wir verschiedene Mitglieder von den Konfirmanden erhalten werden. Der eine spielt schon mit unserer Hauskapelle Geige. Wie wär es, wenn ich durch Gerhard auf Deiner Mandoline spielen lernte? Der Röhrenmeister Wiedemann, aber auch leider der Herr Direktor Rauschenbach, sind zum 1. April gekündigt. Der Wiedemann empfing Damenbesuch. Um 10 Uhr habe ich ihn gesehen, als er mit seiner Dame aus seiner Wohnung kam. Seine Frau und Tochter sind ja schon längst bei Frau Wiedemanns Mutter in Stolp. Also, das wollte ein städtischer Beamter sein, der moralisch unter jedem Arbeiter steht? Daß aber Herrn Direktor gekündigt ist, tut mir leid, aber Wiedemann diente als Werkzeug der Inspektion, um Herrn Direktor fortzubringen. Nun, da es erreicht ist, wird auch dem W. gekündigt.


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