Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris TangelЧитать онлайн книгу.
lerne ich zu genießen, ohne mich ausblenden oder übertreiben zu müssen und ich lerne auch keine Angst vor meinen intensiven Gefühlen zu haben. Manchmal zumindest. Meistens habe ich sofort ein schlechtes Gewissen wenn ich mal zu laut oder zu euphorisch war und will am nächsten Tag alle anrufen und mich entschuldigen. Auch andere mit meinen Problemen zu belästigen und eine Freundin anzurufen, wenn es mir schlecht geht fällt mir immer noch schwer. Wenn meine Freundinnen nicht bei mir anrufen und ihre Schwierigkeiten mit mir teilen fühle ich mich ausgeschlossen.
Aber wenn ich einen geschützten Raum habe und Leute um mich herum, die mit intensiven Gefühlen umgehen können und selber auch mal gerne zu laut und zu dreckig lachen, kann ich auch laute Freude zulassen ohne Panik zu bekommen dass die Stimmung jeden Moment umschlagen kann und aus dem Ruder läuft und gleich einer unkontrolliert auf alles drauf haut was nicht schnell genug um die Ecke gerannt ist.
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Ich konnte aber viel zu lange noch nicht ohne! Als ich anfing mich damit zu befassen, mich von allen Rauschmitteln zu lösen war mir der Gedanke, einen Tag ohne Betäubung leben zu müssen das Schlimmste. Das war die größte Barriere. Die größte Angst. Und sie hielt mich lange in ihren Bann. Ich dachte, ich schaffe es nicht einen Tag „ohne“ zu überleben!
Der Satz klingt absurd, wenn man ihn sich genau ansieht, denn das Leben war doch da, ohne, so oder so und das schon immer und ohne dass man was dazu tun musste, aber ich konnte es nicht aushalten! Ich war nicht in der Lage mich auf meinen Atem zu verlassen.
Ich fand nicht die Kraft aufzuhören, obwohl es mir alle Kraft nahm. Eine ganz eigenartige Spirale mit ihren ganz eigenen verrückten Gesetzmäßigkeiten, aus der man nur ausbrechen kann wann man sich irgendwie überlistet.
Ist man dann erst einmal ein paar Wochen klar, hat man alle Chance neue Wege des Fühlens zu finden, bis man auf sicherem Boden steht. Aber nur, wie gesagt wenn man es freiwillig selbst entscheidet, sonst funktioniert es nicht.
Ich musste erst einmal erleben dass es noch andere Seinszustände gab, die mir viel mehr brachten und sogar Spaß machten, als das was ich vorher erlebt hatte. Als die Freude in mein Leben zurückkehrte, hatte ich einen guten Anreiz auch auf Dauer dabeizubleiben. Jeder Tag ist ein Erfolg. Egal wie lange ich durchhalte! Damit ich endlich etwas anderes erfahren kann, um neu zu werden. Es wurde mir immer wichtiger mich selbst zu bezwingen und Kontrolle über mich zu bekommen und mein Verlangen zu bändigen. Irgendwie! Aber ich wollte es bald mehr als alles andere auf der Welt. Ich wollte klar werden damit ich wieder mitspielen konnte…
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Als wir alle mit 13 anfingen die ersten Zigaretten zu rauchen und das erste Bier zu trinken, konnte ich beim Alkohol nie aufhören bis ich mich übergeben musste. Die Sucht war sofort da, schon bevor ich das erste Glas in die Hand genommen hatte. Es schien nur auf mich gewartet zu haben.
Die Männer eines bestimmten Fußballvereins, die auch immer ins Keglerzentrum kamen, wo wir junge Mädels uns nach der Schule und abends immer trafen, da dort die Pommes und das Bier günstig waren und sie gute Songs in der Musikbox hatten, nutzen das weidlich aus.
Sie füllten mich, als meine Freundinnen nicht da waren so lange ab bis ich nicht mehr aus den Augen gucken konnte. Komm, trink noch ein Bier, sagten sie ständig und drückten mir das nächste Glas in die Hand und meinten: auf Ex! und dann beschlossen sie (alle!), mich unbedingt nach Hause fahren zu müssen: du kannst ja kaum noch stehen. Wie hilfsbereit…
Ich wachte im Wald, auf der Rückbank wieder auf, obwohl ich vorher vorne gesessen hatte, während einer mich bestieg und die anderen draußen herumstanden und lachten. Ich konnte mich weder bewegen, noch meinen Kopf zur Seite drehen, denn ich wollte ihn nicht ansehen müssen, ich wollte weg von ihm, aber meine Arme waren Blei und dann hörte ich noch wie er fragte: wer ist der nächste? Ich wachte wieder auf als ich vor unserem Haus aus dem Auto fiel und auf allen vieren über die Straße kroch. Da half mir keiner von den hilfsbereiten Männern.
Danach kotze ich stundenlang aus dem kleinen Fenster neben meinem Etagenbett und mein Vater zerrte an mir herum weil er meinte ich wollte aus dem Fenster springen.
Von da an zog ich es vor wie ein Junge auszusehen und trug in der Öffentlichkeit keine Röcke mehr. Ich versteckte mich fortan unter weiten dunklen Pullis. Ich wollte nicht daß man meine weiblichen Rundungen sieht. Bis ich 30 war hielten mich viele Fremde für einen Typen, was ich mochte, denn das bedeutete sie ließen mich in Ruhe. Ich fand, Frau sein, kein sicherer Ort!
Haschisch war mir lieber, es machte die Leute nicht aggressiv und war außerdem natur pur und, was mir das wichtigste war: dort wo die Kiffer waren, waren die verheirateten Männer des Fußballvereins, die so auf 14 jährige Mädchen standen nie anzutreffen.
Die Haschischleute ließen mich in Ruhe und behandelten mich wie einen Menschen. Bei ihnen konnte ich sein wie ich bin, ohne ein Geschlecht haben zu müssen. Obwohl ich Bier bald nicht mehr mochte, es schmeckte einfach furchtbar, schaffte ich es auch da lange nicht die Finger davon zu lassen.
Später stieg ich dann um auf Wein und Whisky und dachte das sei eine Alternative, nur weil es einen anderen, für mich unvorbelasteten Geschmack hatte und ich bekam eine Stimme wie Janis Joblin. Wofür ich auch wieder gelobt wurde. Aber mir war meine eigene Stimme lieber, auch wenn ich Janis Joblin liebte, aber ich wollte nicht die Imitation eines anderen sein, wenigstens in der Kunst, ich traute mich ja so schon kaum eine eigene Meinung zu haben.
Mein unstillbarer Hunger nach Betäubung brachte mich in gefährliche Situationen und ich schämte mich, bis ich 35 war einem Menschen von diesem Vorfall zu erzählen, weil ich mir die Schuld daran gab. Ich hätte ja das viele Bier nicht trinken und nicht in ihr Auto steigen müssen!
Es gab auch keinen Rückzugsort bei uns zu Hause, zum Nachdenken und Reflektieren, da wir Kinder kein Zimmer hatten. Ich konnte nie ungestört sein vor den Augen meiner Familie und musste mich in der Toilette umziehen als in der Pubertät die Scham einsetzte. Unser Bett stand in einem engen Durchgang zwischen Küche und dem Schlafzimmer der Eltern, natürlich ohne Türen, und es gab keinen Raum in dem man sich aufhalten oder Mal eine halbe Stunde alleine sein konnte, ohne das einer Kommentare abgab oder Fragen stellte. Ich hatte irgendwie kein Privatleben und war immer mit den Stimmungen der anderen beschäftigt, um mich zu schützen als meine eigenen Befindlichkeiten wahrnehmen zu können.
Ich konnte auch gar nicht darüber reden was mir da alles passierte und dass ich mich nie beherrschen konnte, da zu Hause schon so ein Exemplar meiner Spezies herumsaß. Dieses Thema war tabu und es war böse. Wir hatten schon genug Schwierigkeiten damit, da konnte ich nicht auch noch mit meinen eigenen Problemen ankommen!
Auch wenn der Vater nichts anderes tat als saufen und es jeden Tag meines gesamten Lebens schon um nichts anderes als um seinen Alkoholkonsum, der unseren ganzen Alltag bestimmte gegangen war, sollte ich es anders wissen. Ich kannte es gar nicht anders. Ich hatte nie etwas anderes gesehen! Ich fragte mich lange: was machen eigentlich Leute abends, die nicht trinken?
Wie sieht es in einer ganz normalen Familie aus? Sitzen die abends zusammen, essen und reden womöglich freundlich miteinander? Ich weiß es bis heute nicht und fühle mich auch schnell bedroht von regelmäßigen Tagesabläufen und Essen um 1 und zu viel Nähe. Wenn es intim wird, wird mir immer erst einmal schlecht. Man weiß ja nie!
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Doch bin ich (trotz meiner Geschichte oder gerade deswegen) für die Legalisierung von Drogen und ganz speziell Cannabis und habe nie verstanden warum Haschisch verboten und Alkohol erlaubt, ja sogar gesellschaftsfähig ist. Man fällt sogar unangenehm auf wenn man den teuren Wein beim Diner oder den Verdauungsschnaps danach verschmäht.
Wie oft bekomme ich ungefragt einen Schnaps hingestellt wenn wir alle in einem Lokal essen sind und die Rechnung kommt. Meistens schnauze ich dann die Kellner an, da ich will dass sie sich bewusstwerden dass es Leute gibt, für das eine Rückfallgefährdung bedeuten kann. Beim nächsten Mal fragen sie vorher, wer einen will. Auch der Sekt, der morgens