Ich und der Fisch, der Fisch und ich. Dorothea Doris TangelЧитать онлайн книгу.
und der Tag war für mich gelaufen.
Also tat ich irgendwann so als würde ich trinken und leerte das Glas, wenn keiner in meine Richtung sah unauffällig in die Spüle und behielt aber noch das leere Glas in der Hand. An Sylvester hob ich einfach die leere Hand in die Höhe und rief Prost Neujahr, damit mich keiner nötigte.
Ich hasste die ewigen Diskussionen, als ich den Alkohol endlich hinter mir gelassen hatte, dass es doch nur „mir zuliebe“, und „es ist doch mein Geburtstag“ oder „ komm´, nur ein Glas weil heute Sylvester, Weihnachten, Ostern und der Weltuntergang“ ist. Ich wollte nicht mehr darüber reden, ich wollte mich nicht rechtfertigen müssen, ich wollte es nicht tun und ich wollte nicht ständig daran denken müssen.
Es ging doch keinen etwas an was ich in meinen Körper hineinschütten wollte oder nicht. Einem trocknen Alkoholiker empfiehlt man doch auch nicht als Kellner in einer Kneipe zu arbeiten.
Aber kaum einer wusste davon, denn auch das war irgendwie ein Tabuthema, obwohl gerade ich doch stolz darauf hätte sein können. Aber ich war es nicht, zeigte es doch nur dass ich Probleme damit hatte. Und Probleme waren schlecht, ganz schlecht, dachte ich damals!
Einmal fragte mich ein Mann, den ich auch noch hochinteressant fand und für den ich gerade starke Gefühle der Zuneigung entwickelte, ob ich denn mit dem Alkohol Schwierigkeiten hätte? Er hatte beobachtet, wenn wir abends noch alle zusammen saßen und gemeinsam aßen und redeten dass ich den Wein immer ablehnte. Den anderen war das nicht aufgefallen. Er schaute mich dabei so dramatisch an dass ich mich ertappt fühlte. Jetzt wusste er dass ich nicht perfekt war. Wie soll mich so einer mögen können?
Ich gewöhnte mir an, wenn jemand besorgt fragte: „willst du denn nichts trinken?“ und der ganze Saal entsetzt in meine Richtung guckte, schnell zu sagen: „ich habe gerade keine Lust!“. Das half und schützte mich vor unangenehmen Fragen. Sonst starrten einen alle immer so komisch an und sofort fing eine lautstarke Diskussion über dieses Thema an und viele fühlten sich dann auch noch in Frage gestellt, nur weil einer etwas anders tat als der Rest.
Ich war dann doch nur wieder mit den Angelegenheiten anderer beschäftigt und meine eigene blieb auf der Strecke. Ich wollte in Ruhe ich selber sein dürfen, ohne mich ständig dafür entschuldigen zu müssen. Aber genau daran musst ich mich gewöhnen: auch Mal anders sein zu können ohne gleich zusammenzubrechen weil einer kritisch oder beleidigt guckte.
Das war mir am Anfang aber alles noch zu viel und ich wollte keine Energie mehr darein geben. Ich brauchte Abstand und ich hatte keine Lust mehr auf dieses Thema, denn seit ich denken konnte war es um nichts anderes gegangen und hier ginge es nicht um sie sondern es war meine ganz eigene Privatangelegenheit. Ich wollte nicht erst fragen müssen wenn ich mich veränderte und gesunden wollte und ich wollte meine Aufmerksamkeit neuen Dingen zuwenden und mich nicht immer erklären müssen für etwas, das ich nicht tat.
Und doch halte ich nichts von Verboten, wenn es um die Sucht geht. Man muss es von innen her lösen wenn man damit ein Problem hat. Man kann heute Winzer, Bierbrauer und Schnapsbrenner werden, es ist sogar ein Lehrberuf und viele etablierte Reisende besuchen gerne die Whiskybrennereien im schönen Schottland und sagen es ist Kultur, aber der Haschischbauer kommt in´ n Knast!
Als in Amerika, per Gesetz die Prohibition ausgerufen wurde, übernahm die Mafia die illegale Versorgung und alles driftete auf die kriminelle Ebene ab (weil von einem Verbot die Sucht nun mal nicht weggeht). Oft wurde ausversehen Methylalkohol hergestellt, aus Unkenntnis über die Materie, weil jeder sich in der Produktion von Alkohol versuchte, auch um sich selbst zu versorgen. Das wurde in der Not natürlich auch getrunken, aber davon erblindeten die Leute und manche starben sogar daran.
Als sie das Gesetz änderten und Alkohol wieder legalisierten, verlor die Mafia einen Großteil ihrer Macht und hörte sofort auf, Leute auf der Straße zu erschießen und sie versuchten sich erst Mal in Müll. Die Herstellung des Alkohols konnte wieder kontrolliert und offen vonstatten gehen und jeder wusste was drin war.
Wenn ich etwas verstecke oder im Verborgenen halte, ist es dadurch nicht nichtexistent! Es liegt nur in der hintersten Ecke des Schrankes, wo es keinem gleich auffällt. Aber es ist immer noch da! Dort lauert es und wenn man unversehens die unterste Schublade öffnet schaut es einen mit seinen großen unheimlichen Augen ganz gelangweilt an, weil es genau weiß dass es einen jederzeit verspeisen kann…
Heute ist es die gleiche Geschichte mit den Drogen. Wären alle Drogen legal, dürfte man darüber reden und wüsste was in dem Zeug drin ist und es könnte Freitagabends, wenn alle ausgehen und feiern wollen in den Nachrichten davor gewarnt werden wenn gepanschtes und giftiges Zeug im Umlauf ist.
In Mexiko und Kolumbien würde die Mafia nicht alle Macht haben, Angst, Einschüchterung und Mord zu verbreiten und Anwälte und Politiker zu erschießen, die widersprechen. Es würden keine Kriege damit finanziert werden, wie damals im Balkan oder auch später in Afghanistan, wo der Mohn wächst wie blöd, woraus Heroin hergestellt wird.
Bevor der Krieg im Balkan ausbrach, machten in Frankfurt die Jugoslawen von sich reden weil sie plötzlich überall ganz dick im Drogengeschäft waren, sich um die Absatzmärkte prügelten und jeden abknallten der sich ihnen in den Weg stellte.
Es gab einen Vorfall, am helllichten Tag auf der Einkaufsmeile im Stadtzentrum, wo auf offener Straße ein Dealer einen anderen regelrecht hinrichtete und viele Leute drum herum standen und nicht wussten was sie tun sollten. Keiner hätte erwartet dass der Mann ernst macht, die Bilder gingen durch die Nachrichten wie alle zusahen wie ein Mann nach einer halben Stunde Schreierei erschossen wurde.
Die Jugoslawen legten sich damals schon einen Waffenvorrat für kommende Ereignisse an, als noch keiner ahnte dass es dort bald zum Krieg kommen würde. Die Gewalt und die Bereitschaft zum Töten waren schon da, bevor sie dann „zu Hause“ aufeinander losgingen.
Komischerweise ist Waffenproduktion und -handel legal. Dinge, die nur aus einem einzigen Grund hergestellt werden: um zu töten. Verrückte Welt! Von den Drogen hat man wenigsten noch einen Rausch bevor man abnippelt.
Ein Problem löst sich nicht indem man es nicht beachtet oder verbietet. Man kann nur loslassen was man gehabt hat. Wenn ich so tue als existiere eine Sache nicht, kann ich sie nicht weggeben. Ich muss sie zuvor in der Hand gehalten haben. Man muss die Dinge ansehen und verstehen, um sie aufzulösen und man muss die Ursache erkennen, um sie heilen zu können. Wenn ich ignoriere dass mein Kind jeden Tag Vergewaltigt wird, hört es dadurch nicht auf!
Verbote beschäftigen sich nur mit der Auswirkung einer Sache und kein Wasserrohrbruch im Keller verschwindet dadurch dass ich tagelang mit großen Eimern Unmengen von Wasser aus dem Haus schaffe und ständig rufe: „es ist aber verboten dass dort das Wasser ausläuft“. Ich muss das Leck finden sonst sinkt das ganze Schiff.
Die Frage lautet doch: was genau wollen eigentlich so viele Menschen auf diesem, unserem Planenten täglich betäuben? Es geht nicht um „feiern“ und mal einen drauf machen. Solche Leute gibt’s nämlich auch, die nur einmal im Monat oder einmal im Jahr sich die Birne zuknallen „können“ und dann den Rest der Zeit nüchtern sind und keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Ich bin ein paar davon tatsächlich begegnet! Es geht um die, die es nicht einen Tag ohne aushalten können, wie ich und sich jeden Tag exzessiv, bis zum Komaanfall ausblenden müssen!
Was also ist so schlimm in unserem Leben dass wir es nicht ertragen? Oder was darf nicht sein, was wir uns nicht eingestehen wollen aber doch fühlen und denken daß wir es nur schnell wegdrücken müssen, damit es uns nicht erdrückt? Keiner darf es sehen!
Kann man denn das Leben nicht so einrichten dass wir kein Verlangen mehr danach haben nicht „da“ zu sein? Nur weil es anscheinend keinen Platz für unser wahres Ich, unsere eigenen Gedanken, Gefühle, unsere Seele, unsere Schwächen, unsere Leidenschaften, ja sogar für unsere Stärken gibt? Sogar für unser „Nein“ gibt es kaum Raum.
Wir sind zu feigen Jasagern geworden, unter deren Haut es so sehr brodelt dass wir jedem nur noch die Pest an den Hals wünschen können, so wütend hat uns die Verdrängung unserer Bedürfnisse gemacht und wir warten nur darauf dass die anderen tot umfallen und wir über sie herziehen können,