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Aufschwung-Ost. Joachim GerlachЧитать онлайн книгу.

Aufschwung-Ost - Joachim Gerlach


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der ehemaligen Bezirksdienststelle des MfS auflösenden Bürger-Komitees angehörte. „Nein, keine Angst, ich habe nachgefragt. Deine Akten lagen doch sowieso bei der Aufklärung, die sind doch seit langem schon in Berlin und dort durch den Reißwolf.“ Das klang beruhigend, zumal sämtliche, wenn auch nicht mit allem eigentlich gebotenem Nachdruck veranlasste Bemühungen Holsteins, irgendwo anders eine seiner Qualifikation und seinem bisherigen Berufsweg entsprechende Arbeitsstelle zu finden, ohne jeglichen Widerhall im Sande verrieselten. Die wirtschaftlichen Wiesen und Weiden der Umbruchzeit schienen mit Betriebswirten und Verwaltungsfachleuten nur so gepflastert zu sein, seine bescheidenen EDV-Kenntnisse, die ihn bislang als Einäugigen inmitten die vielen Blinden stellten, nutzten da ebenso wenig. Die neue Zeit brachte die Technik und die dazugehörigen Programme gleich zuhauf in die über Nacht west-gestylten Bürostuben, da bedurfte es keiner Anpassungsprogrammierer mehr. Versicherungsvertreter und Finanzdienstleister, eigenständig und freiberuflich selbstredend, wurden gesucht, und das nicht zu knapp. Das aber konnte sich Holstein zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen, als Klingelputzer im dunkel-lila Anzug treppauf-treppab den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen und ihnen im gleichen Atemzuge Lebens-, Hausrat- und andere nützliche wie unnütze Absicherungen aufzuschwatzen! Nein, Holstein tat diesmal, was er sich eigentlich schon längst abgewöhnt hatte zu tun, er befolgte einen der so oft gehörten und ebenso oft in den Wind geschlagenen Kernratschläge seines Vaters. Der hatte freilich etwas martialische Hintergründe, schien aber, bei Lichte besehen, so untauglich wiederum auch nicht, wenngleich aus schwer vergleichbarer Situation abgeleitet: Wenn du im Schützengraben liegst und rundherum schlägt es ein, dass es nur so kracht und wummert, dann bleib in deinem Loch und rühre dich nicht von der Stelle!

      Zwar hagelte es im Umkreis des Holsteinschen Arbeitsplatzes in den Monaten nach der durch Volkes Willen erwirkten DDR-Vereinnahmung nicht Bomben und Granaten, statt dessen Enttarnungen und Entlassungen, vielleicht half des Vaters verbales Vermächtnis dennoch. Es half nicht, wie wir sehen werden.

       Holstein verpasste, wie man so sagt, mit dieser Art Passivität zu einer frühen Stunde, da sich die meisten seiner Landsleute, wenn zugegebenerweise auch nicht ganz freiwillig, neu orientierten, den abfahrenden Zug. Als man ein paar reichliche Monate später letztendlich auch ihn enttarnte und aus der Behörde warf, waren anderweitig die meisten der neu zu besetzenden und umzuverteilenden Stellen schon vergeben, lösten sich die ersten der gerade gegründeten Unternehmen auch bereits wieder auf.

      So beschritt Holstein mit mentalem Abstand eine Ära, welche die industriellen Strukturen, die Landschaft der ehemaligen DDR und die Lebensgewohnheiten ihrer Bürger in einem nie gekannten, eigentlich vorher so nicht vorstellbarem Ausmaß umkrempelte, in dem quasi über Nacht Millionen von Menschen ihres Arbeitsplatzes verlustig wurden, in dem Industriebrachen ungeahnter Weiten entstanden, ganze Landstriche und Stadtteile sich entvölkerten, andererseits Verkehrs- und Kommunikationswege entstanden, die zu den modernsten der Welt zählten, neuer Wohnraum geschaffen wurde in Größenordnung der Bautätigkeit der drei letzten DDR-Jahrzehnte, Gewerbegebiete, Möbeldiscounter, Autohäuser und Baumärkte wie Pilze aus dem Boden schossen als gälte es, in Tagen und Wochen die Versäumnisse vorangegangener vierzig Jahren aufzuarbeiten.

      Eine Ära, in welcher die Autobahnen in Richtung Bayern, Hessen und Niedersachsen am Sonntag nachmittags vollgepfropft waren mit anreisenden Berufspendlern aus dem wirtschaftlich entblößten Neubundesgebiet, in dem die Holsteins zum ersten Mal in ihrer Familiengeschichte endlich Autos fuhren, deren Reparatur, so denn überhaupt erforderlich, nicht von Holstein selbst bei Wind und Wetter auf der Straße vollzogen wurde, in dem die Holsteins begannen, Europa und die Welt zu bereisen. Eine Ära, in welcher selbst die Holsteins nach zehn Jahren ein kleines Häuschen und darinnen neben moderner Küche, komfortabler Möblierung auch drei Farbfernsehgeräte ihr eigen nannten, das Häuschen freilich hochgradig kreditbelastet.

      Eine Ära, welche Waren, Dienstleistungen, ja alle möglichen und unmöglichen Dinge des Lebens in gar unüberschaubarer Flut aller Orten und zu allen Zeiten darbot und welche dennoch nicht im Entferntesten vermochte, eine der wichtigsten Fragen irdischen Daseins zu beantworten: Was wir morgen sein? Werden wir noch Arbeit haben? Werden die Kinder nach Ausbildung und Studium auch Arbeit haben? Werden sie überhaupt einen Ausbildungsplatz haben? Eine Ära, welche neben der noch vor wenigen Jahren ungeahnten Möglichkeit, im gegebenen kurzzeitigen Moment beachtlichen Wohlstand zu genießen, die stete Bedrohung dieses Wohlstandes, ja des gänzlichen sozialen Abstieges stellte.

      Aber nicht allein das Damoklesschwert der Aufdeckung seiner einstigen geheimdienstlichen Verstrickungen schwebte über Holsteins Haupt, auch fachlich gesehen befand er sich mittlerweile in einer ziemlichen Zwickmühle. Es war eine reine Frage der Zeit, wann dies höheren Ortes bemerkt und entsprechende Konsequenzen daraus gezogen werden würden. Nahezu unmerklich, dafür kontinuierlich gingen ihm nämlich seine Arbeitsinhalte verloren. Gleich mit Beginn der Währungsunion trennten sich fast alle Fachorgane von ihren EDV-Spezialisten, „aussourcen“ nannte man wenig später solcherart Trennung. Das freilich war ein Fehler, denn die neuen Chefs, welche sich aus West und Ost in den Büroräumen der alten, in die Wüste geschickten breit machten, verlangten nach Daten. Holstein entging so dem Versand in die Warteschleife, war er doch plötzlich fast der letzte Wissens- und Erfahrungsträger, der sich noch auskannte in der Handhabung von Technik und Software des der Treuhandanstalt anheim gefallenen volkseigenen Kombinates Robotron und auch wusste, wo die gewünschten Daten gespeichert waren. Daten der territorialen Infrastruktur wurden jetzt massiv benötigt, mögliche Flächen für Gewerbegebiete nebst deren Anbindungen an Autobahnen und Fernstraßen, nicht die Planvorgaben und deren Abrechnungen aus den Zeiten der Mangelwirtschaft. Die hatte Holstein nebst anderen Mitarbeitern auch schon längst in den Schächten der Müllentsorgungsanlage verkippt und zwar immer gleich eimer- und schubkarrenweise. Holstein holte die nunmehr gewünschten Daten nicht nur herbei, er schuf auch gleich die Arbeitsmittel zu deren effizienter elektronischer Aufbereitung. So gehörte er mit einem Mal zum Kreis der wenigen fachlich Unabkömmlichen. Und das war gut so, denn merkwürdige personelle Veränderungen brachte die sich im Aufbau befindende Behörde mit sich. Schlecht einzuschätzen waren die Kompetenzen der durchgängig mit Männern aus Altbundesland besetzten obersten Chefetage. In den mittleren Ebenen hingegen tummelten sich auch Leute, die mit der Wende nach oben gespült wurden, die sich nun wider jedweder Erwartung als langjährige und erbitterte Widerstandskämpfer gegen das SED-Regime entpuppten, obgleich zu DDR-Zeiten noch mit Funktionen in diversen Massenorganisationen oder in mit der SED eng verbundenen Blockparteien betraut. Sie alle versuchten, die Umgebung ihres neuen, nachwendigen Arbeitsplatzes mit Personen ihres Vertrauens, mit Personen, deren Loyalität und Unterwürfigkeit sie sich sicher waren, zu bestücken. Wenig Beachtung fand in diesem Gerangel, ob die fachliche Befähigung des Kandidaten oder der Kandidatin den Anforderungen der zu besetzenden Stelle Genüge tat. Auf diese Weise konnte es schon geschehen, dass simple, aber in Schlachten am Buffet und im Bett langjährig erprobte Sekretärinnen schnell zu Stadt- und Territorialplanern, tumbe, aber schon immer willfährig dienende und dienernde Angestellte zu Bewilligern von Fördermitteln mutierten. Holstein sah’s mit Grausen. Sah mit Grausen die einstige Kollegialität und Kameradschaft, die bisher bei allen Querelen das tagtägliche Dienstgeschäft durchdrungen hatte, einer bissigen Konkurrenz beim Kampf um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes weichen, sah mit Grausen, wie fachlich völlig minderbemittelte, jedoch angepasst ausnehmend gut gekleidete Personen überdurchschnittlich bezahlte, vor allem aber, und das wog nach den Erkenntnissen aus der sich im Osten millionenfach entfaltenden Arbeitslosigkeit weitaus schwerer, gesicherte Arbeitsplätze einnahmen, derweil, aus welchen Gründen auch immer, fachlich dafür eigentlich viel besser Geeignete ins berufliche und soziale Nichts abglitten.

      Mit den sich allmählich heraus kristallisierenden und auch personell bald vollständig besetzten neuen Dienstbereichen flossen immer mehr Aufgaben, die Holstein statt derer bislang interimsmäßig wahrgenommen hatte, von ihm ab. Zuletzt verblieb ihm noch die edv-gestützte Übersicht beantragter und ausgereichter Fördermittel, hin und wieder wurde er auch als Springer für alle möglichen Angelegenheiten eingesetzt. Aber auch hier zeichnete sich schon das baldige Ende ab, denn mit der neuen EDV-Anlage, hochmodern und durchgängig alle Arbeitsplätze vernetzend, lagen auch die im Altbundesgebiet bewährten EDV-Programme auf. Holsteins letzte, fast zwei Jahre ihm die Stellung sichernde Bastion würde in Kürze fallen. Als Vorbote dieses


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