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Die Cousine aus Frankreich. Catherine St.JohnЧитать онлайн книгу.

Die Cousine aus Frankreich - Catherine St.John


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d´or für viel wertvoller als er war. Sie dachte noch darüber nach, während sie die Treppe hinaufstieg. In Frankreich hatte sie natürlich nie selbst etwas eingekauft; das meiste wurde im Haus hergestellt und zu Besorgungen schickte man die Diener, also vor allem Jean-Baptiste; so hatte sie selbst keine Ahnung von der Kaufkraft eines Louis d´or.

      Wenn sie doch nur Jean-Baptiste fragen könnte! Wahrscheinlich hatte sie dem Wirt viel zu viel gegeben – oder er glaubte es wenigstens; anders war sein plötzlicher Eifer nicht zu erklären.

      In dem angegebenen Schlafzimmer entdeckte sie einen Krug heißen Wassers, in der Schüssel stehend, ein raues Handtuch, etwas Seife und einen alten Kamm, der sogar einigermaßen sauber aussah.

      Sie starrte entsetzt in den fleckigen Spiegel: Allmächtiger, wie sah sie bloß aus! Die kurzen dunklen Locken verklebt und schmierig, das Gesicht immer noch gerötet und mit einer dicken Staubschicht bedeckt, die sie auch nicht gerade verschönte. An der Nase schälte sich obendrein die Haut ab. Wahrhaftig, es war ein Wunder, dass der Wirt sie nicht sofort hinausgeworfen hatte!

      Sie zog die Jacke aus, goss Wasser in die Schüssel und machte sich an eine gründliche Reinigung, ja, sie versuchte sogar, sich mit diesen unzulänglichen Mitteln die Haare zu waschen.

      Das raue Handtuch ließ ihre misshandelte Haut noch mehr brennen, aber immerhin war sie nun wieder einigermaßen sauber. Sie betrachtete gedankenvoll die schwarzbraune Brühe in der Schüssel – dass man in einer einzigen Nacht so viel Schmutz auf sich versammeln konnte? Aber offensichtlich war auch ein Teil der braunen Farbe wieder aus ihrem Haar herausgewaschen worden – diese Annahme erhärtete sich zur Gewissheit, als sie kleinlaut das völlig verdorbene Handtuch betrachtete, das sicher nie wieder sauber werden würde.

      Erstaunlicherweise war sie gar nicht müde, obwohl sie die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte – ihre großen, haselnussbraunen Augen blickten klar und vergnügt. Sie band ihr Haar im Nacken wieder zusammen und war mit sich und der Welt in diesem Moment recht zufrieden. Schwungvoll hüpfte sie die Treppe hinab, um zu ihrem dringend benötigten Frühstück zu gelangen.

      Doch als sie die Tür zur Gaststube öffnete, hielt sie erschrocken auf der Schwelle inne: Ein fremder Mann saß an dem Tisch neben dem, auf dem Tee, Brot und Käse einen höchst erfreulichen Anblick boten.

      Der Gentleman – ein solcher schien er der Kleidung nach zu sein – war aber offensichtlich an Essbarem nicht interessiert, sondern starrte trübe in seinen Deckelkrug.

      Er war wunderschön gekleidet, wenn auch vielleicht nicht ganz passend für einen ländlichen Gasthof und auch nicht für einen gewöhnlichen Montagvormittag; er sah eher aus, als wolle er gleich zu einer festlichen Abendgesellschaft aufbrechen, aber davon abgesehen waren seine prächtigen Gewänder ziemlich ramponiert.

      Sein ungepudertes dunkles Haar war im Nacken zusammengebunden, aber einige Strähnen hatten sich gelöst und hingen ihm in das hübsche, wenn auch nicht gerade blühend zu nennende Gesicht; er trug eine elegante Jacke aus steifem silbergrauen Brokat, die leider durch einen Rotweinfleck verunziert wurde, darunter eine reich bestickte Weste in zartem Rosa; die schwarzen Kniehosen waren ebenso aus Seide wie die weißen Strümpfe; reiches Spitzengeriesel an Kragen und Handgelenken vervollständigte das Bild eines in dieser Gaststube völlig deplatziert wirkenden Gentleman von etwa fünfundzwanzig Jahren.

      Geneviève murmelte „Guten Morgen, M´sieur“, und hoffte, er würde sie nicht ansprechen. Sie hatte keine Lust, ihrer Tante mehr Peinlichkeiten zu bereiten als unbedingt nötig, und es stand fest, dass es sehr peinlich werden würde, wenn ein Mitglied der feinen Gesellschaft sie in Männerkleidung, alleine und in einer mehr als obskuren Wirtsstube antraf und das womöglich in London herumtratschte. Jedenfalls wäre das in Frankreich so unmöglich gewesen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, man würde in England über derlei hinwegsehen.

      Sie glitt auf ihren Platz, schenkte sich Tee ein und begann mit herzhaftem Appetit, ihr Frühstück zu verzehren.

      Der erstaunliche Herr am Nebentisch befasste sich weiterhin mit seinem Deckelkrug, mit dessen Inhalt er offensichtlich seine nach einer durchzechten Nacht arg darniederliegenden Lebensgeister zu erfrischen hoffte. Der Ehrenwerte Thomas Darley hatte nämlich die vergangene Nacht bei einem in der Nähe ansässigen Freund mit Kartenspiel und viel zu viel Wein und Brandy verbracht und sich, als er auf dem Rückweg an diesem Wirtshaus vorbeikam (sein liebenswürdiger Gastgeber hatte mit schwerer Zunge noch vergeblich versucht, ihm klarzumachen, dass er so nicht reisen könne), plötzlich der anstrengenden Heimreise ohne ein ordentliches Quantum Ale nicht mehr gewachsen gefühlt. Was zum Teufel war ihm nur eingefallen, wegen eines lumpigen Kartenspiels durch halb England zu rattern? Auf eine derart schwachsinnige Idee konnte auch nur er kommen!

      So saß er nun vor seinem Krug, ärgerte sich, rund achtzig Meilen von London entfernt in einem derart unpassenden Aufzug zu sitzen, dass man es nur noch absurd nennen konnte, und überlegte, ob es wohl die Höflichkeit geböte, mit dem jungen Burschen, der sich am Nachbartisch geradezu ekelhaft herzhaft ein Frühstück schmecken ließ und trotz seiner entsetzlichen Kleidung irgendwie nicht wie ein Bauer aussah, ein wenig Konversation zu treiben.

      Eigentlich hatte er keine Lust dazu und glaubte auch, vom Reden würde sein Schädel nur noch mehr dröhnen, aber schließlich war er ein wohlerzogener Mensch und seine bloße Anwesenheit in diesem Wirtshaus war schon genug Verstoß gegen die guten Sitten.

      Er bemerkte also, nicht sonderlich originell: „Schönes Wetter heute, nicht wahr?“

      „Ja“, antwortete Geneviève einsilbig, nicht minder einem Gespräch abgeneigt. Er beschloss, noch einen Versuch zu wagen und es dann aufzugeben: „Sie kommen aus Frankreich?“

      Die Reaktion auf diese reine Höflichkeitsfrage erstaunte ihn.

      „N-nein, wieso?“ stammelte der Bursche und lief womöglich noch röter an, kerzengerade aufgerichtet.

      „Na, Sie haben doch vorhin M´sieur zu mir gesagt, deshalb dachte ich, Sie wären Franzose“, erläuterte Mr. Darley achselzuckend, denn eigentlich war es ihm völlig gleichgültig, ob das Kerlchen nun aus Frankreich, China oder vom Mond kam.

      „Warum erschrecken Sie denn so? Ist doch nicht verboten, aus Frankreich zu kommen. Ein Spion werden Sie ja wohl nicht sein – au! Ohh…“

      Er griff sich an den geplagten Schädel. Geneviève sprang alarmiert auf. „Ist Ihnen nicht wohl, M´sieur?“ Himmel, jetzt hatte sie schon wieder M´sieur gesagt! Er schien es aber nicht gehört zu haben, denn er murmelte nur: „Schon gut, ich habe nur furchtbares Schädelbrummen. Dieser Brandy war teuflisch, wissen Sie.“

      „Wie bitte?“ Verständnislos starrte sie ihn an.

      Er seufzte und hob mit gequälter Miene den Kopf. „Ich – habe – gestern – zu viel – getrunken“, erklärte er überdeutlich. „Sie müssen aus Frankreich kommen, wenn Sie nicht mal wissen, was Brandy ist. Leugnen ist zwecklos.“ Er schloss die Augen, wie um das Endgültige dieses Dictums zu betonen.

      Geneviève war fasziniert und vergaß ihre Vorsicht. Diese Engländer hatten doch eine zu seltsame Ausdrucksweise! Offensichtlich hatte der Herr Kopfschmerzen, aber woher, war ihr noch nicht ganz klar, wenn sie auch einen bestimmten Zusammenhang vermutete.

      „Bekommt man Kopfschmerzen, wenn man zu viel trinkt?“, fragte sie deshalb interessiert, aber auch von der Hoffnung getrieben, sie könne ihn damit von der heiklen Frage ihrer Herkunft ablenken. Doch dadurch verschlimmerte sie die Sache nur noch.

      Der Herr fuhr ob dieser naiven Frage so jäh hoch, dass ein besonders schmerzhafter Stich seinen gemarterten Schädel durchzuckte und ihm ein neuerliches Stöhnen entlockte. „Sagen Sie mal, ist das Ihr Ernst? Ja, waren Sie denn noch nie beso- betrunken?“

      „Natürlich nicht!“, wies ihn Geneviève zurecht, einen Moment lang vergessend, dass gelegentliche Trunkenheit für einen Herrn auch in Frankreich nichts Anstößiges darstellte.

      „Naja, ein bisschen kindlich sehen Sie ja noch aus. Aber Sie sind doch mindestens – naja, siebzehn?“

      Sie nickte, auf ein Jahr mehr oder weniger


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