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Flucht aus dem Morgengrauen. Marc LindnerЧитать онлайн книгу.

Flucht aus dem Morgengrauen - Marc Lindner


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sich noch zu fremd an, und so durchlebte ich einen dieser Augenblicke, in dem die Gedanken auf Reisen gingen, und man, sobald sie wiederkehrten, nicht wusste, wo sie eigentlich gewesen waren.

      «Na, wird es dir mulmig?», hörte ich eine warme, angenehme Frauenstimme in meinem Ohr und spürte, wie eine Hand sich freundschaftlich auf meine Schulter legte.

      Ich war zu müde, um jetzt noch zu spielen, und wagte es nicht mich umzu­drehen.

      Auch wollte ich keine Freundlichkeit für eine dieser dunklen und kalten Kameras aufbringen, obwohl ich mir eingestehen musste, dass die Journalistin den richtigen Ton getroffen hatte. Beinahe hätte ich sie nicht einmal erkannt gehabt, wäre da nicht ihre Hand gewesen.

      «Bist du eigentlich schon einmal geflogen?», fragte sie weiter und schien sich an meinem Schweigen nicht weiter zu stören.

      Langsam, fast resignierend senkte ich den Blick, bevor ich diesen hereinrief.

      «Nein, das ist mein erster Flug», sagte ich mit etwas übertrieben lauter und deut­licher Stimme. Doch da fehlte etwas. Wir waren allein. Allein, ohne diese Million Zuschauer auf der Schulter eines einzelnen Mannes, und selbst dieser fehlte.

      Verwundert sah ich zu den anderen, die immer noch fleißig Papiere aus­tausch­ten und unterzeichneten, die drei Mitarbeiter der Frau ungefährlich weit von mir weg und es schien fast als wollte keiner ein Auge für uns beide haben.

      Um mir gleich noch mehr Rätsel zu bereiten, trafen sich unsere Blicke nicht, als ich die Frau direkt ansah. Der ihrige ging an mir vorbei nach draußen und ich sah an den Pupillen, die in ihren tiefbraunen Irissen gebettet waren, dass ihre Blicke keinen Halt fanden.

      Wie vertraut und doch geheimnisvoll sie mir auf einmal vorkam. Ihre Berühr­ung war fast zu einer Umarmung geworden, als ich mich umgedreht hatte. Und obwohl ich von der Frau wusste wie fordernd, neugierig und überdreht sie war, fühlte es sich angenehm an. Auch wenn es sich dabei um eine Illusion handeln musste, so gönnte ich mir es doch sie zu genießen.

      Ich wusste nicht, wie lange wir so dastanden, aber wohl lange genug, als dass in dieser Zeit Kriege entschieden werden konnten.

      «Hey, ihr beiden, ausgeträumt, es geht weiter», riss eine kräftige, belustigte Stimme aus weiter Ferne an uns, und ich spürte, wie die Frau kurz zusammen­zuckte, bevor sie wieder verhärtete.

      «Du wirst es sicherlich mögen», umgarnte sie mich wieder mit ihrem gewin­nen­den Lächeln, bevor sie zum Millionär davon huschte. Ihre Stimme aber hatte sich nicht so schnell ändern können und so war noch ein letzter Hauch ihrer Zuneigung mitgeschwungen, bevor diese, mitsamt der Wärme auf meiner Schulter, sich in der großen Halle verflüchtigen konnte.

      Wieder wollte ich langsam hinter ihnen her schlendern, doch nachdem Konrad einige zugeflüsterte Worte mit ihr ausgetauscht hatte, schien dieser etwas gegen mein Vorhaben einzuwenden zu haben und wartete auf mich.

      Als ich mich dann doch noch beeilt hatte und zu ihm gestoßen war, hatte sich die übrige Crew bereits aus meinem Gesichtsfeld entfernt.

      «Du musst jetzt nur noch zum Arzt, ein paar Routine­unter­suchungen und Im­pfung­en, und schon kann deine Weltreise beginnen», meinte Konrad und war mit allem, und vor allem mit sich selbst zufrieden.

      Doch bei diesem Stichwort fiel mir doch gleich etwas ein, was ich geklärt haben wollte.

      «Aber muss man die Impfungen nicht eine gewisse Zeit im Voraus haben?», wollte ich mein bescheidenes Wissen ergänzt wissen.

      «Mach dir da mal keinen Kopf», sagte er leichtfertig, «das ist alles geregelt», endete er und damit war dieses Thema für mich abgehakt.

      Seltsam nur fand ich, dass keine Kamera zugegen war. Irgendwie bereitete dies mir nun Unbehagen, denn der Gedanke sie wollten meine Privatsphäre unge­stört lassen, war mir bei denen eher unverständlich.

      Vielleicht lag das seltsame Gefühl daran, dass ich Ärzte lieber gehen als kommen sah, und mit meiner Begeisterung für Spritzen war es nicht weit her.

      Aber da musste ich nun durch, wie jedes Spiel, so hatte auch dieses seine Tücken.

      Das Ärztezimmer lag am Ende eines langen, schmalen Korridors, und nach­dem ich die Weite der großen Hallen des Flughafens gewohnt war, fühlte ich mich recht beengt, als ich nun hindurchgehen musste.

      Konrad wich nicht von meiner Seite und hatte seine große Hand auf meinen Rücken gelegt, als habe er Angst, ich würde ihm davon laufen.

      Irgendwie war ich ihm für seine Hilfe sogar dankbar, denn ohne die Alter­native eines Fluchtweges, ging es sich viel leichter.

      An der Tür angelangt war es der Millionär, der anklopfte. Verwundert stellte ich fest, dass seine Handknöchel viermal die Tür berührten.

      Nun konnte ich auch wieder über mich lachen. Was einem doch alles durch den Kopf geht, wenn man etwas Unangenehmes vor sich hat. Und ich war froh, dass ich es wohl bald hinter mir hatte.

      Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür öffnete und uns ein kleinwüchsiger, gesetz­ter Mann mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck entgegen trat. Mit einem etwas verspannten Blick sah er an uns vorbei in den Korridor, bevor er uns hereinbat.

      Mich begrüßte er mit einem für Ärzte typischen, äußerst schwachen Hände­druck. Eine Berufseigenschaft, die noch nie viel Vertrauen bei mir erweckt hatte. Doch diesen Kerl mochte ich auf Anhieb gut leiden. Er hatte ein helles, aufgeschlossenes Gesicht und schien sich die Motivation an der Arbeit bewahrt zu haben.

      Er machte sich gleich daran, mich auf jede Verdachtsmomente hin zu unter­suchen. Doch als sportlicher Student, der auch noch auf seine Ernährung geachtet hatte, war an mir und meiner Gesundheit nichts zu beanstanden. Während meines Studiums war ich nicht einmal einer dieser allgemein bekann­ten und hinter­hältigen Fünfminutenprüfungskrankheit zum Opfer gefallen.

      «Du hast die Kondition und Konstitution zum Abenteurer», schloss er seine Untersuchung, bevor er mir fröhlich pfeifend, einen regelrechten Cocktail an Spritzen abwechselnd in Arme und Hintern jagte.

      «Es kann sein, dass dir nachher ein wenig flau wird. Ich gebe dir lieber ein paar Beruhigungstabletten mit, damit du im Flugzeug ein wenig Schlaf findest», sprach er die Warnung erst aus, als die letzte Ampulle ihren Inhalt in meine Blut­gefäße ergoss.

      «Nein danke», lehnte ich freundlich lächelnd ab. «Ich möchte nicht mehr Chemie als nötig in meinem Körper haben.»

      «Richtige Einstellung, mein Kleiner», lobte er mich und war erleichtert, dass ich seine Befürchtungen so leicht nahm.

      Da Flugzeuge bekanntlich nicht lange auf jemanden warteten, ging alles recht schnell von der Bühne, schnell genug, damit ich mir keine Gedanken darüber machen musste. Doch dann wartete noch die, in der heutigen Welt, längste Auf­gabe auf uns – die Bürokratie.

      Es galt noch eine Unzahl von Berichten, Formularen und Bestätigungen aus­zu­füllen. Vieles war vorgefertigt gewesen und brauchte nur ergänzt zu werden.

      Zum Zeitvertreib erlaubte ich mir die ausgefüllten Zettel durch meine Hände gehen zu lassen, bevor ich sie Konrad, der die ganze Zeit am Pult gesessen hatte, überreichte.

      Nur wenig interessiert flog ich über die Berichte, von denen ich nur wenig, und nichts Wichtiges verstehen konnte.

      Nur die Stempel interessierten mich, und die Länder, für welche ich diese Do­kum­ente benötigte.

      Als ich einige durchgereicht hatte, wurde ich auf einmal stutzig. Ohne mir etwas anmerken zu lassen, überprüfte ich meine Vermutung. Die Daten, zu denen diese Formulare ausgefüllt worden waren, schwankten erheblich. Den ältes­ten Stempel, den ich in meine Hände bekam, war auf vor drei Monaten datiert, und dabei hatte ich dem Arzt eben dabei zugesehen, wie er diesen drauf­gesetzt hatte.

      Nun begriff ich endlich, wieso keine Kamera zugegen war. Diese Tür, die hinter mir war, musste verschlossen bleiben, und Tageslicht war nicht erwünscht.

      Auch wenn der Arzt


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