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Terrorismus in Deutschland und Italien: Theorie und Praxis der RAF und der BR. Kai BerkeЧитать онлайн книгу.

Terrorismus in Deutschland und Italien: Theorie und Praxis der RAF und der BR - Kai Berke


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wird, so sind damit in der Regel die drei staatlichen Gewalten einer repräsentativen Demokratie Legislative, Exekutive und Judikative in ihrer Realisierung in Parlament, Regierung und den Gerichten gemeint, die sich in der Beziehung zum bewaffneten Kampf kaum voneinander unterschieden. Um eine Reduzierung des Staates auf seine repressiven Elemente zu vermeiden, beginne ich die Arbeit mit einer differenzierteren Darstellung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland und Italien und trenne diese Darstellung von den unmittelbaren Reaktionen auf RAF und BR, die im 5. Kapitel thematisiert werden.

      In der Tat spielte sich die Auseinandersetzung auch vorrangig zwischen den klandestinen Gruppen und den staatlichen Instanzen ab, während die Bevölkerung eher Zuschauer als Akteur des Geschehens war und in der überwältigenden Mehrheit kein Interesse an einer revolutionären Umgestaltung hatte.

      Die Abschnitte, die sich mit Italien befassen, sind i.d.R. ausführlicher, da die dortige Entwicklung nicht immer als bekannt vorausgesetzt werden kann. Da zu den BR auch erheblich weniger Literatur zugänglich ist als zur RAF, sei an dieser Stelle dem Hamburger Institut für Sozialforschung, der Stuttgarter Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur und dem autonomen Berliner Archiv „Papiertiger“ für ihre freundliche Unterstützung gedankt.

      Kapitel 1

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      Die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung in Deutschland und Italien

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       Die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung in Deutschland und Italien

      In diesem Kapitel soll geklärt werden, in welcher historischen Situation RAF und BR entstanden sind und wie die Veränderung bestimmter Faktoren die Isolation der bewaffneten Organisationen vom revolutionären Subjekt begünstigt haben könnte.

      A: DEUTSCHLAND

      Die Entwicklung bis 1968

      Traditionen

      Auch wenn man sich hüten muss, Klischees zu reproduzieren, sollen zunächst einige längerfristig wirksame Wertorientierungen der Deutschen genannt werden, da sie sich von den Traditionen in Italien eklatant unterscheiden. SONTHEIMER benennt verschiedene Traditionen, die v.a. auf die Zeit des Biedermeier und des Wilhelminismus zurückgehen.

      Für diese Arbeit interessant sind die etatistische und die unpolitische Tradition. Erstere bezeichnet die Idee des Staates als „Verkörperung des Allgemeininteresses“, die sich im 19. Jh. als Resultat der Nichtexistenz eines deutschen Nationalstaates stärker herausbildete. Als Garant für Uniformität, Sicherheit und Ordnung wurde der Staat höher eingeschätzt als Individualität oder das Eintreten für partikulare Interessen. Diese Tradition wurde in der Adenauer- Ära angesprochen, um die Bevölkerung emotional an den neuen Staat zu binden.

      Die unpolitische Tradition steht mit der etatistischen in Zusammenhang, denn wo das eigene Wohl einem allmächtigen Staat überlassen wird, ist das Interesse des Einzelnen an der Gestaltung von Politik gering. Der unpolitische Untertanengeist aus der wilhelminischen Zeit ist in dem Roman „Der Untertan“ von Heinrich MANN treffend beschrieben. Nach der NS- Ära manifestierte sich diese Tradition in dem Wunsch vieler Deutscher, mit Politik nie mehr etwas zu tun haben zu wollen.

      Das Ende des Nationalsozialismus und die Adenauer- Ära

      Diese Ausführungen lassen es nicht verwunderlich erscheinen, dass der Eigenanteil der deutschen Bevölkerung an dem Ende des Nazi- Regimes 1945 als marginal zu bezeichnen ist. Neben dem mutigen, aber ineffektiven Widerstand der Kommunisten, der nach der Teilung Deutschlands zudem tabuisiert wurde, gab es kaum nennenswerten bewaffneten Widerstand, der als demokratisch oder fortschrittlich zu bezeichnen wäre. So mag es kaum verwundern, dass für viele, die sich mehr oder minder gut mit dem Nationalsozialismus arrangiert hatten, der 8. Mai 1945 ein Tag der Niederlage und Schmach und weniger ein Tag der Befreiung war. Verschiedene Umfragen zwischen November 1945 und August 1947, in denen immerhin die Hälfte der Bevölkerung befand, der Nationalsozialismus sei an sich eine gute Sache, die nur schlecht umgesetzt worden sei, bestätigen diesen Eindruck. Es ist festzuhalten, dass es keine parteiübergreifende, verbindende Widerstandstradition und keinen antifaschistischen Gründungskonsens gab. Angesichts dessen ist es wenig verwunderlich, dass in der 1949 gegründeten Bundesrepublik viele Beamte und Richter des Nazi- Regimes wieder auf ihrem Posten zu finden waren. Dieses Kontinuitätsproblem verstärkte in den 60‘er Jahren die Angst vor einer Wiederkehr des Faschismus.

      Der beginnende Kalte Krieg und die Entwicklung in der SBZ bewegte die westlichen Alliierten dazu, den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau ihrer Besatzungszonen zu vereinheitlichen und zu forcieren. Skeptisch zeigten sie sich besonders gegenüber der positiven Besetzung des Begriffes Sozialismus im Gegensatz zur negativen Bewertung der Weimarer Parteien- Demokratie, die ihren deutlichsten Ausdruck in dem „Ahlener Programm“ der neugegründeten CDU vom Februar 1947 hatte. Bei dieser Grundstimmung wäre eine hegemoniale Stellung der SPD als einziger Massenpartei der Weimarer Republik und mit dem Etikett nicht nur gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt sondern auch während der Zeit des 3. Reiches Widerstand geleistet zu haben, zu erwarten gewesen. Doch gerade im verlustreichen Widerstand ist auch ein Grund für die Paralysierung der Arbeiterbewegung und ihre schwindende Integrationskraft nach dem Krieg zu sehen.

      Die erste Bundestagswahl 1949 fand unter dem Eindruck eines polarisierten Wahlkampfes zwischen Vertretern einer „Sozialen Marktwirtschaft“ und Befürwortern der Wirtschaftsplanung statt und wurde vom bürgerlichen Block unter Führung der CDU gewonnen. Maßgeblichen Anteil daran hatte die Unterstützung der westlichen Alliierten und v.a. der USA, die die BRD wegen ihrer geostrategischen Bedeutung und Frontstellung gegen den Ostblock unter keinen Umständen verlieren wollten und deshalb die CDU u.a. mit den Wiederaufbauhilfen aus dem Marshall- Plan unterstützten.

      Die 14 Jahre dauernde Kanzlerschaft Adenauers ist außenpolitisch gekennzeichnet durch die strikte Einbindung Deutschlands in die westliche Wirtschafts- und Verteidigungsgemeinschaft. Innenpolitisch wurden unter der Prämisse des Antikommunismus kritische Diskussionen weitgehend vermieden. Pünktlich zu den Wahlterminen konnte der Antikommunismus durch Ereignisse wie die Volksaufstände in der DDR (1953) und Ungarn (1956) als vereinheitlichende Ideologie wiederaufbereitet werden. Der rasante Wirtschaftsaufschwung brachte zudem weiten Teilen der Bevölkerung einen relativen Wohlstand, auch wenn die Einkommensschere zwischen Selbständigen und Lohnabhängigen immer größer wurde.

      Die Adenauer- Ära ist gekennzeichnet durch die oben beschriebenen Geisteshaltungen, d. h. das Vertrauen in einen Staatsapparat, in den man sich nicht einmischt und die Fixierung auf materiellen Wohlstand. Das Gemeinschaftsgefühl wurde durch einen strikten Antikommunismus gespendet.

      Die herbe Niederlage bei der Wahl 1957, bei der die CDU die absolute Mehrheit der Mandate errang, beschleunigte bei der SPD eine grundlegende Umorientierung weg vom traditionalistischen Marxismus hin zu einem „ethischen Grundwertesozialismus“, der sich 1959 in dem neuen Godesberger Programm widerspiegelte.

      Die SPD

      Wirtschaftspolitisch befand sich die SPD mit ihren Ideen der Wirtschaftsplanung nach der beschriebenen kurzen Phase ab 1948 im Abseits. Weder im Frankfurter Wirtschaftsrat, noch in der Verfassungsgebenden Versammlung, noch nach den Bundestagswahlen konnte sie Verbündete außerhalb des Arbeitermilieus finden. Unter dem Druck der überaus erfolgreichen und populären Wirtschaftspolitik Erhards bekannte sich dann schließlich auch die SPD in ihrem neuen Grundsatzprogramm von Godesberg (1959) zur Sozialen Marktwirtschaft. Da die KPD bereits 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten worden war, bestand über die Grundzüge deutscher Wirtschaftspolitik somit weitgehender Konsens zwischen den Parteien.

      Die Umsetzung des neuen Programms erfolgte ab 1960 unter der Federführung von Herbert Wehner, Willy Brandt und Fritz Erler in der „Politik der Gemeinsamkeit“. Zunächst auf die Außenpolitik beschränkt, bot Kanzlerkandidat Willy Brandt der Regierung im Bundestagswahlkampf


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