Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt. Jürgen RuszkowskiЧитать онлайн книгу.
von 6.500 BRT. Sie war ein im wahrsten Sinne des Wortes schönes Schiff, ca. 160 Meter lang, 17 Meter breit, drei Ladeluken vorne, die Aufbauten mit Brücke, Messen, Salons, Passagiers-Kammern und allen anderen Einrichtungen mittschiffs; dann achtern noch mal zwei Luken und ganz achtern kleinere Aufbauten mit weiteren Mannschafts-Quartieren. Die Besatzung bestand aus etwa 35 Mann; außerdem gab es sehr komfortable Einzel- und Doppelkabinen für maximal zehn Passagiere.
Dieses schneeweiße Frachtschiff mit rotem „Hamburg-Süd“-Schornstein-Top war im Pazifik-Liniendienst eingesetzt, d.h. es machte den Törn US-Ostküste (ca. 4-5 Häfen) - Panama-Kanal - Südpazifik (einige Südsee-Häfen wie Tahiti, Neu-Kaledonien) - Australien - Neuseeland und zurück. Eine Rundreise dauerte ca. vier Monate. Zwei weitere „Cap“-Schwesterschiffe bedienten die in etwa gleiche Route; drei andere, etwas kleinere „Cap“-Dampfer waren nur im Pazifik eingesetzt und bedienten die US-Westküste. In Seefahrer-Kreisen bezeichnete man die Cap-Flotte allgemein als die „Weißen Schwäne des Pazifik“!
Da diese Schiffe nie ihren Heimathafen Hamburg anliefen, erfolgten die Urlaubs-Ablösungen immer per Flug, meist in den USA. Normalerweise betrug die Fahrtzeit damals mindestens drei Reisen, d.h., wenn man „im Pazifik“ anmusterte, wusste man, dass man Europa bzw. die Heimat erst frühestens nach über einem Jahr wiedersehen würde! Aber so war die Seefahrt damals eben; die seinerzeit wirklich langen Liegezeiten in allen Häfen entschädigten fast für alles!
Der „Held“ dieser Story ist unser damaliger 1. Steward (Chief-Stew) Andreas Faller, genannt „Andy“. Anfang April 1969 flogen wir mit ca. 15 Crew-Ablösern von Hamburg via Frankfurt/Main über den „großen Teich“ nach New York und stiegen dort auf der CAP ROCA ein; Andy war auch dabei! Er war ein richtig „ausgetragenes Bürschchen“, waschechter Bayer (Münchner Buam) und hatte seinen Kellner-Beruf in einem der besten Münchener Hotels von der Pike auf gelernt. Vor seiner Fahrtzeit hatte er es dort schon zum Chef-Kellner gebracht! Andy war vorher schon als 2. Steward auf den „heiligen Kühen“ der Hamburg-Süd, den „Cap-San“-Schiffen, im Linien-Dienst Europa-Südamerika eingesetzt; er fuhr - wie er sagte - „nur mal zur See, um die Welt kennen zu lernen“.
Fachlich war unser Andy also wirklich ein As; das muss ich so betonen, es hängt wesentlich mit dieser Geschichte zusammen. Ich selber war der Funk-Offz./Verwalter und war außer für den Funkdienst als Zahlmeister verantwortlich für den Papierkrieg in den Häfen, für die Heuerabrechnung, den Proviant und die Kantine.
Von New York ging es nun „southbound“ Richtung Neuseeland/Australien; an der US-Ostküste nahmen wir noch ein paar Häfen mit und von Charleston/South-Carolina nahmen wir dann Kurs auf den Panama-Kanal.
Inzwischen waren in den US-Häfen auch insgesamt sieben zahlende Passagiere mit Bestimmungsort Auckland / Neuseeland bzw. Sydney / Australien eingeschifft worden; dank Andy mangelte es ihnen an nichts. Er war als Chief-Steward zuständig für das Wohlergehen der Passagiere und bediente zu den Mahlzeiten im sogenannten „Salon“. Im Salon speisten die „Drei Eisheiligen“ (Kapitän: 4 goldene Streifen, Ltd. Ingenieur: 3 ½ Streifen und 1.Offizier: 3 Streifen) sowie natürlich die Passagiere. Bei den Passagieren handelte es sich um zwei ältere amerikanische Ehepaare, eine alte Dame mit Tochter aus Neuseeland und einen Australier. Die übrigen Offz./Ing.-Grade sowie Anwärter hatten ihre Offiziers-Messe; Bootsmann, Koch, Chief-Steward, Storekeeper, Schlüsselmatrose ihre Unteroffiziers-Messe und der arbeitende Rest seine Mannschafts-Messe. So waren damals die Bräuche in der „Bord-Hierarchie“.
Unser 1. Offizier, Herr Scholz, - ein „älterer Herr von Anfang 30“ - spielt die zweite Hauptrolle in dieser wahren Geschichte. Er war als „Chief-Mate“ der unmittelbare Vorgesetzte der gesamten Decks-Crew (einschl. Bootsmann) und genehmigte (oder strich) für die „Fett-Gang“ (Koch/Bäcker/Stewards) die Überstunden etc. Er hatte ziemliche Minderwertigkeitskomplexe, welche er durch eine nach außen hin zur Schau getragene erhebliche Arroganz zu vertuschen suchte.
Ich selber hatte ja mein eigenes Ressort; mein einziger Vorgesetzter war der Kapitän. Der „Alte“ war übrigens ein sehr umgänglicher Mensch (Ende 50); er ließ mir völlig freie Hand und war froh, wenn man ihm „seine Ruhe“ ließ. Mit dem „Ersten“ hatte ich also dienstlich kaum etwas zu tun, deshalb kam ich mit ihm auch einigermaßen gut zurecht.
Andy und ich waren inzwischen (auch bedingt durch die vielen gemeinsamen Landgänge und unsere gute Zusammenarbeit wg. Kantinen-Store etc) gute „Macker“ geworden.
In Cristobal am Panama-Kanal nahmen wir nun noch vollen „Bunker“ (Brennstoff), ein 8-stündiger deftiger Landgang kam auch noch dabei raus; und dann ging's nach der Kanal-Passage ab Balboa auf der Pazifik-Seite nun auf die ca. 24-tägige Südreise bound Neuseeland; ca. 8.000 Seemeilen „Stiller Ozean“ lagen vor uns.
Die normale Bord-Routine stellte sich nun ein; man ging seine vorgeschriebenen Seewachen, der „Dampfer“ rollte ganz sanft in der pazifischen Dünung, die allgemeine Stimmung war gut. Wir waren eine rein deutsche Besatzung, d.h., in irgendeiner Kammer war abends „Party“ angesagt; und Andy verwöhnte „seine Passagiere“ nach besten Kräften so gut, wie es auf einem Frachter eben möglich war.
Normalerweise besuchte Andy mich nach seinem Feierabend so gegen 19:00 Uhr zu einem kleinen „Klönschnack“ bzw. einem kleinen „Scotch vom Feinsten“ in der Funkbude bzw. angegliederten Kammer; ich musste abends meist noch die letzte zweistündige international vorgeschriebene Hörwache absolvieren, und man gönnte sich ja sonst nichts!
Eines Abends zur gewohnten Zeit kam Andy in einem vollkommen außergewöhnlichen Zustand zu mir auf Kammer; schneeweißes todernstes Gesicht und „geladen“ bis über die Ohren. So hatte ich Andy noch nie erlebt. Er war total sauer und stinkig, stand kurz vorm „Platzen“ und war offensichtlich froh, in mir jemanden zu haben, bei dem er seine Probleme loswerden konnte.
Ich beruhigte ihn erstmal ein wenig, und dann legte er los: „Udo, stell' Dir das bloß mal vor, dieses dumme Schwein von Chief-Mate macht mich beim Abendessen vor dem Alten und den Passagieren im Salon wegen eines angeblichen Fehlers beim Service an; er wollte wohl witzig sein und meinte in seiner bekannt arroganten Art, ich hätte meinen Beruf wohl in einer „Fischbratküche auf dem Kiez“ gelernt - gerade diese Pfeife hat's nötig; der A... weiß doch nicht mal, wie man Messer und Gabel richtig hält..., aber das zahl' ich ihm heim, das wird er noch bereuen! Du hast doch ein gutes Verhältnis zum Alten, bitte schlag' ihm doch mal vor, dass wir am Wochenende für unsere Passagiere ein spezielles „Äquator-Essen“ veranstalten könnten, im Salon, mit diversen Gängen, Speisekarten etc. und allen Schikanen. Der Scholz bekommt sein Fett, aber auf meine Art!“ ... Nachdem ich Andy zugesichert hatte, dass ich mich beim Kapitän für seinen Vorschlag einsetzen würde, wurde er langsam wieder er selbst.
Am nächsten Morgen - beim obligatorischen „Coffee-Time“ ca. 10:00 Uhr auf der Brücke - sprach ich den Alten so „ganz nebenbei“ auf ein „Äquator-Essen für unsere Passagiere“ an; unsere Fahrgäste seien doch alles liebe Menschen, sie hätten doch mal eine schöne Abwechslung verdient; für jeden gäbe es eine hübsche Speisekarte als Souvenir; außerdem kämen unsere in irgendwelchen Backskisten versteckten „Schätze“ wie altes Porzellangeschirr, Silberbestecke und schwere Tischdecken mal wieder zur Geltung..., nicht zu vergessen die Werbung für die Reederei, Mundpropaganda etc. pp.; ich machte unserem Kapitän Andys Idee so richtig schön schmackhaft!
Nachmittags war der Alte schon Feuer und Flamme für das „Passagiers-Diner“; er hielt es nun für eine ganz hervorragende Sache und gab mir offiziell Order, zusammen mit dem Koch und dem Chief-Steward das „Fest-Essen im Salon“ zu organisieren.
Unseren wirklich ausgezeichneten Koch Bruno konnte ich dann auch für die Idee begeistern; er fühlte sich richtig gefordert, außerdem sollten dabei für ihn und den Bäcker etliche Überstunden 'rausspringen. In den nächsten drei Tagen hatten Andy, Bruno und ich also allerhand zu tun; abends war regelmäßig „Meeting“ bei mir; das Menü musste zusammengestellt, die Speisekarten individuell für jeden Passagier entworfen, geschrieben und bemalt werden usw. usw. Im Rahmen unserer für ein Frachtschiff beschränkten Möglichkeiten ließen wir uns schon eine ganze Menge einfallen.
Andy war nun so richtig in seinem Element und